Politik

Babylonische Bankenaufsicht: EZB muss tausende Dokumente übersetzen

Etwa 25 Prozent der 130 Großbanken in Europa, die die EZB ab November beaufsichtigen soll, wählt ihre jeweils nationalen Sprachen anstatt der englischen Geschäftssprache. Von den 18 Staaten in der Eurozone benutzen gar nur die Banken auf Malta und Zypern die englische Sprache. Ein Team der EZB quält sich nun damit ab, offizielle Dokumente aus dem Englischen in insgesamt 23 Sprachen übersetzen
01.11.2014 02:29
Lesezeit: 1 min

Eigentlich sollten die Banken nach einer Richtlinie der EZB die Banken Englisch als Arbeitssprache nutzen. Doch die EZB kann die Banken nicht dazu zwingen, da es ihnen nach europäischen Gesetzen erlaubt ist, sich ihrer nationalen Sprache zu bedienen, um sich an europäische Behörden zu wenden.

Ab dem 4. November übernimmt die EZB nun die Aufsicht für die Großbanken. Die Probleme mit den Nationalsprachen macht die Aufsicht nun noch komplizierter und teurer, wie das Wallstreet Journal berichtet.

Demnach beschäftigt die EZB ein Team von Übersetzern, die die offiziellen Dokumente der EZB nun aus dem Englischen in insgesamt 23 Sprachen übersetzen müssen, sowie in umgekehrter Richtung die Dokumente der Banken, die an die EZB geschickt werden.

Zu den Ländern, deren Sprachen übersetzt werden müssen gehören auch Dänisch, Tschechisch, Schwedisch oder Rumänisch, deren Großbanken sich nicht in der Eurozone befinden, aber gleichwohl von der EZB beaufsichtigt werden.

Die Übersetzer dürfen sich nun mit Tausenden von Dokumenten in den jeweiligen Nationalsprachen beschäftigen.

Aktuell werden von der EZB rund 1000 neue Mitarbeiter eingestellt, um die neue Aufgabe zu meistern. Sie ziehen in den  neuen Euro-Tower ein, der voraussichtlich 1,2 Milliarden Euro kosten wird.

Bei der EZB existiert auch eine EZB-Gewerkschaft. Deren Vorsitzender, Emmanuel Larue, betonte, er habe lediglich Kenntnis von vier weiteren Beschäftigten in der Sprachenabteilung.

Ein Sprecher der EZB lehnte eine Stellungnahme darüber ab, wie viele neue Übersetzer die Bank angestellt hat. Er ergänzte jedoch, die Zentralbank habe „erhebliche Ressourcen an Bord“. Man arbeite eng mit den nationalen Behörden zusammen.

Die Kosten für Übersetzungen sind in den Aufsichtsgebühren zusammengefasst, die die Banken auf Grundlage ihrer Größe entrichten müssen.

Unter den Banken, die ihre nationale Sprache als Geschäftssprache benutzen, befänden sich auch deutsche Banken, gleichwohl sich deutsche Banken im Ranking der Länder der EU mit guten Englischkenntnissen weit oben befinden.

Offenbar wollen die deutschen Banken auf Nummer sicher gehen, denn ihre Entscheidungen hierzu beruhen auf juristischem Rat. Es besteht das Anliegen, dass juristische Begriffe richtig angewendet werden und mögliche falsche Übersetzungen nicht der jeweiligen Geschäftsbank angelastet werden.

Die Großbank Société Générale bekannte sich dazu, Französisch im Umgang mit der EZB zu wählen, da es Beschäftigte gäbe, die kein Englisch sprächen. Dagegen legte sich die Crédit Agricole auf Englisch fest.

Ähnlich uneinheitlich sieht es in Österreich aus. Lediglich zwei von groß acht österreichischen Bankenkonsortien benutzen die deutsche Sprache im geschäftlichen Umgang mit der EZB.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Was sind alternative Investments? Whisky, Windpark, Private Equity – wie Sie abseits der Börse Rendite machen
16.05.2025

Alternative Investments gelten als Baustein für resiliente Portfolios. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Anlageklasse? Warum sie...

DWN
Politik
Politik Dobrindt: Grenzkontrollen markieren den Beginn eines Kurswechsels
16.05.2025

Innenminister Dobrindt setzt auf strengere Maßnahmen und schärfere Grenzkontrollen – ein klarer Kurswechsel in der Migrationspolitik....

DWN
Politik
Politik Grüne kritisieren Wadephuls Aussage zu Verteidigungsausgaben als "naiv"
16.05.2025

Verteidigungsausgaben sollen auf fünf Prozent steigen – ein Vorschlag, der Deutschland spaltet. Doch wie realistisch ist dieses Ziel?...

DWN
Politik
Politik Merz warnt vor Wiederbelebung von Nordstream 2 – Geheimgespräche zwischen USA und Russland
16.05.2025

Geheimgespräche zwischen Washington und Moskau über Nordstream 2 alarmieren Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz warnt vor einer...

DWN
Politik
Politik Fünf Prozent für Verteidigung: Welche Kosten kämen auf Deutschland zu?
16.05.2025

Die Debatte um höhere Verteidigungsausgaben nimmt Fahrt auf: Fünf Prozent des BIP stehen im Raum. Doch was würde das konkret für...

DWN
Politik
Politik Russland-Ukraine-Friedensverhandlungen: Was kann in Istanbul erreicht werden?
16.05.2025

Russland und Ukraine starten in Istanbul neue Friedensverhandlungen – doch wie realistisch sind Fortschritte? Welche Rolle spielen...

DWN
Politik
Politik Die Macht der Herausforderung: Putin hat gekniffen
16.05.2025

Man möchte den wenigstens etwas ernstzunehmenden Menschen sehen, der geglaubt hat, Wladimir Putin würde die Herausforderung des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DAX-Konzerne verzeichnen deutlichen Rückgang bei Gewinnen
16.05.2025

Geringere Gewinne, schrumpfende Belegschaften und globale Unsicherheiten: Deutschlands DAX-Konzerne stehen unter Druck. Doch wie...