Politik

Amerikas Elite sieht das Ende der Weltmacht-Rolle der USA gekommen

In der amerikanischen Elite scheint ein Umdenken einzusetzen: Mit dem ehemaligen Finanzminister Lawrence Summers spricht erstmals ein hochrangiger Politiker und Finanz-Fachmann von Ende der amerikanischen Vorherrschaft in der Welt. Der Anlass ist der gescheiterte Versuch der US-Regierung, seine Verbündeten von der neuen chinesischen Entwicklungsbank AIIB fernzuhalten.
08.04.2015 00:44
Lesezeit: 3 min

Der gescheiterte Versuch der US-Regierung, ihre Verbündeten daran zu hindern, sich an der neuen chinesischen Entwicklungsbank zu beteiligen, wird in Washington überraschend als eine grundsätzliche Wende in den geopolitischen Ambitionen der USA gesehen. Angeführt von Großbritannien, hatten sich in kurzer Folge alle wichtigen Verbündeten der USA einschließlich Deutschlands und Italiens sowie Australien an der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) beteiligt. Auch Russland will bei der AIIB mitmachen. 

Der ehemalige Finanzminister und Präsident der Harvard-Universität, Laurence Summers, analysiert in einem Artikel auf seiner Website die neue Rolle, die den Amerikanern in einer multipolaren Welt zukommt. Summers meint, dass es den Amerikanern nicht gelungen sei, „ein Dutzend seiner traditionellen Verbündeten, beginnend mit Großbritannien, zu überzeugen“, dem Werben Chinas zu widerstehen. Die Einrichtung einer neuen Entwicklungsbank (AIIB) sei auch deshalb auf so große Zustimmung bei den Verbündeten gestoßen, weil es den Amerikanern nicht gelungen sei, die bestehenden Institutionen wie den IWF den neuen weltpolitischen Gegebenheiten entsprechend zu strukturieren: „Chinas wirtschaftliche Größe und die Tatsache, dass die Schwellenländer bereits die Hälfte der industriellen Weltproduktion vorbringen, verlangen nach einer neuen globalen wirtschaftlichen Architektur.“

Summers sieht überraschenderweise auch die dominante Position des IWF gefährdet, weil der von den USA dominierte Währungsfonds bisher nicht in der Lage gewesen sei, sich eine moderne Struktur zu geben, die den veränderten globalen Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Summers kennt die internationalen Finanzinstitutionen von innen: Er war viele Jahre Chefökonom der Weltbank gewesen. Die USA hatten bis zuletzt jegliche Reform des IWF blockiert und damit verhindert, dass aufstrebende Mächte wie etwa China eine größere Rolle im IWF spielen könnten.

Summers vergleicht die Entwicklung mit anderen, historischen Ereignissen, in denen die USA ihre Vormachtstellung in der Welt justieren mussten. Summers nennt das Ende des Goldstandards 1971 und sogar die Konferenz von Bretton Woods als vergleichbar wichtige Meilensteine. Amerika habe seine Rolle als Konsortialführer in der globalen Wirtschaft verloren. Zwar habe es schon immer Phasen der Frustration gegeben, doch die Ereignisse der vergangenen Monate haben für Summers mehr Gewicht.

Summers fordert ein Ende der hegemonialen Ambitionen. Die USA sollten sich weltweit nur noch auf Dinge konzentrieren, die tatsächlich im nationalen Interesse Amerikas liegen. Amerika sei nicht mehr der Lage, die globale Weltwirtschaft allein bestimmen zu können. Summers glaubt, dass „andere Staaten legitimiererweise frustriert sein, wenn sie von den USA offiziell aufgefordert werden, ihre Politik zu verändern. Summers kritisiert in diesem Zusammenhang die dominante Rolle amerikanische Institutionen wie der Regulation, der Ratingagenturen und vor allem der US Gerichte. Viele ausländische Unternehmen sehen große rechtliche Probleme, wenn die USA ihre eigenen Vorstellungen in der Welt durchsetzen möchten.

Summers sieht eine große Gefahr für die USA in den aktuellen Währungskriegen. Es sei nicht möglich, den Dollar als Weltwährung aufrechtzuerhalten, wenn die Währung gleichzeitig aggressiv dazu verwendet werde, partikulare Sicherheitsziele der vereinigten Staaten durchzusetzen.

Für Summers hängt der Verlust der dominanten Stellung der USA in der Welt auch mit dem ungerechten eigenen Wirtschaftssystem zusammen. Amerika müsse seine Mittelschicht stärken. Die USA könnten nicht weltweit gegen Armut und Hunger kämpfen, wenn gleichzeitig im eigenen Land die Armut wachse.

Summers erwartet, dass die Zinsen nirgendwo auf der Welt bis 2020 deutlich über null liegen werden. Die ganze Last des globalen Finanzsystems läge derzeit auf den verschuldeten Staaten. Dadurch entstehe ein asymmetrisches System, welches auch jene Länder unter Druck bringe, die Handelsüberschüsse verzeichnen können.

Eine angemessene Rolle der USA in einem multipolaren Wirtschaftssystem könne nur erreicht werden, wenn sich auch die amerikanische Innenpolitik grundlegend ändere. Die gegenseitige Blockade zwischen Republikanern und Demokraten müsse beendet werden. Beide Parteien müssten gemeinsam Entscheidungen treffen, die dem Wohl der Bürger in Amerika dienen. Nur so könne die USA eine legitime Führungsrolle in der Welt wahrnehmen.

Vor Summers hatte bereits die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright die bisherige Rolle der USA in den internationalen Organisationen kritisiert. Vor allem der Mangel an Transparenz im IWF stört Albright, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.

Finanzminister Jacob Lew hat die harte Haltung der US-Regierung gegen China bereits aufgeweicht. Die US-Regierung begrüße die Initiative Chinas, sagte Lew, und deutet damit an, dass in das Umdenken bei den amerikanischen Eliten sogar schon bei der Regierung registriert worden ist.

Auch die Weltbank scheint sich bereits mit den Realitäten abzufinden: Deren Präsident Jim Yong Kim will sich in Washington mit dem chinesischen Finanzminister Lou Jiwei treffen, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten. Kim bezeichnete die AIIB am Dienstag in Washington als einen wichtigen neuen Player im internationalen Finanz-Gefüge.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...