Politik

USA und Türkei dulden Öl-Schmuggel des Islamischen Staats

Das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) finanziert sich durch illegale Ölverkäufe und nimmt so rund drei Millionen Dollar am Tag ein. Sowohl das Nato-Mitglied Türkei als auch die US-Geheimdienste dulden den Ölschmuggel stillschweigend. Auch britische Konzerne mit engen Verbindungen ins Parlament sind in die Geschäfte der Islamisten verstrickt.
15.08.2015 00:30
Lesezeit: 4 min

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Enge Verbündete der USA und Großbritanniens finanzieren heimlich die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Die Regierung der Autonomen Region Kurdistan (ARK) im Norden des Irak und der türkische Militärgeheimdienst haben den verdeckten IS-Ölschmuggel unterstützt und die Terrorgruppe darüber hinaus mit Waffen und Ausrüstung versorgt. Auch britische Ölkonzerne sind in den illegalen Ölschmuggel des IS involviert.

Eine der Haupteinnahmequellen des IS ist der Öl-Schmuggel. Die Terrorgruppe kontrolliert etwa 60 Prozent der syrischen Ölproduktion und sieben größere Ölfelder im Irak. Über ein Netzwerk aus Mittelsmännern in der kurdischen Regierung und in der Türkei konnte der IS seine Produktion auf 45.000 Barrel Öl pro Tag ausweiten und generiert damit rund 3 Millionen Dollar am Tag. Sowohl die türkische als auch die kurdische Regierung streiten offiziell jede Verbindung zum Ölschmuggel des IS ab. Beide Regierungen haben Maßnahmen ergriffen, um den Ölschmuggel zu stoppen und wurden dabei von der US-Regierung und der britischen Regierung unterstützt. Einige kurdische Mittelsmänner, die am Schwarzmarkt-Handel des erbeuteten Öls beteiligt waren, wurden verhaftet, doch die Korruption auf höchster Regierungsebene bleibt unangetastet, wie der Investigativ-Journalist Nafeez Ahmed auf MiddleEastEye berichtet.

Ahmed bezieht sich auf Aussagen türkischer, kurdischer und irakischer Beamter. Eine anonyme Quelle in der regierenden Partei des Irak, der islamischen Dawa-Partei, bestätigte ihm gegenüber, dass „bedeutende Geheimdienst-Informationen belegen, dass Mitglieder der kurdischen Regionalregierung stillschweigend Öl-Verkäufe des IS auf dem Schwarzmarkt geduldet haben“. Während der Irak-Invasion des IS im letzten Jahr hätten „Mitglieder der kurdischen Regionalregierung und Peschmerga-Milizen den verdeckten IS-Ölschmuggel direkt durch die Autonome Region Kurdistan ermöglicht.“ Auch der MiddleEastMonitor berichtet davon, dass die Peschmerga den Ölschmuggel der Terroristen zunächst gestoppt hätten, die Durchfahrt der Öl-Tanker jedoch wenig wieder erlaubt hätten.

Der Regierung im Irak sind unabhängige Ölverkäufe der kurdischen Regierung ein Dorn im Auge. Deshalb führte die Information, dass die Kurden in den Öl-Schmuggel des IS involviert sind, zu politischen Spannungen. Der damalige irakische Energieminister Hussein al-Shahrestani wollte die Kontrolle über die Ölverkäufe der ARK zurückgewinnen und dem Schmuggel ein Ende setzen, doch er wurde auf Drängen amerikanischer und britischer Diplomaten entlassen. Sein Nachfolger Adel Abdul-Mehdi verfolgt einen deutlich versöhnlicheren Kurs in Bezug auf die kurdische Ölfrage und entspricht damit den Interessen britischer und amerikanischer Investoren in der Region. „Das bedeutete, dass Bagdad auch deutlich laxer mit Beweisen des IS-Öl-Schmuggels umging“, zitiert Nafeez Ahmed den irakischen Offizielle.

Die Türkei, längjähriges Nato-Mitglied und Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS in Syrien, duldet den Öl-Schwarzmarkt des IS. „Die Türken haben ein erbittertes Verhältnis zu den Amerikanern“, so der irakische Offizielle weiter. „Die US-Geheimdienste beobachten diese Schmuggel-Operationen bis ins kleinste Detail. […] Die Amerikaner wissen, was vorgeht. Aber Erdogan und Obama haben kein gutes Verhältnis zueinander. Erdogan macht im Grunde was er will und die USA müssen sich damit abfinden.“ Die Anschuldigungen wurden auch von türkischen Abgeordneten bestätigt, darunter ein hoher Beamter mit Verbindungen zum Büro des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Er bestätigte gegenüber dem MiddleEastEye, dass die Unterstützung der Türkei für islamistische Rebellen im Kampf gegen Assad von entscheidender Bedeutung für den rasanten Aufstieg des IS war.

„Die Türkei spielt ein doppeltes Spiel mit ihrer Syrien-Strategie“, so der türkische Offizielle. „Das Ausmaß der IS-Schmuggel-Operationen über die türkisch-syrische Grenze ist enorm, und vieles davon geschieht mit der Zustimmung von Erdogan und Davutoglu, die in den Islamisten eine Möglichkeit sehen, den türkischen Einfluss in der Region auszudehnen.“ Bereits vor einem Jahr sagte der türkische Abgeordnete Ali Ediboglu gegenüber Al-Monitor, dass bereits Öl im Wert von mehr als 800 Millionen Dollar in die Türkei geschmuggelt wurde, um es dort weiterzuverkaufen. Die Luftangriffe der Türkei auf Stellungen des IS bezeichnete der Informant als „zu geringfügig und zu spät“. Sie würden nicht auf die gesamte Infrastruktur des IS abzielen, sondern nur einige ausgewählte Ziele ins Visier nehmen.

Eine Analyse britischer Wissenschaftler, darunter der ehemalige Chef-Stratege von Royal Dutch Shell und Professor der Greenwich Universität Alec Coutroubis, hat die Schmuggel-Routen des IS unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Öl-Transporte im Südosten der Türkei „in  Adana enden, wo der große Tanker-Hafen Ceyhan beheimatet ist“. Die Wissenschaftler verglichen Ausschläge in den Frachtraten von Ceyhan mit der Aktivität des IS. Immer wenn die Islamisten „in Regionen mit hohen Ölvorkommen kämpfen, erreichen die Exporte von Ceyhan einen Höchststand“, schreiben die Autoren. Dies deute auf eine „illegale Lieferkette“ hin, die das Öl der Terroristen von Ceyhan in die globalen Märkte verschiffe. Zudem kritisierten die Forscher, dass US-Luftschläge bisher nicht auf die Öl-Transporter oder die besetzten Öl-Felder abzielen würden, weshalb der Schmuggel ungehindert weitergehen würde.

Das kurdische Unternehmen The Nokan Group steht im Verdacht Ölverkäufe für den IS in die Türkei abzuwickeln. Das Firmenkonglomerat befindet sich unter der Kontrolle der irakischen Partei „Patriotische Union Kurdistans“ (PUK). In einem Brief an das Management beklagte der ehemailge US-Botschafter Mark D. Wallace, dass das Unternehmen Öl aus der vom IS kontrollierten Baiji-Raffinerie nördlich von Tikrit durch die kurdische Region transportiere. Er forderte die Manager des Unternehmens auf, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen, doch weder das Unternehmen, noch die US-Behörden reagierten auf den Appell.

Der britisch-türkische Ölkonzern Genel Energy hat von der kurischen Regierung den Auftrag erhalten, die Raffinerien der Nokan Group mit Öl zu versorgen. Die Firma wird vom ehemaligen BP-CEO Tony Hayward geführt und genießt die volle Unterstützung britischer Parlamentarier. Einem Bericht des britischen Unterhauses zufolge ist Genel Energy die einzige britische Firma, die in die Region Kurdistan investiert hat. Die Region verfüge neben gigantische Gasreserven über rund 45 Milliarden Barrel Ölvorkommen und befinde sich damit in einer Liga mit Libyen und Nigeria. Dadurch sei die Region von Interesse für „Exxon, Chevron, Repsol, Total, the lokalen Konzern KAR, und die britisch-türkische Firma Genel Energy“, heißt es in dem Bericht weiter.

Genel Energy ist eng mit einer Gruppe britischer Parlamentarier verflochten, die langjährige Verbindungen zur britischen und kurdischen Ölindustrie unterhalten. So hielt beuspielsweise der konservative Abgeordnete Nadhim Zahawi bis vor kurzem sogar Anteile an der Firma und profitierte damit direkt vom Ölschmuggel in der kurdischen Region. Diese Verbindungen werfen die Frage auf, ob die indirekte Finanzierung einer Terrorgruppe durch britische Ölkonzerne den sogenannten „Krieg gegen den Terror“ nicht fundamental untergräbt.

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