Politik

Europarat fordert von Frankreich Garantien für Bürgerrechte

Der Europarat ist wegen des verlängerten Ausnahmezustands in Frankreich besorgt. In einem Brief an Präsident Hollande fordert der Europarat Garantien für die Einhaltung grundlegender Freiheiten. Die französische Justizministerin ist am Mittwoch aus Protest gegen die Einschränkungen der Bürgerrechte zurückgetreten.
27.01.2016 15:33
Lesezeit: 2 min

Der Europarat ist besorgt über die geplante Verlängerung des Ausnahmezustands in Frankreich. Die Ausnahmerechte, die den staatlichen Exekutivorganen mit dem Ausnahmezustand eingeräumt werden, brächten "Risiken" mit sich, hieß es in einem Schreiben von Europarat-Generalsekretär Thorbjörn Jagland an den französischen Präsidenten François Hollande. Er bezog sich dabei insbesondere auf Hausdurchsuchungen und Hausarreste.

Das französische Präsidialamt hatte angekündigt, der vorerst bis zum 26. Februar geltende Ausnahmezustand solle um drei Monate verlängert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf solle dem Kabinett Anfang Februar vorgelegt werden. Der Ausnahmezustand war nach den Anschlägen vom 13. November in Paris mit 130 Toten verhängt worden.

Der Ausnahmezustand räumt den Behörden umfassende Befugnisse ein, darunter nächtliche Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Versammlungsverbote und Hausarrest für mutmaßliche Gefährder.

Jagland äußerte sich auch zu den in Frankreich debattierten Reformen des Verfassungs- und Strafrechts. Diese müssten "die notwendigen Garantien hinsichtlich der Einhaltung grundlegender Freiheiten enthalten", mahnte er. Der Europarat verfolge auch aufmerksam die Debatten über Möglichkeiten zur Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft. Der Europarat umfasst 47 Staaten und wurde 1949 gegründet. Sein Schwerpunkt liegt auf der Sorge um die Einhaltung der Menschenrechte und der friedlichen Zusammenarbeit zwischen den Nationen.

Die französische Regierung hatte Ende Dezember eine Verfassungsreform auf den Weg gebracht, mit der es ermöglicht werden soll, gebürtigen Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft den französischen Pass zu entziehen, wenn sie in einem Terrorverfahren rechtskräftig verurteilt wurden. Spitzenpolitiker der regierenden Sozialisten brachten Anfang Januar zudem die Möglichkeit ins Gespräch, rechtskräftig Verurteilten den französischen Pass sogar dann zu entziehen, wenn sie keine zweite Staatsbürgerschaft haben.

Frankreich informierte den Europarat Ende November darüber, dass es die Europäische Menschenrechtskonvention teilweise aussetze. Paris berief sich auf Artikel 15 der Konvention. Demnach können Unterzeichner von den darin enthaltenen Verpflichtungen "abweichen", wenn "das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht" wird und die Lage im Land dies "unbedingt erfordert".

Auch Justizministerin Christiane Taubira ist wegen der restriktiven Maßnahmen besorgt und hat aus Protest persönliche Konsequenzen gezogen: Die Ministerin reichte am Mittwochmorgen bei Präsident François Hollande ihren Rücktritt ein, der daraufhin den sozialistischen Abgeordneten Jean-Jacques Urvoas zu Taubiras Nachfolger ernannte. Im Laufe des Tages will Premierminister Manuel Valls im Parlament den Text zur Verfassungsreform präsentieren, die Taubira in Teilen kritisiert hatte.

Die 63-jährige Taubira wurde bei den regierenden Sozialisten geschätzt, aus den Reihen der konservativen Opposition jedoch für ihre Politik stark kritisiert. Von rechtsextremer Seite sah sich die Politikerin immer wieder auch rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. "Manchmal bedeutet Widerstand zu bleiben", manchmal bedeute er aber auch "zu gehen", um sich selbst treu zu bleiben, erklärte Taubira im Internetdienst Twitter zu ihrem Rücktritt.

Wie aus dem Umfeld von Hollande verlautete, stand der Rücktritt von Taubira bereits seit Samstag fest. In den Wochen zuvor gab es demnach immer wieder Diskussionen zwischen ihr, dem Präsidenten und Premierminister Valls über die geplante Verfassungsreform und mögliche Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft bei Terrorvergehen.

Zu Taubiras Nachfolger wurde Urvoas ernannt, ein Vertrauter von Premierminister Valls und Experte in Sicherheitsfragen. Er werde nun gemeinsam mit dem Premierminister die Verfassungsreform auf den Weg bringen, erklärte der Elysée-Palast. Zugleich lobte die Präsidentschaft Taubiras Arbeit. Die Politikerin war seit 2012 Justizministerin. Sie brachte unter anderem das Gesetz zur Homoehe und eine Justizreform auf den Weg.

Aus den Reihen der Sozialisten bekam Taubira am Mittwoch Anerkennung für ihre Arbeit als Ministerin. Die Chefin der rechtsextremen Partei Front National, Marine Le Pen, sprach hingegen von einer "guten Nachricht" für Frankreich, dass Taubira zurücktrete. Die oppositionellen Republikaner bezeichneten Taubiras Rücktritt als "folgerichtig", da sie nicht mehr im Einklang mit der Regierung gestanden habe. Die Konservativen befürworten ein hartes Ahnden von Terrorvergehen.

Erst am Montag hatte die EU-Polizeibehörde Europol eine Warnung wegen möglichen IS-Terrors in Frankreich herausgegeben - allerdings ohne Anhaltspunkte oder konkrete Details. In Paris gehen die Beobachter davon aus, dass nach dieser Warnung die Bereitschaft der Nationalversammlung, die Bürgerrechte zu beschneiden, deutlich gestiegen sein dürfte.

In Österreich soll bereits in Kürze ein neuer Inlands-Geheimdienst installiert werden, der, ähnlich wie in Frankreich, den Behörden weitreichende Rechte in der Bespitzelung der Bürger ohne richterliche Überwachung einräumt.

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