Finanzen

Zu viele Exporte: IWF erhebt schwere Vorwürfe gegen Deutschland

Lesezeit: 2 min
01.08.2014 02:10
Der IWF hat in seinem Länderbericht die deutschen Exportüberschüsse scharf kritisiert. Die Bundesregierung solle ihre Überschüsse in angemessene Löhne und Binnenkonjunktur investieren, das würde auch der EU helfen. Bisher versickert ein erheblicher Teil der Überschüsse durch schlechte Investitionen im Ausland.
Zu viele Exporte: IWF erhebt schwere Vorwürfe gegen Deutschland

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Seit einiger Zeit, vor allem seit Ausbruch der Eurokrise, grummeln unsere Partner über die wachsenden Ungleichgewichte in der deutschen Außenhandels- und Leistungsbilanz. Deutschland lebt so auf Kosten seiner Partner und raubt diesen Arbeitsplätze. Die deutsche Politik ignoriert solche Vorwürfe bisher und behauptet, im Gegenteil die Lokomotive der Eurozone zu sein. Allerdings musste sie akzeptieren, dass die EU ein Verfahren zur Beobachtung der Leistungsbilanzen eingeführt hat, das zu erheblichen Strafen gegen Deutschland führen kann. Dieses Problem wird nun auch den neuen Kommissionspräsidenten Juncker beschäftigen. Sollte er Deutschland, das sich für seine Nominierung eingesetzt hat, vor Strafe schonen, so würde er sich dem Vorwurf aussetzen, die neuen Spielregeln nur gegen schwache EU-Mitglieder durchzusetzen. Deutschland würde sich dann die Rechte zum Alleingang gegen die Spielregeln herausnehmen, die seinerzeit Schröder in der Verletzung der Maastricht-Kriterien für Haushaltsdefizite praktizierte.

Nun hat sich die Situation durch schwere Vorwürfe des IWF in seinem neuen Länderbericht zu Deutschland verschärft. In der deutsche Öffentlichkeit ist indes nur der positive Teil des IWF-Berichts angekommen, vor allem die vom IWF sehr optimistisch formulierte Wachstumsprognose.

Tatsächlich ist es eine sehr handfeste, deutliche und sorgfältig dokumentierte Kritik. Deutschland solle sich darauf konzentrieren, sein Wachstum so zu orientieren, dass es auch die Erholung in der Eurozone unterstütze. So würden höhere private und öffentliche Investitionen und Reformen des Dienstleistungssektors den großen und dauerhaften Leistungsbilanzüberschuss zurückführen und deutliche positive Nachfrageffekte zu Gunsten des Restes der Eurozone erzeugen und so helfen, die Währungsunion besser auszugleichen. Eine solche schnellere Ausbalancierung sei notwendig.

In der Grundprojektion des IWF würde der Leistungsbilanzüberschuss trotz eines Rückgangs immer noch bei 5,75 % des BIP liegen. Damit bliebe immer noch ein Ungleichgewicht von 0,5 bis 3,5 % des BIP. Angesichts negativer Output-Differenzen, keinen fiskalischen Spielräumen und Liquiditätsproblemen in vielen der Haupthandelspartner, könnte Deutschland als stärkste europäische Volkswirtschaft eine größere Rolle beim regionalen Ausgleich spielen. Deutschland habe finanzielle Spielräume für Investitionen von jährlich 0,5 % des BIP über die kommenden vier Jahre. Ein solches Programm würde den Leistungsbilanzüberschuss um 0,4 % des BIP reduzieren. Die Effekte auf die Wirtschaftsleistung in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien würden bis zu 0,3 % des BIP gehen können. Vor allem Italien hätte wegen seiner besonders starken Handelsverbindung mit Deutschland solche Vorteile zu erwarten. Die deutsche Verschuldungsrate würde dagegen wegen der gleichzeitigen Wachstumsimpulse für Deutschland nicht zunehmen.

Doch die Bundesregierung hat sofort abgewunken. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, die Bundesregierung habe für diese Legislaturperiode bereits fünf Milliarden Euro zum Ausbau der Verkehrswege zur Verfügung gestellt (entspricht gerade einmal 0,18 % des BIP). Deutschland sei aber auch der Stabilitätsanker in der EU: „Wir dürfen diese Position nicht einfach verspielen“. Diese Antwort zeigt eigentlich nur, wie wenig Wert Deutschland auf die Solidarität innerhalb der Eurozone legt. Sollte der Euro eines Tages zerbrechen, so wird es vor allem Deutschlands Schuld sein.

Tatsächlich hat Deutschland zwischen 2003 und 2013 kumuliert einen Leistungsbilanzüberschuss von 1,6 Billionen Euro erwirtschaftet, etwas mehr als die Hälfte (51 %) allein mit der Eurozone (Abb. 18413, 16909). Das entspricht dem Einkommen aller deutschen Haushalte innerhalb von 16 Monaten. Bezogen auf die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung stieg der Leistungsbilanzüberschuss auf über 7 % (Abb. 18414). Dabei ist der Überschuss mit der Eurozone zwar etwas zurückgegangen, lag aber 2013 immer noch bei rund 60 Mrd Euro (Abb. 10045).

he Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

Sein Buch über das Ende der sozialen Marktwirtschaft (275 Seiten mit 176 grafischen Darstellungen) kann unter der ISBN 9783735715401 überall im Buch- und Versandhandel für 15,50 Euro bestellt werden, bei Amazon hier.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...