Politik

Schulden-Krise eskaliert: IWF fordert Verluste von Euro-Steuerzahlern

In der Troika ist ein offener Streit ausgebrochen. Der Internationale Währungsfonds fordert, dass die europäischen Steuerzahler nun Verluste realisieren müssten, um Griechenland zu retten. Alternativ wären noch radikalere soziale Einschnitte in Griechenland denkbar. Die Zeichen stehen auf Sturm.
04.05.2015 23:50
Lesezeit: 2 min

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat den Finanzministern der Euro-Zone offenbar das Messer angesetzt. Die FT berichtet, habe der Europachef des IWF, Poul Thomsen gefordert, dass die europäischen Gläubiger Abschreibungen auf ihre Kredite an Griechenland machen müssen, damit der IWF die Rettung Griechenlands weiter unterstützt. Der IWF habe die Europäer gewarnt, dass die Zahlen Griechenland erneut deutlich schlechter sein werden als erwartet. So wird es in diesem Jahr keinen Primärüberschuss geben, sondern ein Defizit.

Ein dauerhafter Primärüberschuss war die Bedingung des IWF gewesen, weitere Kreditzusagen an Griechenland in Aussicht zu stellen. Bereits im Vorjahr hatte Griechenland einen solchen Überschuss gemeldet. Damals hatte der heutige Finanzminister Yanis Varoufakis aufgezeigt, dass dieser Überschuss nur mit rechnerischen Tricks zustandegekommen ist. Das hat den IWF jedoch nicht gehindert weiter auf eine solche Bilanz-Kosmetik zu setzen. Nun stellt sich heraus, dass Griechenland wohl auch mit allen zur Verfügung stehenden Rechenkunststücken keine Chance hat, einen solchen Primärüberschuss zu erwirtschaften.

Daher fordert der IWF, dass die Steuerzahler der Eurozone nun endlich Verluste realisieren sollen. Die Steuerzahler sind über die EZB der größte Gläubiger Griechenlands. Für die nächste Tranche erwartet Griechenland 7,2 Milliarden Euro, die Hälfte davon bezahlen die Steuerzahler aus der Eurozone, die andere Hälfte kommt vom IWF.

Der IWF hat zur Bekräftigung seiner Forderung eine revidierte Prognose für Griechenland vorgelegt. Ursprünglich hatten die Gläubiger von Athen verlangt, dass der Primärüberschuss im Jahr 2015 drei Prozent des BIP betragen müsse. Nun wird es jedoch ein Defizit von mindestens fünf Prozent geben, erwartet der IWF. Damit würde sich die gesamte Schuldensituation Griechenlands erneut dramatisch verschlechtern.

Als Alternative für eine bevorstehende Beteiligung der europäischen Steuerzahler schlägt der IWF dramatische neue soziale Einschnitte in Griechenland vor. Bei den Gesprächen ist der IWF nach Ansicht von Arbeitsminister Skourletis die „extremste Stimme“. Der Währungsfonds halte unnachgiebig an seinen Forderungen nach Arbeitsmarktreformen fest, inklusive Rentenkürzungen und Massenentlassungen, sagte Skourletis dem Sender Mega TV. Außerdem sperre sich der IWF gegen Pläne zur Anhebung des Mindestlohns.

Damit zeichnet sich eine weitere Komplikation in den Bemühungen der Euro Retter ab, Griechenland mit einer provisorischen Lösung im Euro zu halten. Die FT geht davon aus, dass sowohl Athen als auch die Euro Finanzminister die Forderungen des IWF zurückweisen werden. Für die Regierung in Athen ist es unmöglich, ein noch härteres Programm zu fahren. Die Euro Finanzminister versuchen, ihren Wählern so lange als möglich die Realität schön zu reden, um nicht Milliardenverluste für die europäischen Steuerzahler einräumen zu müssen.

Der von den Euro Finanzministern vom Verhandlungstisch gemobbte griechische Finanzminister Yanis Varoufakis erhielt unterdessen Rückendeckung von dem bekannten Investor Mohammed El-Erian. Dieser schrieb in einem Zeitungsartikel, dass es ein Fehler gewesen sei, Varoufakis zur Seite zu schieben. Der Ökonomieprofessor hätte als einziger den Mut gehabt, das Dilemma beim Namen zu nennen. Er habe völlig richtig gesagt, dass Griechenland seine Schulden niemals werde zahlen können. El-Erian hält es für denkbar, dass Varoufakis wieder in die erste Reihe zurückkehrt. Er könnte nach einem Crash in Griechenland die Aufgabe wahrnehmen, die griechischen Staatsfinanzen von Null aufzubauen.

In der Zwischenzeit hoffen die Euro-Retter und die Griechen, dass die europäische Zentralbank (EZB) helfen könnte, die kommenden Wochen zu überbrücken. In dieser Woche werden die Kriterien für die Notfallkredite für die griechischen Banken verhandelt. Die EZB ist jedoch eher geneigt, die Lage zu verschärfen. So will die EZB die Werthaltigkeit der griechischen Sicherheiten in noch geringerem Umfang als bisher akzeptieren, meldet die Zeitung Kathimerini.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...