Politik

Vogelsterben in Fukushima nimmt dramatische Züge an

Lesezeit: 2 min
15.06.2015 12:29
Die Folgen der Nuklearkatastrophe von 2011 in Japan sind für Vögel verheerender als bislang gedacht. Biologen vergleichen die Situationen in Fukushima und Tschernobyl miteinander und untersuchen die Wirkung der Strahlung auf die Vogelpopulationen.
Vogelsterben in Fukushima nimmt dramatische Züge an

Mehr zum Thema:  
Asien >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Asien  

Nach der verheerenden Tsunami am 11. März 2011 kam es im Kernkraftwerk von Fukushima zur Kernschmelze. Die Umgebung wurde evakuiert. Inzwischen hält sich kein Mensch mehr dauerhaft in der radioaktiv verseuchten Zone um den Meiler auf. So werden Gefährdungen der Bewohner verhindert – den Tieren hat allerdings niemand gesagt, sie sollen fliehen.

Um mehr über die Folgen für die Tierwelt herauszufinden, führten einige Biologen der University of South Carolina unter der Leitung von Tim Mousseau eine großangelegte Zählung durch. Bereits wenige Monate nach der Katastrophe begann das Team mit ersten Untersuchungen der Bestände 57 verschiedener Vogelarten, die in der Gegend brüten. Ihre ersten erschreckenden Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in Journal of Ornithology.

Demnach schrumpften die Arten seit der Katastrophe deutlich im Bestand. Verschiedene Vogelarten reagieren jedoch auch unterschiedlich auf die Strahlung. Einige vertragen die hohen Strahlendosis besser als andere. Außerdem schrumpfen die Bestände in den Gegenden mit höheren Strahlungswerten stärker, hier sind jedoch Unterschiede zwischen den Arten zu beobachten. Darüber hinaus wird die Situation trotz langsam abnehmender Strahlungswerte zunehmend verheerender: Es gibt immer weniger Nachwuchs.

Eine besonderes hart getroffene Spezies ist die Rauchschwalbe. Sie erlitt abhängig von der Strahlendosis große Verluste. Deshalb analysierten die Biologen der University of South Carolina die Daten, die sie bis 2013 über diese Art sammelten. Sie wollten herausfinden, welcher Mechanismus hinter der Abnahme der Population steckt. Wie sie allerdings in einer anderen Studie in Scientific Reports veröffentlichten, fanden die Forscher unter Mousseau keine genetischen Schädigungen als direkte Folge der Strahlendosis.

Dennoch ist eine deutliche Reaktion auf die Strahlung zu beobachten: Populationen schrumpfen und bringen weniger Nachwuchs zur Welt. „Wir arbeiten mit einem relativ kleinen Spektrum an Strahlungswerten, da wir im ersten Sommer nicht in die am stärksten betroffenen Gebiete durften und auch im darauffolgenden Sommer nur in ein paar weniger hart getroffene Areale vordringen konnten“, sagt Mousseau.

„Dadurch haben wir ziemlich begrenzte Möglichkeiten, solche Beziehungen zu erkennen, insbesondere wenn man bedenkt, dass noch so wenige Rauchschwalben übrig sind. Wir wissen, dass in einem bestimmten Gebiet vor der Katastrophe hunderte Rauchschwalben lebten. Nur wenige Jahre später schaffen wir es nicht mehr als einige Dutzend zu finden. Die Rückgänge sind wirklich dramatisch.“

Wir kennen noch einen anderen Ort auf der Welt, dessen Lage mit der in Fukushima vergleichbar sein könnte. Entwicklungen, die in Tschernobyl beobachtet wurden und könnten den Forschern Aufschluss darüber geben, was zurzeit in Fukushima geschieht. Bereits 1986 kam es im ukrainischen Kernkraftwerk zur Kernschmelze. Mousseau, der schon seit 2000 Direktor einer Forschungsinitiative zu den Folgen für das Ökosystem um den Katastrophenort ist, qualifiziert sich denkbar dafür Vergleiche zu ziehen.

Er diskutierte gemeinsam mit seinem langjährigen Forschungspartner Anders Moller vom französischen CNRS in einer anderen Publikation, die Unterschiede der Vogelpopulationen in Fukushima und Tschernobyl. Sie stellten fest, dass die Folgen für Zugvögel in Tschernobyl wesentlich drastischer sind, als für solche Vögel, die das ganze Jahr in einem Gebiet verbringen. Erstaunlicherweise gilt für Fukushima das exakte Gegenteil.

„Diese Ergebnisse suggerieren, dass die in Fukushima gemachten Beobachtungen das direkte Ergebnis der toxisch wirkenden Strahlung ist. Jahresvögel kriegen eine größere Dosis ab, da sie mehr Zeit in den verseuchten Gebieten verbringen. Währenddessen sind in Tschernobyl nach einigen Generationen Zugvögel stärker betroffen, als Jahresvögel. Hier werden Unterschiede in der Anpassungsfähigkeit verschiedener Vögel deutlich“, so Tim Mousseau.

Mousseau geht davon aus, dass Zugvögel kurz nach der Wanderung verringerte DNA-Reparaturkapazitäten haben, da ihre Antioxidans-Konzentration im Blut durch die Anstrengung geringer ist. Deshalb treffe sie die Strahlung härter als bleibende Arten. So hat sich die Lage in Tschernobyl über die Jahrzehnte verändert.

Für Vogelliebhaber gibt es also zurzeit schlechte Nachrichten aus Fukushima. Obwohl die Hintergrundstrahlung in den vergangenen vier Jahren abnahm, wird die Lage für Vögel nur noch dramatischer, denn ihre Anzahl sinkt immer weiter ab.


Mehr zum Thema:  
Asien >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Erdbeer-Saison in Deutschland beginnt - hartes Geschäft mit süßen Früchten
20.04.2024

Geschützt unter Folientunneln sind in Deutschland die ersten Erdbeeren der Saison gereift. Bisher zeichnet sich eine gute Ernte ab - doch...

DWN
Politik
Politik Einigung auf Solarpaket - das sind die Neuerungen
20.04.2024

Ein Maßnahmenpaket soll den Ausbau der Solarenergie in Deutschland beschleunigen. Es geht vor allem um weniger Bürokratie. Einen Bonus...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...