Finanzen

Allianz-Ökonomen warnen: Das Börsen-Chaos wird anhalten

Trotz einer Zinssenkung in China und guten Unternehmenswerten in den USA ist keine Erholung an den Börsen absehbar. Der Chef-Ökonom der Allianz und ehemalige PIMCO-Chef El-Erian sieht darin massive Probleme für den bereits angeschlagenen Markt: Da es durch die Zentralbanken keine Stabilisierung gibt, wird der Markt unvermeidbar weiter ins Chaos stürzen.
27.08.2015 00:03
Lesezeit: 3 min

Der ehemalige PIMCO-Chef und derzeitige Chef-Ökonom der Allianz Mohamed El-Erian warnt vor weiteren Verwerfungen am Aktienmarkt. El-Erian hält es für bedenklich, dass sich die US-Börsen auch angesichts guter Konjunktursignale, einer Aufholjagd an Europas Börsen und der geldpolitischen Maßnahmen der chinesischen Zentralbank nicht erholt haben. Die Märkte würden zusehends das Vertrauen verlieren, dass die Zentralbanken die Lage noch kontrollieren könnten. Stattdessen steht ihnen eine schmerzhafte Korrektur bevor, so der ehemalige PIMCO-Chef.

Der heutige Verlust war besonders besorgniserregend, weil er auf ein scheinbar perfektes Setup folgte: (I) Stabilisierung der asiatischen Börsen (außerhalb Chinas), (II) geldpolitischer Stimulus der chinesischen Zentralbank PBOC, (III) ein starker Kursanstieg in Europa, und (IV) eine solide Start- und Mittelphase der US-Märkte. Aber all das hatte am Ende wenig Bedeutung, als der Dow nach seinem Rekord-Verlust weiter nach unten fiel. Zusammen mit anderen US-Indices beendete er den Tag mit einem erheblichen Minus“, so El-Erian auf seinem Facebook-Profil.

Der US-Aktienmarkt startete nach seinem Rekordverlust am Montag am folgenden Handelstag zunächst mit weiteren Abverkäufen. Es folgte eine kurze Phase der Erholung, die dem Leitindex ein zwischenzeitliches Plus von 2,5 Prozent im Vormittagsgeschäft einbrachten. Angetrieben wurde die Aufholjagd von einer überraschenden Zinssenkung in China und der Hoffnung, dass die Federal Reserve eine Zinserhöhung im September angesichts der Marktturbulenzen aufschieben könnte. Zudem wirkten die leicht anziehenden Rohstoff-Preise positiv auf den Handel an der Wall Street.

Doch die Verkäuferseite ahnte schnell, dass die Erholung kein Fundament hatte und nicht von Dauer sein würde. Auch positive Konjunkturdaten und ein überraschend positives Konsumklima konnten die Verkaufswelle nicht bremsen. Auf den sogenannten „Dead-Cat-Bounce“ – eine kurzfristige, aber nicht anhaltende Erholung der Aktienkurse – folgte ein weiterer Abverkauf, der dem Dow Jones Industrial am Ende ein Tagesminus von 1,29 Prozent bei 15.666,44 Punkten bescherte. Das ist der tiefste Stand seit mehr als 18 Monaten und weitet den Verlust der letzten fünf Handelstage auf mehr als 10 Prozent aus. Auch der S&P-500-Index fiel um 1,35 Prozent auf 1867,62 Punkte. Der Technologie-Index Nasdaq büßte 0,55 Prozent ein und verblieb bei 4016,32 Punkten.

Dieser Verlust wird zwangsläufig weiteren technischen Schaden in einem Markt anrichten, der ohnehin sehr zaghaft war. […] Und es wird das Vertrauen der Marktteilnehmer untergraben, dass die Zentralbanken die Macht haben, die Volatilität zu unterdrücken“, so El-Erian weiter. „Ohne einen externen Stabilisator, bleibt dem Markt nichts anderes übrig, als nach einem internen Stabilisator zu suchen – wahrscheinlich durch einen unvermeidbaren stark schwankenden Preisfindungs-Prozess.“

Die Volatilität bleibt auch im deutschen Aktienhandel weiterhin hoch. Der deutsche Leitindex DAX, der am Dienstag noch fünf Prozent gewonnen hatte und somit wieder über der 10.000-Punkte-Marke lag, geriet am Mittwoch erneut unter Druck. Die anhaltende Nervosität der US-Börse belastete den DAX dabei ebenso wie schlechte Werte aus China. Dort konnten die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank die Anleger an der chinesischen Börse nur kurzzeitig besänftigen. Schon am Mittwoch sah sich die Zentralbank dazu gezwungen, den heimischen Bankensektor mit kurzfristigen Krediten zu stützen. Einige Investoren werteten dies als ein Indiz dafür, dass die Effekte Zinssenkung bereits verpufft sind, und reagierten erneut mit Abverkäufen. Der Leitindex der Börse Shanghai drehte kurz vor Handelsschluss ins Minus und verlor 1,3 Prozent. Auch der DAX verlor am Mittwoch zunächst 1,7 Prozent und fiel auf 9954 Zähler. Doch im Laufe des Handelstages wurde die 10.000er-Marke zurückerobert.

Währenddessen hat die Suche nach einem Schuldigen für die weltweiten Börsenturbulenzen begonnen. China weist dabei jegliche Verantwortung zurück und schiebt die Kursverluste vom Montag auf die bevorstehende Zinserhöhung der Federal Reserve. In den USA werden die Ereignisse dagegen völlig anders bewertet: Der Experte für Währungskriege, Jim Rickards, die Yuan-Abwertung der Chinesen als eine Art „finanzielles Pearl Harbour“. China habe mit seiner Maßnahme bewusst den Währungskrieg verschärft. Neben den herben Verlusten am Aktienmarkt kommt nach Meinung des ehemaligen Chefs der Federal Reserve Alan Greenspan zudem noch eine Blase am US-Anleihenmarkt hinzu.

„Wir haben eine bevorstehende Blase am Anleihenmarkt. Wenn wir lediglich die Struktur des Aktienkapitals austauschen und wir die Preise von Anleihen nehmen und statt der erwarteten Aktienrendite die erwarteten Zinsrenditen heranziehen, dann ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis eine außerordentlich instabile Position. Und um schließlich zu bestimmen, wohin es geht, muss man nur zurück in die Geschichte blicken und sich fragen, was der normale Zinssatz ist“, so Greenspan in einem Interview mit Bloomberg.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Berge, Natur und ganz viel ROBINSON Flair – die perfekte Auszeit in den Alpen.

Manchmal ist das Gute so nah. Keine lange Anreise, kein Jetlag – und trotzdem diese einzigartige Mischung aus Freiheit, Erholung und...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Umzug: Wer zieht wann um und warum?
24.03.2025

Wann ziehen junge Leute im Durchschnitt aus dem Elternhaus aus und wieviel Prozent kehren vorübergehend zurück ins gemachte Nest? Eine...

DWN
Panorama
Panorama Privatpatienten: Ist die Bevorzugung bei der Terminvergabe nur ein Mythos?
24.03.2025

Die Terminvergabe beim Arzt stellt für viele gesetzlich Versicherte eine Herausforderung dar. Lange Wartezeiten sorgen für Frust. Der...

DWN
Panorama
Panorama Seltene Erden: Weltwirtschaft bleibt abhängig von China
23.03.2025

US-Präsident Donald Trump möchte seltene Erden gern in der Ukraine oder Grönland abbauen und so die Dominanz Chinas brechen. Doch einer...

DWN
Panorama
Panorama Parsberg: Messerattacke auf einer Feier in der Oberpfalz endet tödlich
23.03.2025

Auf einer Veranstaltung unter freiem Himmel mit mehreren Hundert Teilnehmern in Parsberg kommt ein Mann ums Leben. Die Hintergründe der...

DWN
Politik
Politik Grenzkontrollen: Mehr Beschwerden wegen „Racial Profiling“ durch Bundespolizisten?
23.03.2025

Seit an deutschen Grenzen stationär kontrolliert wird, gehen beim Polizeibeauftragten des Bundes vermehrt Beschwerden ein. Unter anderem...

DWN
Finanzen
Finanzen Tolles Investment für dich … – so wehren Sie sich charmant gegen Geldjäger
23.03.2025

Fast jeder kennt es: Ein alter Bekannter taucht plötzlich auf – mit einem „exklusiven“ Investment-Angebot nur für Freunde. Sei es...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Diese neuen Pflichten kommen auf Händler zu
23.03.2025

Ab Juni 2025 müssen Online-Shops barrierefrei sein – sonst drohen Abmahnungen und hohe Bußgelder. Doch was genau bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zollexperte: „Kurzschlussreaktionen wären jetzt fatal“
23.03.2025

Donald Trump setzt auf Strafzölle gegen europäische Importe. Besonders Mittelständler stehen unter Druck. Ewald Plum, Zollrechtsexperte...