Politik

Nervosität in Brüssel: EU sieht Einigungs-Werk in Gefahr und attackiert London

Die EU will gegen den britischen Wahlsieger David Cameron Härte demonstrieren: Die Pläne der Briten, als falsch erkannte Entscheidungen rückgängig machen zu wollen, setze die "Grundpfeiler des europäischen Einigungswerks aufs Spiel", erklärte ein SPD-Politiker. Das dürfte die im Kern euroskeptischen britischen Konservativen wenig beeindrucken.
09.05.2015 01:30
Lesezeit: 1 min

Der Wahlsieg David Camerons sorgt in Brüssel für erhebliche Nervosität. Mit Blick auf Ankündigungen des Konservativen, bis Ende 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU abzuhalten, forderten Spitzenpolitiker eine klare proeuropäische Politik seiner künftigen Regierung. Gleichzeitig räumen sie verhalten ein, dass es im Gegenzug Zugeständnisse auch der EU bei britischen Reformforderungen geben könnte.

«Eine bessere EU ist nicht nur im Interesse Großbritanniens, sondern im Interesse von jedem Mitgliedstaat», kommentierte beispielsweise EU-Ratspräsident Donald Tusk in einem Glückwunschschreiben an Cameron. Er stehe bereit, um die neue britische Regierung dabei zu unterstützen, für einen Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU zu werben.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ließ ankündigen, Cameron bald treffen zu wollen. Mit Blick auf das angekündigte Referendum erinnerte ein Sprecher an frühere Aussagen Junckers, wonach dieser für eine «faire Abmachung» mit London eintrete. Juncker hatte gesagt, die Kommission sei bereit, mögliche Wünsche und Vorschläge aus London zu prüfen. Als rote Linie gilt dabei allerdings die in den EU-Verträgen verankerte Personenfreizügigkeit. Sie ermöglicht es EU-Bürgern unter anderem, in einem anderen EU-Land Arbeit zu suchen.

Ähnlich äußerte sich auch der Fraktionsvorstand der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU). «Er (Cameron) muss seine Forderungen auf den Tisch legen, allerdings sind die Grundfreiheiten Europas nicht verhandelbar», kommentierte der Politiker. Es sei durchaus überlegenswert, ob nicht die Zeit für eine größere Vertragsreform gekommen sei.

Der SPD-Europaabgeorndete Udo Bullmann warf Cameron hingegen vor, er habe sich von den «europaskeptischen Krawallmachern» um UKIP-Chef Nigel Farage nicht nur den politischen Kurs diktieren lassen, sondern auch sein Land in die europa- und außenpolitische Isolation manövriert. Zur Forderung des Briten, den Zugang von EU-Bürgern zum britischen Sozialsystem einzuschränken, kommentierte Bullmann: «Aus innenpolitischem Kalkül einen der Grundpfeiler des europäischen Einigungswerks aufs Spiel zu setzen, ist verantwortungslos.»

Der Vorsitzende der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer, forderte die europäische Politik auf, dem Wahlsieger die Grenzen aufzuzeigen. «Brüssel und die anderen Hauptstädte sollten Cameron in aller Ruhe klarmachen, dass er in der Brexit-Frage kein Erpressungspotenzial besitzt, weil man nun einmal mit Selbstverstümmelung nicht drohen kann», kommentierte der Europaabgeordnete.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik AfD Ausschussvorsitz: Schwarz-Rot verhindert AfD-Politiker - Alle sechs AfD-Kandidatin scheitern
22.05.2025

In sechs Ausschüssen des Bundestags hat die Partei „Alternative für Deutschland“ ein Vorschlagsrecht. Wie die SPD haben CDU und CSU...

DWN
Finanzen
Finanzen Erfolgreich in Kunst investieren: Warum Gemälde, Märkte und NFTs neue Anlagechancen bieten
22.05.2025

Wenn Aktien schwanken und Märkte auf Sicht fahren, wird Kunst zur strategischen Alternative. Wie Gemälde, Sammlerstücke und digitale...

DWN
Politik
Politik Russisches Schatten-Schiff vor Polens Küste: NATO greift ein
22.05.2025

Ein russisches Schiff kreuzt verdächtig nahe eines NATO-Kabels in der Ostsee – dann greift ein Bündnisstaat ein. Was steckt hinter dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ohne Bürokratieabbau, kein Handwerk: KMU geben Politik klare Handlungsempfehlung für Bürokratieabbau
22.05.2025

Rund 75 Arbeitstage pro Jahr verlieren Betriebe im Handwerk an produktiver Zeit durch Bürokratie. Eine Studie der Handwerkskammer Dresden...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Briefträger als Beamter? Post, Telekom, Postbank haben noch tausende verbeamtete Mitarbeiter
22.05.2025

Wer Beamter ist, arbeitet für den Staat – oder? Das stimmt zwar in den allermeisten Fällen. Doch es gibt Ausnahmen: Mancher Beamter ist...

DWN
Panorama
Panorama Schüsse in Washington: Zwei Mitarbeiter der Israels Botschaft in den USA erschossen
22.05.2025

Zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Washington sind am Mittwochabend gegen 21 Uhr Ortszeit durch Schüsse in der Nähe des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Automobilindustrie will nicht mehr in Deutschland investieren: Autozulieferer legen Investitionen auf Eis
22.05.2025

Laut einer Umfrage des Verbands der Automobilindustrie (VDA) wollen mehr als drei Viertel der Zulieferer (76 Prozent) ursprünglich in...

DWN
Politik
Politik China spielt Schach, Trump wirft mit Steinen – Nobelpreisträger Stiglitz kritisiert US-Präsident Trump
22.05.2025

Joseph Stiglitz, Ex-Berater von Präsident Bill Clinton und früherer Chefökonom der Weltbank, warnt vor Trumps Wirtschaftspolitik: Die...