Die USA und Großbritannien sind uneins darüber, wie sie China behandeln sollen. „Es gibt eine Binsenweisheit für die Gestaltung der Beziehungen mit China: Wenn sie dem chinesischen Druck nachgeben, wird dies unweigerlich zu noch mehr chinesischem Druck führen“, zitiert die Financial Times den Chef der Asien-Abteilung der Eurasia Group, Evan Medeiros. In diesem Zusammenhang spiele London „ein gefährliches Spiel taktischer Gefälligkeiten“, um daraus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen, die schlussendlich zu größeren Problemen statt Vorteilen führen werden.
Während sich die USA im Konkurrenzkampf zu China befinden und das Land sowohl wirtschaftlich als auch militärisch zügeln wollen, sind der britische Premier David Cameron und sein Finanzminister George Osborne darauf aus, chinesische Investitionen anzuziehen und den bilateralen Handel voranzutreiben. Washington stuft Londons Vorstoß als „wirtschaftliche Appeasement-Politik“ ein. „Was uns besonders beunruhigt ist die Botschaft, dass wirtschaftliche Kooperation das einzige Maß ist, woran sich das Vereinigte Königreich in seinen Beziehungen mit China orientieren möchte“, sagt der Analyst für Außenpolitik an der Brookings Institution in Washington, Tom Wright.
Das britische Außenministerium hingegen weist diesen Vorwurf zurück. Die außenpolitischen Prinzipien des Königreichs werden nicht den wirtschaftlichen Interessen unterworfen, heißt es in einer Mitteilung. Großbritannien werde auch weiterhin engagiert bleiben, wenn es beispielsweise um Menschenrechtsfragen in China geht. Bereits im März gab es Spannungen zwischen den USA und Großbritannien. US-Präsident Barack Obama warf den Briten eine Politik der „konstanten Gefälligkeiten“ gegenüber China vor. Die Amerikaner waren besonders erbost darüber, dass Großbritannien sich der chinesischen Entwicklungsbank AIIB anschloss, die als Konkurrent der Weltbank agiert. „Wir haben uns insbesondere darüber aufgeregt, dass dieser Entschluss ohne eine vorherige Konsultation mit den USA getroffen wurde. Großbritannien hat nicht nur die USA, sondern auch die G7 hintergangen“, so ein ehemaliger Beamter der US-Regierung.
Der ehemalige CIA-Mitarbeiter Chris Johnson rät Großbritannien im Umgang mit China zur Vorsicht. „China folgt dem Credo von Mao Zedong, wonach die Landschaften eingenommen werden müssen, um die Städte zu erobern“, so Johnson. Damit weist er auf die Auslandsinvestitionen von chinesischen Konzernen in strategisch wichtigen und kritischen Branchen hin. So darf der chinesische Technologiekonzern Huawei seit kurzem in Großbritannien investieren. Doch in den USA wird der Konzern mit Argwohn beäugt. Zudem sollen chinesische Konzerne ein Drittel an einem britischen Atomprojekt erwerben.
Patrick Cronin vom Center for a New American Century sagt, dass Großbritannien das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und der nationalen Sicherheit wahren müsse. Schließlich konzentrieren sich chinesische Investitionen vor allem auf die Bereiche Energie, Telekommunikation und Finanzwesen. „Es gibt eine wachsende Besorgnis in Washington über Chinas Absichten im Hinblick auf die Vertiefung seiner Beziehungen mit unserem wichtigsten Verbündeten Großbritannien (…) Die Chinesen schmeicheln sich den Weg in das innere Heiligtum der britischen nationalen Sicherheit durch ihre Investitionen ein“, so Cronin.
Ein Mitarbeiter des US-Kongresses sagt, dass Großbritanniens Vorstoß als Distanzierung von internationalen Normen gesehen werde. Dabei sei das Bekenntnis zu diesen Normen angesichts der Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer besonders wichtig. „Wenn dies der neue Gleitpfad des Vereinigten Königreichs sein sollte, der zur Hollandisierung des Königreichs führen würde, wären wir gezwungen, nicht nur in Bezug auf Asien, sondern auch in anderen Bereichen unsere Haltungen zu überdenken“, so der Mitarbeiter. Der Begriff „Hollandisierung“ bezieht sich auf die Niederlande des 17. Jahrhunderts, die sich damals selbst isolierte.
Die USA sind offenbar entschlossen, die Entstehung einer Allianz zwischen Großbritannien und China mit allen Mitteln zu verhindern.