Das Novartis-Führungsduo vollzieht einen radikalen Kurswechsel und stellt den Schweizer Pharmariesen neu auf. Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt und Konzernchef Joseph Jimenez bauen das schnell wachsende und hochlukrative Krebsgeschäft mit einem Milliardendeal aus. Im Gegenzug stoßen sie die kleinen und renditeschwachen Sparten Impfstoffe, Tiergesundheit und rezeptfreie Medikamente ab. Die Käufe und Verkäufe im Wert von rund 27 Milliarden Dollar sollen ab 2015 mehr Gewinn in die Kassen des Basler Unternehmens mit seinen 136.000 Mitarbeitern spülen. Der ehemalige Bayer -Manager Reinhardt und Jimenez ziehen damit einen Schlussstrich unter die Strategie des früheren Novartis-Chefs Daniel Vasella, der mit vielen Zukäufen einen der am breitesten aufgestellten Pharmakonzerne gezimmert hatte.
"Damit stellen wir sicher, dass Novartis in Kampfverfassung für die nächsten zehn Jahre ist", sagte Jimenez am Dienstag im Gespräch mit Reuters Insider TV. Der Konzern, der 1996 aus der Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy entstanden ist, übernimmt von dem britischen Konkurrenten GlaxoSmithKline für 14,5 Milliarden Dollar das Krebsgeschäft. Hier sind die Schweizer nach dem heimischen Rivalen Roche bereits heute weltweit die Nummer zwei. Roche ist stärker als Novartis auf große Geschäftsbereiche fokussiert, was die Anleger seit Anfang 2013 mit deutlich stärkeren Kurszuwächsen honoriert haben. Am Markt kam der Umbau gut an. Novartis-Aktien kletterten im freundlichen Marktumfeld um 2,4 Prozent. "Novartis dürfte damit den Konglomeratsabschlag los werden", sagte Jerome Schupp, Analyst der Schweizer Bank Syz. "Insgesamt hat Novartis sehr gute Preise ausgehandelt", betonten die Experten der Zürcher Kantonalbank.
Das Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten lagert Novartis an ein Gemeinschaftsunternehmen mit Glaxo aus. In der Gesellschaft, an der die Schweizer eine Minderheit halten, werden damit Produkte wie die Schmerzmittel Voltaren oder die Zahnpaste Sensodyne gebündelt. Zudem geht das Novartis-Impfstoffgeschäft für 7,1 Milliarden Dollar zuzüglich Lizenzgebühren an die Briten, die in dem Segment ein großer Anbieter sind. Glaxo will sich künftig auf die Kernbereiche Impfstoffe, Atemwegserkrankungen, Verbraucherprodukte und HIV-Medikamente konzentrieren. Die Aktie stieg um 5,5 Prozent.
Novartis verkauft gleichzeitig den Bereich Tiergesundheit für 5,4 Milliarden Dollar an den US-Wettbewerber Eli Lilly. Interesse hieran war auch Bayer nachgesagt worden. Die Leverkusener wollen das Geschäftsfeld, in dem sie zu den Marktführern gehören, weiter ausbauen.
Novartis hatte den umbau vor rund einem Jahr eingeleitet, nachdem der langjährige Konzernlenker Vasella von Bord gegangen war. Nicht zur Disposition standen und stehen die drei großen Bereiche Pharma, Generika und Augenheilkunde, bei denen das Unternehmen in der weltweiten Spitzengruppe mithalten kann und weiter wachsen will. "Novartis hat nun drei große Standbeine, von denen jedes die Nummer eins, zwei oder drei ist", sagte Jimenez. Bei Augenheil-Produkten sind die Schweizer Weltmarktführer. Die Sparte entstand aus der 2011 abgeschlossenen Übernahme des US-Konzerns Alcon, für die Novartis rund 50 Milliarden Dollar auf den Tisch gelegt hatte.
Mit dem Konzernumbau verliert Novartis zwar gut vier Milliarden Dollar Umsatz von mehr als 57 Milliarden Dollar. Gleichzeitig soll aber der Gewinn steigen. Die verkauften Bereiche sind zu klein, um hochrentabel betrieben werden zu können. Zudem sind die Renditen im Krebsgeschäft vergleichsweise hoch. Die Pharmasparte, zu der Krebsmedikamente rund ein Drittel beisteuern dürften, kam 2013 auf eine Betriebsgewinn-Marge von 29,1 Prozent, der Rest auf deutlich weniger.
Weltweit wollen sich Pharmafirmen derzeit im Krebsgeschäft verstärken - auch mittels Übernahmen. So ist der US-Konzern Pfizer mit einem Angebot von rund 100 Milliarden Dollar auf den britischen Rivalen AstraZeneca zugegangen, berichtete die "Sunday Times". AstraZeneca hat den Vorstoß zwar abgelehnt. Analysten rechnen jedoch mit einem zweiten Anlauf von Pfizer. Besonders attraktiv an den Briten ist Analysten zufolge die Forschung mit der Immuntherapie von Tumoren. Dabei geht es darum, das körpereigene Abwehrsystem so anzuregen, dass es den Krebs bekämpft.