Der Aufstieg der EU-kritischen und der Protest-Parteien des linken und rechten Lagers macht die europäische Politik unberechenbarer. Aber paradoxerweise könnte dieser Aufstieg auch die Entschlossenheit der drei Hauptgruppen bestärken, im Europäischen Parlament weiter für mehr Europa zu stimmen, um die EU-kritischen Parteien auszuschließen.
Brüssel und die nationalen Hauptstädte werden versucht sein, dies als den Höhepunkt der EU-kritischen Stimmung anzusehen, die verfliegt, wenn sich die Eurokrise beruhigt und die Wirtschaft erholt. Das wäre ein Spiel mit dem Feuer. Das Entstehen und die Gründe für den Aufstieg dieser Parteien sind komplex. Der beste Weg, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist eine Reform der EU als klare Reaktion auf den Willen der Wähler. Diese Wahlen sind eine klare Warnung: Wenn die Regierungen den Wählern nichts anderes zu bieten habt als eine polarisierende Wahl zwischen „mehr Europa“ und „kein Europa“, werden sich die Wähler früher oder später gegen Europa entscheiden.
David Cameron steht jetzt vor einer wirklich schwierigen Woche. Er muss zwei Herausforderungen bestehen. Erstens wird er versuchen, genügend Verbündete zu finden, um Jean-Claude Juncker zu blockieren, den Favoriten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission, auch wenn die Chancen dafür nicht gut stehen. Zweitens steht er vor dem Dilemma, ob er sich mit nationalistischeren Parteien arrangieren soll. Dies bringt das Risiko mit sich, dass er seine natürlichen Verbündeten im Mitte-Rechts-Lager abschreckt, die entscheidend sind bei seinem Versuch, EU-Reformen zu erreichen.
Harte Attacken gegen die Regierung im eigenen Land stärken die Legitimität der Anti-EU-Parteien. In vielen Staaten ist die Wahl von Anti-Establishment-Parteien bei den Europawahlen die Einstiegsdroge. Hat man einmal bei einer EU-Wahl für eine solche Partei gestimmt, wird man es auch wagen, den Euro-Skeptikern bei nationalen Wahlen die Stimme zu geben.