Undurchsichtige Geschäfte und mutmaßliche Zahlungsprobleme der Bankiersfamilie Espirito Santo setzen die gleichnamige Bank unter Druck. Dessen Aktien wurden am Donnerstag vom Handel in Lissabon ausgesetzt, nachdem sie zuvor um bis zu 19 Prozent auf ein Zwölf-Monats-Tief von 0,50 Euro gefallen waren. Auch andere Finanztitel in Europa gerieten in diesen Abwärtsstrudel. Die Kosten, zu denen sich Portugal Geld am Kapitalmarkt leihen kann, zogen deutlich an.
Inzwischen wurden auch die Aktien und Anleihen der Espirito Santo Financial Group wegen erheblicher Schwierigkeiten vom Handel ausgesetzt. Das hat die Talfahrt des portugiesische Aktienindex nochmals verstärkt: Seit Ende März ist der PSI kontinuierlich um mehr als 20 Prozent eingebrochen und damit jetzt im so genannten Bärenmarkt angekommen. Die Befürchtungen der Anleger wachsen, dass die Zahlungsschwierigkeiten der in Familienbesitz befindlichen Holdinggesellschaft Espirito Santo International die Börsen in ganz Europa in Schwierigkeiten bringen.
Die Banco Espirito Santo zählt zu jenen Großbanken in der Euro-Zone, die ab November von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtig werden sollen und damit auch dem Stresstest unterzogen werden. Hintergrund der Spekulationen um das Geldhaus sind Probleme von dessen Großaktionär, der Espirito Santo Financial Group (ESFG). Deren Aktien und Anleihen wurden ebenfalls vom Handel ausgesetzt. Begründet wurde dies mit "erheblichen Schwierigkeiten" bei der Muttergesellschaft Espirito Santo International (ESI). Gegen die in Luxemburg ansässige Holding ESI ermitteln die Behörden seit einiger Zeit wegen massiver Unregelmäßigkeiten. Laut Medienberichten soll die Gesellschaft über sieben Milliarden Euro Schulden haben, die sie nicht komplett bedienen kann. Finanzkreisen zufolge wird mit Hochdruck an einem Rettungsplan gearbeitet.
„Das wird zunehmend eine Situation, die ESI und ESFG und vielleicht sogar die Bank nicht mehr kontrollieren können“, sagte Analyst Tom Jenkins von Jefferies in London. Die Bank hat inzwischen die Hälfte ihrer Marktkapitalisierung verloren. Die Bankiersfamilie Espirito Santo ist mit 25 Prozent zwar noch immer größter Aktionär des Instituts, hält seit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung im Juni aber nicht mehr die Mehrheit. Aus der Führungsriege des Instituts sind die Familienpatriarchen ausgestiegen.
Die Banco Espirito Santo hat in den 90er Jahren ihr Filialnetz zum größten des Landes ausgebaut. So ist sie heute mit 643 Filialen in Portugal präsent. Hinzu kommen 145 Filialen ausländischer Tochtergesellschaften. Sollte die BES tatsächlich zahlungsunfähig werden, wären 2,2 Millionen Kunden betroffen. 36,8 Milliarden Euro Einlagen ständen auf der Kippe. 10.000 Mitarbeiter müssten um ihre Stelle bangen.
Eine Unternehmenskrise könnte sich zudem auf weitere Gesellschaften ausweiten. Ein wichtiger Anteilseigner der BES ist die französische Großbank Crédit Agricole. Die französische Bank wurde vom internationalen Finanzstabilitätsrat als eine von 28 systemisch bedeutsamen Finanzinstitut eingestuft. Die Credit Acricole war erst kürzlich in einen massiven Bank-Run in Bulgarien verwickelt: Die bulgarische Corporate Commercial Bank (Corpbank) hatte die lokale Tochter der französischen Crédit Agricole übernommen. Die Corpbank musste kurz darauf mit Milliardenkrediten von der EU gerettet werden (mehr dazu hier).
Auch die Bank Bradesco hält Anteile an der BES. Die Bank Bradesco zählt zu den vier größten Banken Brasiliens. Aufmerksam sollte man nun die Entwicklung der größten Versicherungsgesellschaft Portugals verfolgen. Die Companhia de Seguros Tranquilidade ist wie die BES eine Tochtergesellschaft der Holding Espirito Santo International.