Politik

Angela Merkel: „Wir stehen bei TTIP unter Zeitdruck“

Angela Merkel und Jean-Claude Juncker wollen die Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP beschleunigen. Das könnte ihnen auch gelingen: Der Deutsche Bundestag kann beim TTIP nicht mitwirken. Bei der Bewertung des TTIP verlässt sich die EU, die das Verhandlungsmandat hat, auf Studien, die die Kommission selbst bezahlt hat.
17.11.2014 01:14
Lesezeit: 2 min

Die dpa meldet:

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa bekommt neuen Schub von höchster Stelle. US-Präsident Barack Obama und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel und vier weitere EU-Regierungschefs berieten darüber am Sonntag am Rande des G20-Gipfels in Brisbane. Sie forderten die Unterhändler auf, sich in den nächsten zwölf Monaten ins Zeug zu legen, um maximale Fortschritte zu erzielen.

«Wir stehen wie zu Beginn der Verhandlungen im Juni 2013 weiter hinter unserer Absicht, ( ...) stärkeres, nachhaltiges und ausgeglichenes Wachstum zu fördern», heißt es in ihrer gemeinsamen Erklärung. Das TTIP-Abkommen («Transatlantic Trade and Investment Partnership») schaffe Arbeitsplätze, fördere nachhaltiges Wachstum und verbessere die internationale Wettbewerbsfähigkeit beider Seiten.

Das Abkommen müsse angesichts der Konkurrenz in Asien zügig unter Dach und Fach, meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Treffen. «Wir sehen, welche Dynamik die Handelsabsprachen im asiatisch-pazifischen Raum eingenommen haben», sagte Merkel. «Das macht bei uns in Europa doch die Notwendigkeit klar, dass wir auch bei den Verhandlungen zu dem Freihandelsabkommen - insbesondere mit den USA bei TTIP - durchaus unter Zeitdruck stehen.»

Europa werde bei den Verhandlungen keinen seiner Standards beispielsweise bei Lebensmitteln opfern, betonte Juncker. Auch werde offen und transparent für die Bürger verhandelt. «Wir wollen dieses Abkommen.»

Tatsächlich steht fest:

Der Deutsche Bundestag wird an dem Freihandelsabkommen nicht mitwirken. Die Kompetenz dafür liegt seit 2009 allein bei der EU-Kommission. Das EU-Parlament, welches aktuell von einer Großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten beherrscht wird, muss zustimmen.

Transparenz und Mitwirkung der Bürger ist nicht vorgesehen: Die EU hat schon vor Monaten ihre Truppen eingeschworen, das Abkommen unter höchster Geheimhaltung durchzuziehen, um die Vereinbarung nicht zu gefährden. Steuergelder im unbekannten Ausmaß werden dafür verwendet, das TTIP in der Öffentlichkeit in einem „positiven Licht“ darzustellen. Kritische Medien, insbesondere im Internet, sollen einer gezielten „Beobachtung“ unterworfen werden. Eine kritische Bürgerinitiative wurde von der EU-Kommission abgeschmettert. Die Begründung entspricht der Ausschaltung der nationalen Parlamente: Eine Bürgerbeteiligung bei Freihandelsabkommen existiert in den EU-Verträgen nicht. Die Bürgerinitiative will nun vor dem EuGH klagen, hat dort jedoch schlechte Karten: Zum politischen Mandat des obersten Gerichts gehört, sehr zum Verdruss der nationalen Höchstgerichte, dass im Sinne der europäischen Integration - und damit gegen die Nationalstaaten entschieden wird.

Die erste unabhängige Studie zum TTIP hat ergeben, dass das Abkommen in der EU 583.000 Arbeitsplätze vernichten könnte. Bisher sind weder die SPD noch die CDU auf die Studie eingegangen. Die EU-Kommission stützt sich auf bezahlte Gutachten, die auf der Website der Kommission fälschlicherweise als unabhängig ausgeschildert sind. Eine ebenfalls positive Studie hat die Bertelsmann-Stiftung erstellt, der der Autor der unabhängigen Studie jedoch schwere methodische Mängel vorwirft. 

Das Abkommen wird den Druck auf die Löhne in Nordeuropa weiter erhöhen und damit einen Trend beschleunigen, der sich durch die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation WTO bereits am Beispiel Amerikas materialisiert hat. 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie Erkennen Sie schnell instabile Li-Ion-Batterien

Brady Corporation bietet eine neue, kostengünstigere Lösung an, um instabile Li-Ion-Batterien im Lager schnell und einfach zu erkennen....

DWN
Politik
Politik Merz drängt auf Asylwende: "Werden diese Anträge einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt“
24.01.2025

CDU-Kanzlerkandidat Merz will eine Kehrtwende in der Asylpolitik und dafür Anträge zur Eindämmung der illegalen Migration im Bundestag...

DWN
Technologie
Technologie Energieimport Deutschland: 80 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe!
24.01.2025

Energieimport Deutschland: Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen kostet das Land astronomische Summen, während gleichzeitig die...

DWN
Politik
Politik Wen soll ich wählen 2025? Die Folgen der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg
24.01.2025

Wen soll ich wählen bei der Bundestagswahl 2025? Diese Frage stellen sich gerade Millionen Deutsche. Einige wissen die Antwort bereits,...

DWN
Finanzen
Finanzen Erben und Vererben - steuerliche Aspekte im Überblick
24.01.2025

Erbschaften und Schenkungen sind in Deutschland nicht nur mit emotionalen, sondern auch mit steuerlichen Herausforderungen verbunden....

DWN
Politik
Politik Trump gibt Selenskyj Kriegsmitschuld: "Hätte das nicht tun müssen"
24.01.2025

Für Donald Trump liegt die Verantwortung für die Eskalation des Ukraine-Kriegs auch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj....

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Betrug: Nur 22 Prozent der Unternehmen schützen sich
24.01.2025

KI-Betrug wird 2025 zur größten Bedrohung für Unternehmen. Deepfakes und andere KI-gestützte Betrugstechniken nehmen in Deutschland und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel hausgemacht? Zu viele Akademiker, zu wenig Azubis - Deutschland braucht eine Reform der Berufsausbildung
24.01.2025

Zu viele Jugendliche studieren, zu wenige streben in die Ausbildung. Die Unternehmen sehen einen Veränderungsbedarf bei der...

DWN
Technologie
Technologie Atomkraft-Comeback? Weltweiter Run auf Kernenergie laut IEA
23.01.2025

"Neue Ära der Kernenergie": Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert einen wachsenden Strombedarf weltweit und ruft...