Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ungeachtet der mehrheitlichen Ablehnung zu ihrer Politik ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik bekräftigt. Sie sei entschlossen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, sagte Merkel am Freitag in einem Grußwort an eine Parteiverstanstaltung in Saarbrücken.
Merkel ist nicht bereit, eine konkrete Obergrenze für die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge zu nennen. „Obergrenzen kann ich nicht einseitig definieren», sagte sie am Freitag im ZDF: «Was wir in Deutschland nicht können, ist, einseitig fest(zu)legen: wer kommt noch, wer kommt nicht.“ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hatten zuvor Forderungen nach Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen wiederholt.
Auf die Frage, ob ihr mittlerweile vielkritisierter Satz „Wir schaffen das» noch gelte, sagte die Kanzlerin: „Ich glaube, wir müssen trotzdem daran arbeiten, dass wir das schaffen, und ich habe keinen Zweifel, dass wir es schaffen.“ Deutschland werde die Flüchtlingskrise aber nicht alleine bewältigen. Ihre größte Enttäuschung in der Krise sei, dass es in der EU so schwierig sei, eine faire Lastenverteilung zu erreichen. Zugleich versetzte sie Wolfgang Schäuble einen Seitenhieb und sagte, das Wort Lawine entspreche nicht der Art, wie sei denke.
In der konkreten Flüchtlingspolitik verliert Merkel immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung. Dem ZDF-Politbarometer zufolge bewertet eine Mehrheit von 52 Prozent der Deutschen ihre Arbeit in der Flüchtlingskrise als eher schlecht und nur 43 Prozent als gut. Allein seit Samstag kamen nach Angaben der Bundespolizei fast 50.000 Menschen nach Deutschland, seit Monatsanfang waren es rund 105.000.
Merkel sagte, es gehe darum, durch die Sicherung der EU-Außengrenzen, die Kooperation mit Ländern wie der Türkei und die Bekämpfung der Fluchtursachen dazu beizutragen, dass die Zahl der Flüchtlinge wieder zurückgehe. Sie wolle sicherstellen, dass auch künftig innerhalb der EU die volle Bewegungsfreiheit herrschen könne.
Merkel stellt sich damit gegen die CDU, deren Mittelstands-Vereinigung und Parlamentsgruppe einen Kurswechsel ebenso fordert wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der Koalitionspartner CSU.
In der Berliner Szene wird in diesem Zusammenhang bereits von einem „Putsch“ gegen Merkel gesprochen: Der Chefredakteur des Magazins Cicero, Christoph Schwennicke, sagte im ZDF am Donnerstag: „De Maizière und Schäuble sind ganz klar anderer Meinung als Frau Merkel. Sie greifen der Kanzlerin ins Lenkrad, weil sie den Eindruck haben, sie fährt in die falsche Richtung. Der Putsch hat in der Sache stattgefunden. Er findet im Moment statt.“
In der Debatte über die Rückkehr zum sogenannten Dublin-Verfahren hat Merkel allerdings bereits eingelenkt. Dies sei „ein Schritt, um zu einer fairen Lastenverteilung“ in der EU zu kommen, sagte Merkel am Freitag nach einem Gespräch mit dem australischen Premierminister Malcolm Turnbull in Berlin. Die Länder an den EU-Außengrenzen könnten die „Last“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen nicht alleine tragen, doch zugleich könnten diese „auch nicht die Last weniger teilen“. Merkel hob hervor, es gebe auf diesem Weg „noch viele Hürden zu überwinden“. Es müsse gelingen, wie beschlossen 160.000 Flüchtlinge aus südlichen EU-Staaten in der Europäischen Union zu verteilen. Mit Blick auf die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge sagte die Kanzlerin, das Dublin-Verfahren gelte für all die, bei denen eine Registrierung in einem anderen EU-Land erfolgt sei. Eine solche Registrierung sei derzeit „leider“ an den EU-Außengrenzen „viel zu selten der Fall“. Daher sei die Zahl der betroffenen Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, „ja auch gering“.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mit den Dublin-Regeln er dafür sorgen, dass syrische Flüchtlinge soweit wie möglich in andere EU-Länder zurückgeführt werden. Das überlastete Griechenland ist davon ausgenommen. Nach dem Dublin-Abkommen ist für das Asylverfahren der EU-Staat zuständig, in dem der Flüchtling zuerst registriert wurde. Die Kanzlerin bekräftigte zudem, dass die EU-Außengrenzen besser geschützt werden müssten. Die wenigen Kilometer Meeresweg zwischen der Türkei und dem EU-Land Griechenland seien derzeit „in der Hand von Schleppern und Schmugglern“. Dies solle „in Kooperation mit der Türkei“ geändert werden. Merkel sah dies auf einem guten Wege.