Politik

Ost-Europäer laufen bei Klimaschutz zu Russland über

Der EU droht beim Klimaschutz eine Blamage: Mehrere Staaten aus Osteuropa wollen sich Russland anschließen. Die Russen wenden eine Berechnung an, die den Osteuropäern entgegenkommt, weil sie weniger streng ist.
18.05.2015 02:51
Lesezeit: 2 min

Russland hat im April seine Zielvorgaben für die Reduzierung der CO2-Emissionen präsentiert. Als Basis für die im Dezember in Paris anstehenden Klima-Verhandlungen nennt Moskau das Jahr 1990. Auch andere ehemalige Ostblockstaaten, wie etwa Polen, drängen darauf, als Bezugspunkt für die Einsparungen das Ende des Ostblocks heranzuziehen. Der Grund: In diesen Jahren lagen die Ausstoßmengen infolge ineffizienter Anlagen weit über den Abgasmengen der Folgejahre. Da nach 1990 ein in großem Stil alte, ineffiziente Anlagen abgeschaltet wurden, hätten die ehemaligen Ostblockstaaten schon automatisch große Erfolge, die sie einrechnen könnten. Polen, Ungarn sowie weitere Länder könnten sich in Paris, auf die Seite Russlands schlagen. Das würde eine gemeinsame EU-Position torpedieren.

Die Verhandlungen in Paris dürften daher trotz des Dezemberwetters heiß werden. Um die globale Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken, soll ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll von 1997 verabschiedet werden, das die CO2-Emissionen ab 2020 nachhaltig reduziert und das die Energiegewinnung aus Kohle und Öl bis 2050 verbietet. Die EU hat sich laut der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) Anfang März dazu verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, so UNFCCC. Im Vorfeld hatte es Debatten um die genauen Details, etwa auch das Bezugsjahr, gegeben.

Auch Russland hat Anfang April seine Vorschläge für das gemeinsame Papier in die französische Hauptstadt geschickt. Christiana Figueres, Vertreterin der UNFCCC, nannte dies in einer Pressemitteilung einen wichtigen Schritt, den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu reduzieren. Mit dem russischen Papier haben insgesamt 35 industrialisierte Länder, darunter u.a. die EU-Mitgliedsstaaten und die USA, ihre Zielvorgaben für ein Klimaschutzabkommen dargelegt. Die Selbstverpflichtungen decken 80% der weltweiten Ausstoßmenge ab.

Russland schlägt vor, bis 2030 zwischen 25 und 30 Prozent seiner Emissionen herunterzufahren. Der entscheidende Unterschied: Als Ausgangsbasis wird das Jahr 1990 herangezogen, in dem Russland mit ineffizienten Anlagen noch weit höhere Ausstoßmengen hatte als in den Jahren danach, in denen diese Anlagen Stück für Stück erneuert wurden. Russland beharrt darauf, es könne seine Klimaziele nur dann sicher erreichen, wenn als Basis für die Reduktion der Industrieabgase die Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion zugrunde gelegt werde.

Der russische Vorstoß sorgt für Diskussionen: Deutschland drängt immer wieder auf strenge Klimaschutzvorgaben. Im Kyoto-Protokoll war es osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Polen, Rumänien und Slowenien aber erlaubt worden, als Berechnungsgrundlage die Jahre 1986 bis 1990 anzusetzen. Von dieser Regelung profitierte auch das vereinte Deutschland. Allerdings gibt es in der EU, vor allem seitens der Grünen, Forderungen, das Basisjahr der Ausstoßmenge auf 2005 anzuheben. Mehrere ehemals kommunistische Länder Osteuropas, allen voran Polen, opponieren gegen eine Anhebung. „Damit würden all ihre bereits erzielten Erfolge bei der CO2-Reduzierung geschmälert“, stellt auch David Buchan vom Oxford Institute for Energy Studies in einer Studie klar.

Artur Gradziuk vom Polish Institute of International Affairs sagte, Polen habe Bedenken, dass die EU als Trendsetter in der Klimapolitik vorprescht, und dass unausgewogene Zusagen in einem globalen Klimaabkommen die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Staaten untergraben könnten, so die Global Energy Initiative. Polen produziert rund 90 Prozent seines Stroms aus fossilen Energien und setzt auf Kohlekraftwerke. Strenge Ausstoßbeschränkungen führen daher über den europäischen Emissionshandel (EU Emissions Trading System; ETS) in Polen zu einem immensen Anstieg der Energiepreise, so die Befürchtungen Warschaus. Der Moskauer Vorstoß hat das Potenzial, eine einheitliche EU-Klima-Position zu torpedieren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Wahlen in Polen: Enges Rennen bei der Präsidentschaftswahl in Polen - es kommt zur Stichwahl
18.05.2025

Bei den Wahlen in Polen liefern sich der liberale Rafal Trzaskowski und der konservative Karol Nawrocki laut aktuellen Prognosen ein...

DWN
Politik
Politik „Trump ist nur eine Episode“: Boltons Abrechnung mit dem Mann im Weißen Haus
18.05.2025

Während Europa nervös auf jeden Tweet aus Washington reagiert, warnt Ex-Sicherheitsberater John Bolton: Nicht Trump sprengt die NATO –...

DWN
Technologie
Technologie Cyberkriminalität: Nur ein Klick von der Katastrophe entfernt
18.05.2025

Cyberkriminalität ist zur globalen Supermacht aufgestiegen – mit höherem Schaden als die Volkswirtschaften Deutschlands und Japans...

DWN
Panorama
Panorama Whisky – die stets liquide Luxus-Geldanlage
18.05.2025

Wein, Uhren, Schmuck, Handtaschen, Kunst, Oldtimer – es gibt viele Möglichkeiten, in alternative Geldanlagen zu investieren. Die meisten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Marokko als chinesisches Tor zur EU – doch Handelskrieg könnte Riegel vorschieben
18.05.2025

Peking investiert Milliarden in Marokkos Industrie – doch geopolitische Spannungen und der drohende Protektionismus eines möglichen...

DWN
Politik
Politik Gefängnis, Gericht, Geschichte – Stammheim 50 Jahre nach dem RAF-Prozess
18.05.2025

Vor 50 Jahren begann in Stammheim der RAF-Prozess – ein juristisches Mammutverfahren gegen den Terror. Wie viel Rechtsstaat blieb im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Analyse: „Die alte Weltordnung ist am Ende – und sie wird nicht zurückkehren“
18.05.2025

Das Zeitalter des freien Welthandels ist vorbei – die Welt wird neu vermessen. China produziert, die USA rüsten sich, und Europa...

DWN
Politik
Politik Handelskriege auf Risiko – Trumps russisches Roulette mit der US-Wirtschaft
18.05.2025

Mit Zöllen, Drohungen und Handelskriegen will Washington die Industrie heimholen. Doch was, wenn der Revolver in der Hand des Präsidenten...