Der griechische Premier Alexis Tsipras hat einen Brief an die Troika geschickt, den man mit Fug und Recht als Unterwerfungsbrief bezeichnen könnte. Im wesentlichen stimmt Tsipras allen Punkten zu, mit einigen kleinen Modifikationen. Unter anderem bittet Tsipras, die Mehrwertsteuererhöhung für einige Inseln nicht umsetzen zu müssen. Dies ist für ihn wichtig, damit er die Koaltion mit der Anel weiterführen kann, die diesen Punkt zur Bedingung gemacht hat.
Der Brief wurde an die FT geleakt. Weniger später meldete FT-Korrespondent Peter Spiegel, dass die Gläubiger noch nicht völlig zufrieden seien. Es gäbe noch eine Lücke von „einigen hundert Millionen Euro“. Das ist aber relativ wenig im Vergleich zum ursprünglichen Dissens.
Natürlich wäre Tsipras ein schlechter Politiker, wenn er nicht einige seiner Zugeständnisse in ziemlich vage Absichtserklärungen gefasst hätte: So soll das umstrittene Privatisierungs-Programm zunächst einer umfassenden Analyse unterzogen werden, bevor der Ausverkauf beginnt. Privatisierungen fordert die Troika seit 2011, geschehen ist wenig – sowohl die sozialistische Pasok als auch die Konservative Nea Dimokratia hatten die Privatisierungen konsequent verschleppt. Die Staatsbetriebe sind für alle Parteien wichtig, weil sie darin ihre Leute unterbringen können und auf diesem Weg das Netzwerk ihrer Macht gesichert wird. Griechenland unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von allen anderen Staaten.
Das Troika-Programm wird Griechenland weiter ins Elend stürzen: Die Erhöhung von Steuern in einer konjunkturellen Krise ist Gift für eine global vernetzte Wirtschaft. In Griechenland sind vor allem die Handelsschifffahrt und der Tourismus von Bedeutung. Beiden wird mit dem Troika-Programm schwerer Schaden zugefügt. Die Folge wird ein weiterer massiver Verlust von Investitionen und Arbeitsplätzen sein. Ökonomen von Krugman bis Stiglitz warnen davor seit Wochen. Doch keiner hört auf sie.
Denn darum geht es den Euro-Rettern nicht. Es geht um die restlose Demontage eines politisch unliebsamen Gegners. Dieser hat nun auch noch zusätzlich den IWF als erbitterten Gegner. Die Nicht-Zahlung des IWF-Kredits war eine beispiellose Blamage für Christine Lagarde, die sich nun natürlich an Tsipras wird rächen wollen. Hier hat Tsipras einen entscheidenden Fehler gemacht: Nun ist Lagarde angeschossen, und verwundete Tiger sind bekanntlich besonders gefährlich. Sein eigentliches Ende hatte Tsipras allerdings schon wenige Wochen nach der Wahl besiegelt. Er musste die Troika als Gesprächspartner akzeptieren. Von da an war er auf verlorenem Posten - wie übrigens jeder andere Regierungschef vor ihm auch.
Die Euro-Retter wollen nämlich sich selbst retten und nicht Alexis Tsipras. Schon seit Wochen hat es Anzeichen gegeben, dass die Troika einen Regimewechsel will. Die Zeitung Kathimerini analysiert am Mittwoch, dass die Euro-Retter Tsipras nicht entgegenkommen wollen, weil sie lieber mit seinem Nachfolger verhandeln wollen.
Daher zieht die Troika die Daumenschraube an und lässt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mitteilen, dass Tsipras noch weiter in die Knie gehen müsse: Der aktuelle Brief von Tsipras „hat aber auch nicht für mehr Klarheit gesorgt“, sagte Schäuble kühl am Mittwoch in Berlin. Es gebe derzeit „keine Grundlage“ für ernsthafte Verhandlungen. „Zunächst muss erst einmal Griechenland Klarheit schaffen, was es denn nun will“, sagte Schäuble. Die Geldgeber seien offen für neue Gespräche.
Die Troika hat nach der Bekanntgabe des Referendums durch Tsipras eine harte Gangart eingeschlagen. Die Amerikaner haben sich nach dem peinlichen Finanzminister-Treffen am Wochenende eingeschalten und eine Lösung verlangt. US-Finanzminister Jack Lew hat am Dienstag mit den Finanzministern Frankreichs und Spaniens telefoniert. Francois Hollande und Barack Obama haben den Druck auf Angela Merkel erhöht. Die Kanzlerin agiert seither als eine Art Zeremonienmeisterin der Demontage der verhassten Syriza-Regierung.
Zunächst hatte die EZB die Regierung veranlasst, die Banken zu schließen. Danach dürfte die Troika Tsipras klargemacht haben, dass es keinen Euro-Austritt Griechenlands geben werde. Die EU hat in ihrem unübersichtlichen und noch durchaus lückenhaften Regelwerk ausreichend Werkzeuge, um das Troika-Programm in Griechenland durchzusetzen.
Die nächste Eskalationsstufe hängt von der EZB ab: Stoppt sie die Notfallkredite ELA, sind Banken-Pleiten unausweichlich. Dann werden die Sparguthaben über 100.000 Euro rasiert. Auch die Kleinsparer müssen zittern, weil der griechische Staat pleite und die Einlagensicherung daher ein wertloses Versprechen ist. Sollten die Griechen ihre Ersparnisse verlieren, dürften die Tage der Regierung Tsipras gezählt sein.
Danach kommt es entweder zu einer Technokraten-Regierung wie vor einigen Jahren mit dem Goldman-Banker Lucas Papademos. Oder das Land versinkt im bürgerkriegsähnlichen Chaos.
Beide Varianten würden das Ende der Ära Tsipras bedeuten. Alexis Tsipras hat in einer Rede an die Nation seine Landsleute erneut aufgefordert, den Troika-Vorschlag abzulehnen. Das wirkt doch alles ziemlich hilflos. Der griechische Premier steht mit dem Rücken zur Wand. Es ist eine Frage von Tagen, bis er fällt.