Politik

Geheim verhandelt: Fracking nimmt Kurs auf Europa

Die Vorbereitungen zur Einführung von Fracking in Europa sind bereits weit gediehen. Die EU will einen Super-Kommissar nach dem Vorbild Sigmar Gabriels: Er soll für Umweltschutz, Energie und Klima zuständig sein und kann versuchen, per Richtlinie auf EU-Ebene den Nationalstaaten Fracking zu erlauben. Mit dem Freihandelsabkommen CETA wurde gerade der rechtliche Rahmen geschaffen, um den US-Konzernen den Weg nach Europa zu ebnen.
08.08.2014 00:46
Lesezeit: 3 min

Es dürfte wieder einmal eine alternativlose Entscheidung werden: Das im Geheimen verhandelte und bis zum heutigen Tag keinem Medium zugängliche Freihandelsabkommen CETA wird im September von den Parlamenten der EU-Staaten durchgewunken werden. Die EU hat eben den Abschluss der Verhandlungen vermeldet, laut EUObserver sind alle strittigen Punkte beseitigt.

Für die US-Energiebranche ist dieses Abkommen besonders wichtig: Sie unterhält eigene Firmen in Kanada und wird so in die Lage versetzt, ihren neuen Exportschlage Fracking nach Europa zu exportieren (mehr hier). Der neue Kalte Krieg gegen Russland dient nicht zuletzt dem Bestreben der Industrie, die Russen aus dem europäischen Energiemarkt zu verdrängen, um amerikanischen Konzernen einen neuen Absatzmarkt zu erschließen (mehr hier).

Dass die EU hier ganz auf der Linie der USA liegt, belegt die Rolle des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger: Oettinger wird nicht müde, für die höchst umstrittene Fördermethode von Erdgas die Werbetrommel zu rühren. Er hofft auf noch umfassendere Kompetenzen in der kommenden EU-Kommission.

„Oettinger macht sich deswegen für „Cluster“ stark. Die Vizepräsidenten der Kommission sollten für große Themenbereiche wie „Binnenmarkt und Handel“ oder „Energie, Klima, Umwelt“ zuständig sein und die „normalen“ Kommissare und Kommissarinnen sollten ihnen zuarbeiten. Damit könnten Oettingers Ambitionen befriedigt und die Arbeit der Kommission effizienter gestaltet werden“, schreibt Energie und Management.

Würde es ihm gelingen für Energie, Klima und Umwelt eine Zuständigkeit zu erlangen, könnte er noch wirkungsvoller die Kritiker aus dem Bereich Umwelt und Klima kaltstellen. Eine EU-Richtlinie, die Bürgerproteste dadurch aushebelt, dass man das Bergrecht auf europäischer Ebene im Sinne der Reform in Großbritannien reformiert, wäre ein großer Sieg für die Fracking-Lobby in Brüssel.

Sollte es nationale Widerstände geben, hat die EU-Kommission mit dem eben zu Ende verhandelten Freihandelsabkommen CETA bereits Vorsorge getroffen: Zwar ist die finale Version wegen der Geheimhaltung noch nicht bekannt, doch die in einer Zwischenversion enthaltene Möglichkeit, Milliarden Strafzahlungen von Fracking-unwilligen Regierungen in der EU einzufordern, würde umweltbewusste Staaten schnell gefügig machen. So wird die demokratische Grundlage der Bürger innerhalb der EU systematisch weiter ausgehöhlt. Ob die jetzt geäußerten Bedenken in Berlin seitens der Bundesregierung ausreichen werden, dass noch zu verhindern, bleibt abzuwarten. Fracking, CETA und TTIP sind ein Maßnahmenpaket, das zusammen mit Änderungen im EU-Bergrecht, den Weg zu einem massenweisen Fracking in Europa ebnen soll.

Großbritannien prescht bereits im Alleingang voran. Da spielen Naturschutz und Recht der Grundeigentümer keine Rolle mehr, wie DW berichtet. Es wurde in Großbritannien jetzt extra ein Gesetz verabschiedet, dass den Grundeigentümern die Rechte entzieht, über die Nutzung ihrer Grundstücke für Fracking bisher Mitspracherecht hatten. Man reformiert einfach das Bergrecht, so dass es keinerlei Einspruchsmöglichkeiten der lokalen Grundbesitzer mehr gibt.

Investitionsschutz klingt erst einmal ganz harmlos. Im ursprünglichen Sinne sollten sie dazu dienen, dass mittels völkerrechtlicher Verträge zwischen Staaten Direktinvestitionen von Ausländern in einem fremden Staat rechtlichen Schutz, insbesondere gegen eigentumsbeeinträchtigende Maßnahmen wie entschädigungslose Enteignungen genießen. Eine Fabrik oder ein Haus im Ausland, sollten nicht aufgrund von Gesetzen ausländischer Regierungen willkürlich enteignet werden. Allerdings hat sich diese einfache und jedem einsichtige Definition von Investitionsschutz oder Eigentumsgarantie im Zuge der juristischen Deutung und Ausweitung wesentlich verändert.

Insbesondere in den USA haben Juristen die Bedeutung von Investitionsschutz fundamental dahingehend modifiziert, dass es gar nicht nur um den Schutz bestehender materieller Investitionen geht, sondern um die Frage, ob durch die Änderung von Rechtsrahmen eines anderen Landes die ausländischen Investoren Nachteile für die von ihnen erwarteten Gewinne einer getätigten oder sogar geplanten Investition erlangen könnten. Das ist nun natürlich ein weites Feld.

Das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) wurde seit 2009 zwischen der EU und Kanada verhandelt. Die Verhandlungen wurden im vergangenen Jahr abgeschlossen und der Ratifizierungsprozess eingeleitet. Insgesamt erwartet die EU ein jährliches Plus von zwölf Milliarden Euro beim Bruttoinlandsprodukt der EU aufgrund eines wachsenden Handels zwischen Kanada und der EU. Das Abkommen soll für Wachstum und Arbeitsplätze sorgen. Man nennt das dann auch in Deutschland gerne Freihandelsabkommen, was letztendlich den Abbau von Zöllen und anderen nicht-tarifären Handelshemmnissen suggeriert. CETA und TTIP, ein analoges Abkommen zwischen der EU und den USA, sind quasi siamesische Zwillinge. Da die Zollsätze zwischen der EU und Kanada, aber eben auch zwischen der EU und den USA bereits aufgrund der vorherigen multilateralen Freihandelsabkommen im Rahmen der WTO bzw. ehemals GATT bereits weitgehend gesenkt worden sind, sind es andere Aspekte wie insbesondere der Investitionsschutz der eine wesentlich größere Bedeutung hat. Da es auch hier weniger um die Frage der Enteignung von Immobilien von Ausländern geht, sondern um die Frage was bei einer Investition geschützt sein soll, scheiden sich hier die Geister.

Besonders viel Kritik kommt dem Abkommen bezüglich des Investitionsschutzkapitels. Es wird befürchtet, dass ausländische Unternehmen auf Grundlage des Abkommens beispielsweise gegen Umweltschutzstandards eines Nationalstaates klagen könnten (etwa ein mögliches Fracking-Verbot).

Dass es ein starkes Interesse der ausländischen Energiekonzerne aus den USA, Kanada und Großbritannien gibt, das Investitionsschutzabkommen als strategischen Hebel für die Genehmigung von Fracking innerhalb der EU einzusetzen, steht außer Zweifel. Dass die Weichen dafür schon frühzeitig gestellt worden sind, ist belegbar.

Da nützen auch goldene Worte der Kanzlerin oder der jetzigen Umweltministerin wenig (mehr dazu hier). Merkel beherrscht die Kunst der asymmetrischen Demobilisierung perfekt. Man gibt sich konziliant und geht scheinbar auf die Interessen der Bürger ein, bis die Proteste abgeflaut sind. Zum Spiel auf Zeit gehören auch Nebelkerzen: Eine solche hatte die Bundesregierung erst vor wenigen Wochen geworfen, als sie durchsickern ließ, Deutschland könne CETA wegen des Investmentschutzes komplett ablehnen. Doch wenige Tage nach dem scheinbar heldenhaften Widerstand meldet nun der EUObserver: Alle Meinungsverschiedenheiten zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung seien bereits vor Monaten einvernehmlich beseitigt worden.

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