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Sparkassen warnen vor Preisblasen bei deutschen Immobilien

Lesezeit: 4 min
21.05.2014 00:58
Der Chefvolkswirt der Sparkassen-Finanzgruppe, Michael Wolgast, fürchtet, dass die geplanten geldpolitischen Maßnahmen der EZB kontraproduktiv sein könnten. Eine neuen Geldschwemme könnte die Verschuldung in Europa in die Höhe treiben. Das billige Geld kann zu Preisblasen führen, etwa bei den deutschen Immobilien.

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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die EZB fährt seit 2009 eine Niedrigzinspolitik. Warum hat diese Politik nicht zu einem Aufschwung geführt?

Michael Wolgast: Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre war geprägt durch die weltweite makro-ökonomische Krise und notwendige Anpassungsmaßnahmen im Euroraum. Die Niedrigzinspolitik der EZB war insofern dazu gedacht, die konjunkturellen Nebeneffekte dieser Szenarien abzumildern. Hier war sie auch erfolgreich. Von der Niedrigzinspolitik zu erwarten, dass sie allein - ohne weitere Strukturreformen - einen Aufschwung herbeiführt, erscheint zu optimistisch.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Es deutet alles darauf hin, dass die EZB ab Juni zu neuen, „außergewöhnlichen“ Maßnahmen greifen wird. Werden die helfen?

Michael Wolgast: Weitere geldpolitische Maßnahmen werden aus meiner Sicht kaum noch realwirtschaftliche Impulse setzen. Entscheidend für die Überwindung der Eurokrise ist vielmehr, dass die Strukturreformen vorangehen und die Unsicherheit allmählich weicht. Insofern ist es meine Befürchtung, dass weitere geldpolitische Maßnahmen hier auch kontraproduktiv sein könnten. Weltweit deutet sich zudem eine Zinswende an, in die weitere geldpolitische Maßnahmen der EZB nicht recht passen wollen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Staatsverschuldung und die Gesamtverschuldung sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Führt die Politik des billigen Geldes dazu, dass alle - Staaten, Unternehmen, Haushalte - statt struktureller Maßnahmen (Steigerung der Produktivität, Strukturreformen) nur noch auf die EZB vertrauen?

Michael Wolgast: Tatsächlich führen dauerhaft niedrige Zinsen dazu, dass sich Staaten, Unternehmen und Haushalte zumindest tendenziell zu hoch verschulden. Dies ist auch eine Frage der ökonomischen Anreize. Andererseits soll die Niedrigzinspolitik dabei helfen, notwendige Anpassungsmaßnahmen ohne zu große Nebenwirkung auf die Wirtschaftsentwicklung voranzubringen. Die EZB befindet sich insofern in einem Dilemma. Auf keinen Fall sollte die Niedrigzinspolitik der EZB dazu führen, dass notwendige Reformmaßnahmen unterbleiben. Tatsächlich macht besonders die Lage der öffentlichen Haushalte in einigen Krisenländern noch immer Sorge.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In Ihrem Ausblick vom Januar 2014 warnen Sie vor „Preisblasen, etwa in Aktienmärkten oder Immobilienmärkten“. Sie schreiben, dass „in Deutschland solche Entwicklungen bereits angelegt“ sind. Haben wir eine Immobilienblase?

Michael Wolgast: Für die Sparkassen-Finanzgruppe sehen wir zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Immobilienblase in Deutschland. Dies belegt eine sorgfältige Analyse der Preisentwicklung, die insbesondere auch zwischen Regionen und einzelnen Marktsegmenten unterscheidet. Die Gefahr, dass mit dem Niedrigzinsumfeld neue Preisblasen entstehen, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Insofern gilt es hier, wachsam zu bleiben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Allgemein ist zu beobachten, dass Mittelständler trotz der niedrigen Zinsen immer weniger Kredite aufnehmen wollen. Müsste das nicht ein Warnsignal für eine ultralockere Geldpolitik sein?

Michael Wolgast: Es stimmt, dass die Kreditnachfrage der Unternehmen in Deutschland auf den ersten Blick erstaunlich schwach ist. Zwei Gründe sind hierfür maßgeblich: Zum einen verfügen die Unternehmen über eine gute Innenfinanzierung, zum anderen stellen wir in Deutschland immer noch eine Investitionszurückhaltung fest, trotz der besseren Zahlen am aktuellen Rand. Tatsächlich wird in Umfragen des DSGV die Unsicherheit über die Eurokrise als ein wichtiger Grund für die Investitionszurückhaltung genannt. Insofern haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass eine ultralockere Geldpolitik für die Investitionstätigkeit auch kontraproduktiv sein kann. Richtet man den Blick in die europäischen Länder außerhalb Deutschlands, so würde ich zusätzlich noch Probleme im Bankensektor als ursächlich für die mangelnde Kreditnachfrage oder Investitionstätigkeit nennen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Geplant sind auch ABS (Asset backed securities). Mit diesen Papieren haben wir in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht, weil sie unüberschaubare Risiken enthalten. Was sollen ABS einer Volkswirtschaft bringen?

Michael Wolgast: Der ABS-Markt ist in den letzten Jahren und insbesondere im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise in Verruf geraten. Aus meiner Sicht gilt es hier zu differenzieren. Auch der Pfandbrief kann in einer ökonomischen Betrachtung in die Klasse der ABS gerückt werden, ohne dass wir hier Zweifel am Deutschen Pfandbrief sehen wollen. Entscheidend im Bereich der ABS ist, dass die Verbriefung nicht dazu führt, dass die Akteure aufgrund intransparenter Strukturen unüberschaubaren Risiken eingehen. Ob es gelingt, dies zu vermeiden, muss sich im Einzelfall erweisen. Ich sehe die aktuelle Diskussion um ABS auch eher im Zuge der neuen geldpolitischen Notwendigkeiten und der Interessen im Finanzsektor als im Kontext realwirtschaftlicher Aspekte wie etwa einer ausreichenden Finanzierung der Wirtschaft.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie schreiben in Ihrem Ausblick, „Altersvorsorge und Vermögensaufbau“ werden durch die niedrigen Zinsen „extrem behindert“. Wieviel verlieren die deutschen Sparer aktuell durch die niedrigen Zinsen?

Michael Wolgast: Aus unseren Umfragen wissen wir, dass die privaten Haushalte auf das Niedrigzinsumfeld ganz unterschiedlich reagieren. Niedrige Zinsen sind zunächst ein Anreiz weniger zu sparen, teilweise wird aber auch mehr gespart, um die niedrige Verzinsung auszugleichen, etwa im Bereich der Altersvorsorge. Gleichwohl liegt es auf der Hand, dass Altersvorsorge und Vermögensaufbau durch eine hohe reale Verzinsung begünstigt und durch eine geringe reale Verzinsung bis hin zu einer negativen realen Verzinsung behindert werden. Mit einem dauerhaften Niedrigzinsumfeld geht eine Entwertung des Spargedankens einher. Wir alle kennen auch die Headlinezahlen, wie viel die deutschen Sparer aktuell durch die niedrigen Zinsen verlieren, etwa im Bereich der Altersvorsorge. Diese Analysen nehmen den Bestand an Ersparnissen und multiplizieren ihn mit der Differenz zwischen einem hypothetischen „richtigen“ Zins und dem aktuellen Niedrigzinsniveau. Solche Berechnungen haben eher illustrativen Charakter, als dass man aus ihnen harte ökonomische Aussagen ableiten kann.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie werden sich weitere QE-Maßnahmen auf die Vermögensbildung der deutschen Sparer auswirken?

Michael Wolgast: Ich sehe derzeit noch kein Quantitative Easing durch die EZB im großen Stil. Allerdings ist für Anfang Juni schon mit einer weiteren geldpolitischen Lockerung zu rechnen. Die geldpolitischen Maßnahmen werden sicher die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte in Deutschland nicht über Nacht verändern. Erst langsam führt das Bewusstsein für eine geldpolitische Lockerung mit all ihren Risiken dazu, dass der Spargedanke erodiert und die Gefahr einer übermäßigen Verschuldung aller Wirtschaftssektoren entsteht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie warnen, dass zu massive Interventionen langfristig eine „instabile Währung“ zur Folge haben. Was würde den Euro stabil machen?

Michael Wolgast:Eine „instabile Währung“ sehe ich bezogen auf den Euro nicht. Der Euro ist nach außen und nach innen stabil, und auch die aktuelle geldpolitische Ausrichtung wird hieran kurz- und mittelfristig nichts ändern. Gegenwärtig wird auch weniger von den Inflationsgefahren gesprochen, als von einer möglichen Deflation. Dies halte ich allerdings ebenfalls für übertrieben. Langfristig überwiegen bei einer extremen geldpolitischen Lockerung schon die Inflationsgefahren; entscheidend ist hier, dass es der EZB in einem solchen Szenario rechtzeitig gelingt, gegenzusteuern. Zudem muss es der EZB in einem zunehmend inflationären Szenario auch möglich sein, die entsprechenden geldpolitischen Maßnahmen zu ergreifen, ohne dass dies die Realwirtschaft in zu starkem Maße beschädigt. Auch hier sind Strukturreformen eine wesentliche Voraussetzung.

 


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