Weltwirtschaft

Amerikaner wollen Russland aus dem Energie-Markt in Europa drängen

Lesezeit: 2 min
22.03.2015 01:34
Washington will die europäischen Staaten von der Energieabhängigkeit Moskaus lösen. Stattdessen sollen US-Konzerne die Energie-Sicherheit Europas garantieren. Doch die Russen kontern mit dem Bau der Pipeline Turkish Stream, die die EU-Staaten als Kunden an Russland binden soll.
Amerikaner wollen Russland aus dem Energie-Markt in Europa drängen

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Die USA möchten die EU-Staaten aus ihrer Abhängigkeit von russischer Energie lösen. Der eigentliche Konflikt zwischen dem Westen und Russland geht um Pipelines, Kraftwerke und Häfen.

Die neue Strategie der EU beruht auf einer strategischen Energie-Partnerschaft mit der Ukraine. Die EU will ihre Pipeline-Infrastruktur ausbauen und die „Energie-Effizienz“ der Ukraine erhöhen, um Europas Abhängigkeit von Energie-Importen zu reduzieren. Angestrebt wird eine Gas-Partnerschaft im Rahmen der Energie-Union, berichtet Reuters.

Hochrangige US-Beamte sagen, dass die Ex-Sowjetstaaten vom „jahrzehntelangen wirtschaftlichen Mobbing durch Moskau befreit“ werden sollen. Deshalb will Washington neue Erdgas-Pipelines in einer Region verlegen, die ihren Energiebedarf zu mehr als 70 Prozent aus Russland deckt. US-Unternehmen sollen in den Fracking- und Kernkraftmarkt Europas dringen, um die russischen Energie-Konzerne zu verdrängen.

Um diese Entwicklung zu bremsen, kauft Russland Pipeline-Infrastrukturen in Europa auf. „Es ist ein Schachspiel“, zitiert PBS News Hour den Sondergesandten für internationale Energiepolitik des US-Außenministeriums, Amos Hochstein. Im vergangenen Monat besuchte US-Außenminister John Kerry Bulgarien, um sich für den Bau eines Kernkraftwerks durch einen US-Konzern einzusetzen. Bulgarien bezieht 85 Prozent seines Gases aus Russland. Seine gesamte Nuklear-Energie hängt von Russland ab (Video am Anfang des Artikels).

Hochstein sagt, dass Russland bis 2020 etwa 20 Prozent seines aktuellen Anteils am osteuropäischen Gasmarkt verlieren soll. Das ist zumindest der Wunsch Washingtons. Während Westeuropa die nötigen Finanzmittel für Alternativen bereitstellen soll, möchte die USA den Osteuropäern technische und politische Unterstützung zukommen lassen.

Vergangene Woche hat US-Diplomatin Victoria Nuland bei einer Rede am Brookings Institution die ersten Reverse-Lieferungen von Gas aus Polen, Ungarn und der Slowakei in die Ukraine ausdrücklich gelobt. Der Ukraine soll dadurch aus ihrer Energie-Krise geholfen werden. Zudem wurde zwischen Moldawien und Rumänien eine neue Gas-Verbindungsleitung gebaut. „Wir wollen gewährleisten, dass Energie nicht als Waffe eingesetzt wird“, so Nuland. Ganz offen möchten die Amerikaner den Russen den lukrativen europäischen Energiemarkt abjagen.

Doch der Kreml ist sich über die Strategie der USA bewusst und möchte die Europäer als Gaskunden an sich binden. Vergangenen Dezember kündigte Russland die Pipeline South Stream auf, berichtet die Financial Times. Die EU hatte das South Stream Projekt stets torpediert, weil nach EU-Auffassung ein Konzern nicht gleichzeitig Netzwerk-Betreiber und Lieferant sein kann. 

Gazprom-Chef Alexei Miller sagte, dass stattdessen eine neue Pipeline durch die Türkei gebaut werden soll, die den Namen Turkish Stream trägt. Wenn die EU Interesse an ihrer eigenen Gasversorgung habe, müsse sie eine neue Pipeline-Infrastruktur bis an die griechisch-türkische Grenze bauen. Die Türkei soll nach dem Willen Russlands neben Deutschland künftig der zentrale Verteiler für Erdgas aus Russland in die EU sein.

Doch ob die Russen Turkish Stream angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage wirklich bauen können, ist unklar. Denn nach Wunsch der Türken soll Gazprom den Großteil der Baukosten tragen. Zudem verlangt Ankara sehr hohe Transitgebühren von Gazprom.

Die EU ist sich über ihre aktuelle Lage bewusst und will den Befreiungsschlag wagen. Es sollen strategische Energie-Partnerschaften mit dem Aserbaidschan und Turkmenistan, berichtet die Financial Times. EU-Energiekommissar Maroš Šefčovič sagt, dass Europa es leid sei, sich jedes Jahr Gedanken darüber zu machen, wie die Energieversorgung im Winter gewährleistet werden soll.


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