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Die EZB will Markt für Wertpapiere in Europa

Lesezeit: 11 min
31.08.2014 01:18
Im Schatten der geopolitischen Wirrnisse wandelt Mario Draghi die EZB zu einer über allen stehenden Großbank und zugleich zu einer Planungskommission um.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) will alleine, vielleicht auch zusammen mit der Bank of England, einen eigenen Markt für Wertpapiere anschieben und steuern, der durch Kredite unterlegt wird. Diese Kredite sollen Banken an die EZB verkaufen können. Im Gegenzug sollen sie sich verpflichten, das freigewordene Eigenkapital und die erhaltene Liquidität für Kredite an Unternehmen und Privatpersonen einzusetzen. Die EZB glaubt, damit die schwache Kreditnachfrage in einzelnen Euro-Ländern - vor allem im Mittelmeer-Halbmond von Griechenland bis Frankreich - beleben zu können.

Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten meldeten am 27. August 2014, dass „die mächtigste Finanz-Firma der Welt“, BlackRock Inc., New York, unter Leitung des „Königs der Wall Street“, Larry Fink, von der EZB den Auftrag erhalten habe, das Design für das Programm der Kreditverbriefungen (sogenannte Asset Backed Securities, ABS) zu entwickeln.

BlackRock war einer der Betreiber von Subprimes gewesen, die die große Finanzkrise seit 2006 verursacht haben. In der Krise hat die Vermögensverwaltungsbank selber Probleme gehabt. Doch dann hat sie die Subprime-Bestände anderer Institute übernommen und verwertet.

Lange Ankündigungen, mit denen Marktspekulationen vage beantwortet wurden, sind der EZB-Auftragvergabe an BlackRock vorausgegangen. Sie ist die Bestätigung, dass die Zentralbank in das direkte Bankgeschäft einsteigen wird.

Drei Fragen stellt das Vorgehen: Darf die EZB in das Verbriefungsgeschäft gehen und an dem globalen ABS-Markt teilnehmen? Kann das Verbriefungsgeschäft dazu beitragen, den nach Ansicht der EZB lahmenden Kreditmarkt in Euroland zu beleben? Wie passt ein solches Vorgehen zu der im EU-Vertrag festgelegten Ordnungspolitik im Euro-Raum und in der Union?

Der EU-Vertrag plus die Satzung für das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) und EZB erlauben das Verbriefungsgeschäft nicht. In Artikel 18 der Satzung sind die Offenmarkt- und Kreditgeschäfte geregelt, über die die EZB den Finanzinstituten Liquidität verschafft. Entscheidend ist, dass für die Kreditgeschäfte mit den Instituten diese für die eingereichten -zu beleihenden Darlehen - „ausreichende Sicherheiten zu stellen“ haben. Dabei handelt es sich um Pensionsgeschäfte, also Geschäfte auf Zeit. Sie werden gebraucht, damit die Banken immer liquide sind. Sie atmen in dem Rhythmus, in dem Sicherheiten an die EZB gegen Geld eingeliefert und umgekehrt zurückgegeben werden. Das sind in der Regel kurzfristige, gar Minutengeschäfte.

Der Verbriefungsmarkt, so wie ihn die EZB will, soll Banken von Darlehen befreien, damit diese neue Kredite an Unternehmen und Privathaushalte, nicht an den Staat, geben. Wenn die Banken also Kredite an die EZB verkaufen, sollen sie gezwungen werden, in gleicher Höhe neue Kredite an Unternehmen und Privathaushalte zu vergeben. Dafür werden Sonderkonditionen gewährt und die Kreditbestände der einzelnen Banken zu größeren Paketen zusammengeschnürt.

Ein solches Geschäft ist auf Dauer angelegt. Es ist kein Pensionsgeschäft. Die Sicherheiten sind nicht ausreichend, weil die EZB sie nicht mehr einzeln prüfen und die Haftung der Banken im konkreten Fall verfolgen kann. Bei der Verbriefung erhält die EZB eine Dokumentation, die sie nachvollziehen kann oder auch nicht. Jedenfalls wird der Glaube an die Richtigkeit das Wissen darum überwiegen. So sind die Erfahrungen mit Verbriefungen. Verbriefungen sind nicht in ein Deckungsraster zu bringen, um sie in Minuten auf ihre Werthaltigkeit zu prüfen.

Die US-amerikanischen Subprimes, die die anhaltende schwere Finanzkrise ausgelöst haben, konnten selbst in den USA nicht richtig geprüft werden. Die 300- bis 500-seitigen Dokumentationen waren nicht nachzuvollziehen. Das galt schon für die erste Welle, die angeblich noch solide abgesicherte Kredite enthalten haben sollte. Hinterher waren diese Verbriefungen auch nicht mehr viel wert. Das alles weiß BlackRock, auch wie man aus dem Geschäft doch noch Gewinne erzielt. Die Wiederholung solcher Erfahrungen sollten dem Euroland erspart bleiben.

Die EZB könnte auf Artikel 20 ihrer Satzung ausweichen. In diesem Gummiartikel kann der zentrale EZB-Rat „mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegeben Stimmen über die Anwendung anderer Instrumente der Geldpolitik entscheiden“, also nicht mit allen oder mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit aller Ratsmitglieder.

Fragt sich also, ob die von der EZB geplanten Verbriefungen ein Instrument der Geldpolitik sein können. Wenn die fehlenden Sicherheiten für einen kurzen Augenblick vernachlässigt werden und man annimmt, die Verbriefungen seien welche, ist zu fragen, ob damit die Preisstabilität gewährleistet werden kann. Das ist „das vorrangige Ziel des ESZB“.

Da Verbriefungen für Pensionsgeschäfte nicht eingesetzt werden können, entfallen sie schon allein deswegen für die geldpolitische Steuerung des Bankenapparates. Also können sie nichts zur Gewährleistung der Preisstabilität beitragen.

Nun hat das Eurosystem eine weitere Aufgabe, die der Preisstabilität nachgeordnet ist. Es soll die allgemeine Wirtschaftspolitik der EU unterstützen, um „zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die EU festgelegten Ziele der Union beizutragen.“ In diesem Grundlagenartikel wird die Preisstabilität hinter das Wirtschaftswachstum geschoben. Die soziale Marktwirtschaft soll auf Vollbeschäftigung und sozialem Fortschritt abzielen.

Aus den offiziellen Äusserungen der EZB-Spitzenvertreter kann der Eindruck gewonnen werden, dass diese Unterziele derzeit entscheidend sind und künftig entscheidend sein werden. Die Preisstabilität ist zweitrangig. Kann also der Verbriefungsplan der EZB diesen Unterzielen dienen? Nein, auch nicht: Denn er ersetzt nur bestehende Kredite, damit neue herausgelegt werden können. Es hängt von der örtlichen und regionalen Situation ab, ob darüber Investitionen angestoßen oder nur Schulden in den Unternehmen umsortiert werden.

Seitdem Francois Mitterand-Helmut Kohl-Handel im Jahr 1992, mit dem es dem französischen Präsidenten gelang, die „Atombombe der Deutschen“, die D-Mark, zugunsten des Euros abzuschaffen, begleite ich den Weg zur Währungsunion. Von Anfang an herrschte in den Beamten-Stäben der Glaube, dass Bankgeschäft mechanischen Prinzipien folgt. Bekanntestes Beispiel: Senkt die Zentralbank den Leitzins, dann folgt automatisch Wirtschaftswachstum. Die Wirklichkeit folgt der Mechanik nicht.

Mit dem Lächeln der Besserwissenden wurde abgewehrt, dass das Bankgeschäft von Menschen ausgeführt wird. In der Wirklichkeit beruht Kreditgeschäft immer auf Entscheidungen einzelner Personen. Hat der Sparkassenangestellte Sorge, den von ihm zu bewilligenden Kredit wiederzusehen, bewilligt er ihn nicht.

Hat der Mittelständler Sorge, einen Kredit zurückzahlen zu können, nimmt er ihn nicht. Für beide ist es völlig egal, wo die Zinsen stehen. Allein die Zukunftseinschätzung der Einzelnen entscheidet, ob ein Kreditgeschäft zustande kommt.

Nur beim Staatskredit ist es anders, weil für ihn kein Einzelner haftet. Bei ihm stimmt die Mechanik. Je niedriger die Zinsen, um so mehr Kredit wird nachgefragt. Die Neuverschuldung ist in der augenblicklichen EZB-Geldschwemme nicht mehr in den Zinsausgaben des Staates spürbar. Also steigt sie weiter an. Tatsache ist, dass die deutsche Staatsverschuldung seit 1949 von den Zinsausgaben dafür fast ganz aufgefressen worden ist. Erst die Aufhebung der Zinsfunktion durch die EZB hat zu einem kleinen „Überschuss“ geführt. Müsste Deutschland die Staatsschuld heute auf einmal tilgen, müsste es bis auf einen geringen Betrag doppelt bezahlen – für Zinsen und Tilgung. Die wirtschaftlichen Ergebnisse, die mit der Staatsverschuldung erzielt werden sollten, sind noch nie ermittelt worden. Weder Politik noch Verwaltungen haben Interesse an einer Überprüfung. Tatsächlich wäre die Wirtschaft ohne Staatsverschuldung breiter und schneller gewachsen, weil die Steuerlast niedrig geblieben wäre.

Bei der EZB-Verbriefungsplanung drängt sich dem deutschen Marktteilnehmer der Eindruck auf, die Zentralbank wolle das Globaldarlehen kopieren. Hierbei handelt es sich um einen seit Mitte der 1980er Jahre in Deutschland weit verbreiteten Kredit, der vor allem mittelständischen Unternehmen und öffentlichen Vorhaben zugute kommt. Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die Investitions- und Förderbanken in den Bundesländern räumen Hausbanken einen großen Kreditrahmen ein und geben diesen ihre am Markt erzielten Zinsvorteile weiter. Die Hausbanken stückeln den Rahmen und finanzieren daraus einzelne Geschäfte. Die Haftungskette ist sauber. Das einzelne Geschäftsrisiko liegt bei der Hausbank. Diese haftet wiederum für den Rahmenkredit.

Diese Globaldarlehen und das breite Netz der Investitions- und Förderbanken haben dazu beigetragen, dass in Deutschland während der Krise seit 2006 das Kreditgeschäft auf hohem Niveau weiter betrieben worden ist. Dazu hat beigetragen, dass die Förderbanken das Konsortialgeschäft der Hausbanken mit dem Mittelstand wesentlich gestützt haben. Würde die EZB-Verbriefung kommen, würde das Globaldarlehen verdrängt werden, weil nur der Letztkredit als Forderung akzeptiert werden würde, nicht der Bank-zu-Bank-Kredit, also beispielsweise das Globaldarlehen der NRW.BANK über 80 Millionen Euro an die Commerzbank AG, die daraus wieder 20 Einzelkredite schneidet. Nur diese würden in die Verbriefung eingehen.

Das ist ein Beispiel, wie die ABS-Initiative direkt in das Geschäft der Banken eingreifen wird und die EZB zum direkten Wettbewerber der Banken werden würde. Diese Geschäftsfunktion ist der EZB nicht erlaubt. Sie hat ihre Unabhängigkeit zu wahren. Das gilt in der Politik wie auch im Wettbewerb mit anderen Banken und Unternehmen.

Begründet wird die Verbriefungsinitiative damit, den lahmenden Kreditmarkt in Euroland anzukurbeln. Das könnte sie nur, wenn es allein wirtschaftliche, also konjunkturelle Gründe dafür gäbe. Die Kreditlähmung hat aber andere Ursachen als die, die in der Öffentlichkeit von Politikern und Notenbankern genannt werden.

Die Lähmung wurde vom Basel-Regime verursacht. Es hat weder im Ansatz bedacht, noch unter Laborbedingungen durchgespielt, wie sich Basel I, vor allem II seit Mitte der 1990er Jahre auf die Kreditvergabe auswirken könnte. Auch Basel III wird ohne solche Prüfungen eingeführt werden. Damit wird die Kreditlähmung sich verbreitern. Als nunmehr strukturelles Problem ist sie nicht mehr behebbar. Eine Verbriefungsaktion der EZB hat darauf keinen Einfluss.

Die strukturelle Kreditlähmung kann nur dadurch behoben werden, dass das Basel-Regime sofort beendet und das Bankgeschäft bei hohen Eigenkapitalvorgaben den Leitungen überlassen wird. Die Überprüfung kann den Finanzämtern überlassen werden, die ohnehin Bescheid wissen. Die EZB braucht sich dann nur noch um Offenmarkt- und Kreditgeschäfte gemäss ihrer Satzung zu kümmern. Sehr wahrscheinlich würde sie damit endlich zur Zentralbank der Europäer werden, nicht mehr Vernichterin ihres Vermögens sein.

Bei der strukturellen Kreditlähmung handelt es sich um einen schleichenden Prozess. Dessen erste Erscheinungen wurden ab 2002/2003 sicht- und bemerkbar. Das Basel-Regime beantwortete sie mit einer verschärften Aufsicht, mit dem heutigen Basel III.

Das Basel-Regime hat als Ziel, nur ein Geschäftsmodell weltweit zu erlauben. Um das zu erreichen, wird seit Basel II, praktisch seit 1999, eine zentrale Steuerung des Eigenkapitalverbrauchs bei Kreditvergaben befohlen. Diese Befehle einzuhalten ist bald zentrale Aufgabe der EZB. Die EZB-Bankenaufsicht erhebt schon heute den Anspruch, eines Tages für die gesamte EU zuständig zu sein. Der EU-Vertrag plus ihre Satzung geben der EZB diesen Spielraum.

Das Basel-Regime hat in den 1990er Jahren den Geschäftskosmos der Banken in sechs Herrschaftkreise aufgeteilt. Grundlagen dafür sind die Standard & Poor´s-Ratings wie im Bonitätsschema von Basel II. Basel III, das irgendwann um 2020-2022 eingeführt werden soll. Die Rating-Agentur hat alles unverändert übernommn. Das ergibt ein Ampelsystem, mit dessen Hilfe das Regime das gesamte Finanzgeschäft einschließlich der Agenturen und ihren Ratings lenkt. In dieses Ampelsystem ist die EZB eingetreten.

Rot: I. Ramsch (Staaten außerhalb der EU, Unternehmen, Privatpersonen); Gelb: II. Unternehmen und Privatpersonen mit normaler Bonität (mittleres Eigenkapital oder unbelastetes Vermögen); III. Banken ohne direkte/implizite Staatshaftung; Grün: IV. Unternehmen und Privatpersonen mit bester Bonität (hohes Eigenkapital, mindestens 50 % der Bilanzsumme oder hohes unbelastetes Vermögen); V. Banken und Unternehmen mit direkter/impliziter Staatsgarantie; VI. Staaten (Mitglieder im Baseler Bankenausschuss, EU-Mitglieder, Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung/Organization for Economic Co-operation and Development, OECD, Paris).

Über das Bonitätsschema werden die Herrschaftskreise des Basel-Regimes im einzelnen gesteuert. Der VI. Kreis ist der erste der Wunschkreise. Seine weltweite Bevorzugung durch die Banken wird erreicht, indem diese für Kredite kein Eigenkapital anzurechnen brau-chen. Die Kreise V. und IV. sind auch Wunschkreise, sie werden mit geringer Kapitalunterlegung gefördert. Beim Kreis V. mit direkter/im-pliziter Staatshaftung kann auch eine Null-Anrechnung zum Zuge kommen. Das entscheidet die Aufsicht.

Die Kreise III. und II. sind Verhinderungskreise. Unter Risikoaspekten sieht das Regime die Geschäfte nicht gern, also wird versucht, sie über hohe Eigenkapitalbindung unwirtschaftlich zu machen. I. ist der Ausschlußkreis. Dazu gehörten einige Mitglieder des Euro-Raumes. Sie wurden durch die Rettungsaktionen der Euro-Länder und der EU sowie der künstlichen Liquidisierung durch die EZB, auch durch deren Finanzierung der Target-Salden zwischen den nationalen Euro-Zentralbanken, vor allem durch direkte Milliarden-Hilfen und Garantien an den besten Herrschaftskreis herangeführt. Das Basel-Regime hat dieses gefordert und sein Bonitätsschema entsprechend weitherzig interpretiert, um Insolvenzen zu vermeiden. Ramsch bleiben sie trotzdem, weil keine inneren Reformen vorgenommen werden, sondern die Staaten sich auf dem Geldsegen ausruhen.

Die Kredite unter roter und gelber Ampelschaltung würden nicht von einer EZB-Verbriefungsaktion erfasst werden. Das würde die Abteilung Bankenaufsicht der EZB verbieten. Zusammen mit dem Basel-Regime will sie erreichen, dass die Banken solche Kredite abbauen und sich auf die grüne Ampelschaltung konzentrieren. Neue Kredite an Rot und Gelb wird sie zu verhindern wissen.

Die EZB-Bankenaufsicht wird die EZB-Verbriefung nicht erlauben. Dieses wissend verlangt EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré staatliche Garantien, um gegen Ausfälle gewappnet zu sein. Denkbar sind für ihn auch Garantien über die EIB oder über Förderbanken wie die KfW oder die NRW.BANK. Bei Globaldarlehen gibt es keine staatliche Garantien. Warum sollen solche nun für Verbriefungen ausgesprochen werden? Damit die EZB ohne Prüfung die Verbriefungen aufkaufen, also beleihen kann. Ist es dann nicht einfacher, nationale Probleme, so sie vorhanden sein sollten, über direkte nationale Förderung zu lösen? Die arbeitet von Mensch-zu-Mensch, nicht nach einer Mechanik wie die EZB.

In der Diskussion seit vielen Jahren um Basel II und III und um die EZB-Politik wird die Ordnungspolitik ausgeschaltet. Strebt die EZB wirklich noch die soziale Marktwirtschaft an, wie es der EU-Vertrag von ihr verlangt? Das Ziel ist durch die Taten der EZB-Leitung in die Ablage gegeben worden. Gleiches gilt für das Ziel der langfristigen Preisstabilität.

Die EZB kommt ihrer Aufgabenstellung nicht nach. Sie ist heute ein Instrument, das von wenigen genutzt wird. Sie befriedigt lediglich ihren Machttrieb. Der einzige Schutz, den die Bürger noch haben, ist die achtjährige Begrenzung der Amtszeiten und das Verbot von Verlängerungen. In der europäischen Geschichte gibt es genug Beispiele dafür, wie einzelne Persönlichkeiten in noch weniger als acht Jahren Regierungsformen gekippt und in der Regel Diktaturen erreichtet haben. Napoleon Bonaparte brauchte nur vier Jahre.

Mit der Verbriefungsaktion wird sich die EZB weiter von ihrem ursprünglichen Auftrag entfernen. Sie setzt damit ihre in der Krise begonnene Politik fort, nämlich ihren vertraglichen Auftrag zu verändern und von sich aus neu zu definieren. Sie macht, was sie will. Die Politik kommt ihrer Kontrollverantwortung nicht nach.

Das Basel-Regime kommt der EZB dabei zu Hilfe. Solange dieses Regime ein Teil der EZB ist, bleibt die Harmonie gewahrt. Nach den Erfahrungen mit dem Verhalten der EZB-Leitung in der Krise wird sich die Zentralbank aus dem Basel-Regime herauslösen. Anschließend wird sie in der EU allein alle Maßstäbe für das Bankgeschäft anordnen und in den einzelnen Instituten durchsetzen.

Mit der von Berlin vorgegebenen Entscheidung der EU, der EZB die Bankenaufsicht zu übertragen, hat die Zentralbank volle Souveränität erlangt. Da ihrer Leitung schon vorher die volle politische und haftungsrechtliche Immunität eingeräumt worden ist, wird die EZB innerhalb der EU praktisch zum Staat im Staate. Schon heute bündelt sie drei Aufgaben unter ihrem Dach, ohne dass EU-Organe oder –Nationen noch mitentscheiden dürfen und können: Zentralbank, Bankenaufsicht, Geschäftsbank.

Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Die EZB wird zur führenden Bank der EU, die allein sich selbst kontrolliert und die Marktkonkurrenten über ihre Zins- und Liquiditätshoheit zur Seite drücken wird. Zugleich wird sie ihre heutige Stellung als Plankommission der gesamten Finanzwirtschaft ausbauen. Wer diese Hoheit über Banken hat, kann sie darüber auf die gesamte Wirtschaft ausdehnen. Die EZB herrscht wie ein Organ in einer Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs. Dafür bedarf es keiner neuen Gesetze.

Die „Schieberegler“ (Beat Gygi) in EU-Vertrag und EZB-Satzung erlauben große Spielräume und tiefgehende ordnungspolitische Zäsuren. Die Bankleitungen leben schon heute in Sorge und Angst, allein formale Fehler gegenüber der Bankenaufsicht zu begehen. Diese reichen zur sofortigen Abberufung durch die Aufseher aus.

Die Politik wird stillschweigend alles mitmachen. Denn die EZB wird sichern, dass weiterhin die Staatsschulden in den Bankbilanzen nicht auf das Eigenkapital der Institute angerechnet werden müssen. Allen Beteuerungen zum Trotz wird die EZB auch den Staaten direkte Kredite geben. Die Beteuerungen nutzen sich in der öffentlichen Meinung ab. Die Lobbyistenscharen in den Ministerien, EU-Zentralbanken, Verbänden, bei Unternehmensberatern und Wirtschaftsprüfern, in den Investmentbanken, vor allem in London und an Wall Street, in den Schattenbanken wie BlackRock, in den Universitätszirkeln und volkswirtschaftlichen Instituten, die von Bankaufsichts- und Staatsaufträgen leben, bereiten fleißig das Feld vor, die EZB zum direkten Staatsfinanzierer zu machen.

Im März 2015 wird es soweit sein, wenn die Haushaltsplanungen 2016 und die mittelfristigen Finanzplanungen in die ersten Beratungen bei den Regierungen gehen. Spätestens dann wird in der EU, speziell im gesamten Euroraum die Staatsfinanzierungskrise ausbrechen.

Dann zieht die Begründung, nur die EZB als „lender of last resort“ könne die sogenannte Staatsschuldenkrise abwenden. Nun gibt es eine solche Krise nicht, nur eine Staatsfinanzierungskrise. Solche könnten auch nur die Einzelstaaten beheben. Die Politik wird vor dieser Aufgabe versagen, sie bereitwillig der EZB übergeben und lieber ihre Bürger auf kaltem Wege enteignen.

Die EZB wird dabei weiter mit ihren wirtschaftlich unvertretbaren Geldschwemmen behilflich sein. Sie wird auch sonst zur Verfügung stehen. Es erhöht ihre Macht, begründet und festigt ihre Stellung außerhalb der EU-Organe und verändert die Gemeinschaft hin zu dem Einheitsstaat Europa, oder wie er auch immer heißen mag. Napoleon Bonaparte lässt grüssen. Darum geht es, wenn die EZB ein Verbriefungsprogramm aufsetzt. Keiner kann sagen, er habe nicht gewusst, welches schlussendliche Ziel mit dem Zwischenschritt angesteuert wird.

***

Das seinem neuen Buch zeigt der ehemalige Banker Bernd Lüthje wohin es führt, wenn das Zentralbanken-System der demokratischen Kontrolle entzogen ist. Lüthje hat das Dilemma in einem Beitrag für die Deutschen Wirtschafts Nachrichten beschrieben.

Bernd Lüthje, Jahrgang 1939, Dr. rer. pol., Universität Hamburg (Diss.: Die Funktionsfähigkeit der deutschen Aktienbörse, 1969), verschiedene Bank- und Verbandspositionen sowie Aufsichtsratsmandate von 1964 bis 2008, u. a. Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands von 1990 bis 2002, Gründungsvorstandsvorsitzender der NRW.BANK in Düsseldorf und Münster von 2002 bis 2005, Aufsichtsratsvorsitzender der WestLB AG in Düsseldorf von 2002 bis 2004, Aufsichtsratsvorsitzender der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen von 2005 bis 2008.

Das Buch kann hier beim Verlag und bei Amazon bestellt werden.

 


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