Unternehmen

Staatsbankrott: Ukraine am Rande der Zahlungs-Unfähigkeit

Lesezeit: 3 min
21.06.2014 00:18
Die Ukraine steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Staatsschulden sind nahezu untragbar geworden. Eine Umschuldung soll den Bankrott abwenden. Doch Kiew hofft vor allem auf die Rettung durch die EU - und damit auf Milliarden von den europäischen Steuerzahlern.
Staatsbankrott: Ukraine am Rande der Zahlungs-Unfähigkeit

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Bezeichnung „Umschuldung“ in Bezug auf die Staatsschulden eines Landes ist gewöhnlich die semantische Umschreibung für einen de facto-Zahlungsausfall. Nämlich, dass ein Land seine Schulden nicht zurückzahlen kann – gleichbedeutend mit einem Staatsbankrott.

Was die Ukraine betrifft, so steht das Land vor dem totalen Bankrott.

Währung Argentinien derzeit nicht mehr in der Lage ist, seine finanziellen Probleme auszusitzen, das Land steht unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit (mehr hier), lanciert die Ukraine die Möglichkeit einer Schulden-Restrukturierung.

Das Land führt dem Internationalen Bankenverband (Institute of International Finance – IIF) zufolge seit Donnerstag bereits erste Verhandlungen mit internationalen Gläubigern über eine mögliche Umschuldung, berichtet Zerohedge. Nach Angaben von Reuters geht es dabei um die Umstrukturierung der Fremdwährungsschulden, also der ukrainischen Staatsanleihen, die internationale Anleger halten.

Lubomir Mitov, Wirtschaftswissenschaftler des IIF unterstrich, die Finanzen der Ukraine seien zwar äußerst prekär, dennoch sei es verfrüht, eine Feststellung darüber zu treffen, ob die Ukraine tatsächlich eine Umschuldung benötige. Die ukrainischen Vertreter hätten jedoch betont, dass alles dafür getan werde, bei einer Schulden-Umstrukturierung einen „Hair-Cut“ für Anleihegläubiger zu vermeiden.

Derartige Aussagen erinnern eher an „das Pfeifen im Wald“. Denn das Beispiel Griechenlands lehrt, dass es endlose Verhandlungen brauchte, um die überwiegende Mehrheit der Inhaber griechischer Schuldverschreibungen an einen Tisch zu bringen mit dem Ziel, zu einer Vereinbarung über einen „Hair-Cut“, also zum Forderungsverzicht gegenüber Griechenland zu kommen.

Am Ende verzichteten im Jahr 2012 internationale Anleger insgesamt auf etwa 100 Milliarden Euro. Diese Art Schulden-Restrukturierung bedeutete nichts anderes als die griechische Zahlungsunfähigkeit, im Klartext, den drohenden Staatsbankrott, der im Übrigen nur durch die „Rettungsschirme“ EFSF und EFSM der Euro-Länder (bereits in 2010) und dem Ankauf griechischer Staatsanleihen durch die EZB aufgehalten werden konnte.

“Die ukrainischen Unterhändler haben uns sehr deutlich gemacht, dass sie dies (die Umschuldung) nur als eine wirklich, wirklich freiwillige Vereinbarung mit den Anleihegläubigern betrachten“, unterstrich Lubomir Mitov vom Internationalen Bankenverband. „Ein freiwilliger Austausch oder die Laufzeitverlängerung der Staatspapiere könnte eine der Quellen für die Finanzierung sein.“

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Umstrukturierung von Staatsanleihen einer insolventen Ukraine, die ihre östlichen Industrie-Regionen an die „Separatisten“ verloren hat und nicht mehr in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen, während eines Staatsbankrotts stattfindet oder die Umschuldung früher stattfinden wird.

Bereits im September 2013 trafen sich Vertreter der USA, der EU, der Ukraine und Russlands zu einer Konferenz auf der Krim. Dabei wurde klar, dass die Ukraine über keinerlei Währungsreserven verfügt und ständig neue Schulden im Ausland aufnehmen müsse, um den Staatsbankrott abzuwenden. Das Abkommen mit der EU werde zu einer Steigerung der EU-Importe in die Ukraine führen und das Land schnell an seine finanziellen Grenzen bringen. Schließlich würde die Ukraine entweder den Staatsbankrott anmelden müssen oder Rettungspakete erhalten, so Putin-Berater Sergej Glasjew (mehr hier).

Im Februar 2014 hatte der amtierende ukrainische Finanzminister den Bedarf an ausländischen Hilfen für die beiden kommenden Jahre auf 35 Milliarden Dollar beziffert. Die Position Russlands ist eindeutig: Russland will im Falle einer vom Westen und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gestützten Umschuldung der Ukraine nicht generell auf Forderungen verzichten. Es werde sich auf einen Schulden-Umbau nur in einem bilateralen Abkommen mit der Ukraine einlassen, sagte der stellvertretende russische Finanzminister Sergej Storchak.

Noch im Dezember 2013 hatte Russland der Ukraine eine Finanzspritze von 15 Milliarden US-Dollar zugesagt. Mit dem Geld sollten ukrainische Staatsanleihen gekauft werden, außerdem sollte das Land billiges Erdgas bekommen. Eine erste Tranche von 3 Milliarden Dollar wurde Ende 2013 in Staatspapiere investiert. Nach dem Umsturz im Februar 2014 rückte Russland von seinen Finanzhilfen ab.

Obwohl die Ukraine vor dem Kollaps steht ist die Haltung der Finanzmärkte interessant. Sie rechnen fest damit, dass der Westen die Ukraine nicht fallen lässt. Die westliche Hilfe werde ausreichend sein, um zumindest kurzfristig einen Staatsbankrott abzuwenden, hofft man. Marc Ostwald, Stratege beim Anleihehaus Monument Securities in London sagte betonte bereits im Februar in der „Welt“: „Investoren haben gesehen, wie Spekulanten in Griechenland einen Batzen Geld verdient haben. Jetzt wetten sie darauf, dass auch der Ukraine jemand zu Hilfe kommt.“

Wirtschaftswissenschaftler schätzen, dass bis Ende 2018 Anleihen und Zinsen in einem Volumen von 49 Milliarden Dollar fällig werden. Dazu kommen weitere Summen zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits und für neue Schulden.

Die Neuverschuldung wird nach Meinung der Ratingagenturen bis 2015 nicht wirklich zurückgehen, so die Welt. So könnten bis Ende 2018 zu den fälligen 49 Milliarden Altschulden noch 40 Milliarden Dollar neue Schulden hinzukommen.

Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko wird das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union am 27. Juni unterzeichnen. Poroschenko betrachtet das Assoziierungsabkommen als ersten Schritt zu einem EU-Beitritt.

Es dürfte dann nur noch eine Frage der Zeit sein, wann der erste „Rettungsschirm“ für die Ukraine aufgespannt wird.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...