Krieg, Sanktionen und Misstrauen: Warum die Nachfrage nach Gold explodiert
Der anhaltende Krieg in der Ukraine und der Vorstoß der Europäischen Kommission, Erträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zur Finanzierung Kiews zu nutzen, lösen eine neue „Goldrally“ unter den Zentralbanken aus. Analysten sehen darin ein klares Signal wachsender geopolitischer Unsicherheit und schwindenden Vertrauens in klassische Reservewährungen. „Russland darf über seine rechtmäßigen Gelder nicht verfügen. Banker auf der ganzen Welt wissen, was das bedeutet. Sie kaufen immer mehr sichere Goldreserven“, erklärte Ross Norman, Analyst für den Goldmarkt, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der Tenor unter Marktbeobachtern: Metall schlägt Papier – also Gold vor Anleihen. „Gold ist keine Verbindlichkeit und keine Schuld eines Dritten. Das macht es für Zentralbanken attraktiv, die sich um die politische Sicherheit ihrer Reserven sorgen“, sagte Adrian Ash, Forschungsleiter der Handelsplattform BullionVault.
Zentralbanken kaufen Rekordmengen
Wie das Wirtschaftsmagazin The Economic Times berichtet, erwarben die Zentralbanken allein im dritten Quartal dieses Jahres rund 220 Tonnen Gold – fast 28 Prozent mehr als im Vorquartal. Laut discoveryalert.com zeigt dieser Trend, dass die Notenbanken zunehmend keinem Währungssystem mehr vollständig vertrauen. Gold fungiert in Zeiten geopolitischer Spannungen als neutraler, politisch unabhängiger Vermögenswert. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Jahr 2022 haben Zentralbanken ihre Goldkäufe mehr als verdoppelt – verglichen mit dem Durchschnitt der fünf Jahre zuvor. Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten übersteigt der Wert der globalen Zentralbank-Goldreserven den der von ihnen gehaltenen US-Staatsanleihen.
Laut der Beratungsfirma Metals Focus wurden in den vergangenen drei Jahren über 1.000 Tonnen Gold gekauft. Diese Nachfrage trieb den Preis an den internationalen Märkten auf ein Rekordniveau von rund 4.000 Dollar pro Unze. Aktive Käufer sind vor allem China und Polen, deren Notenbanken ihre Goldreserven in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut haben.
Polen als Vorreiter – Europa folgt
Im September erklärte der Präsident der polnischen Zentralbank, Adam Glapiński, das Ziel, Gold solle künftig 30 Prozent der nationalen Reserven ausmachen. „In diesen Zeiten globaler Unruhe und einer sich neu formierenden Finanzordnung ist Gold die einzige wirklich sichere Anlage für staatliche Reserven“, so Glapiński. Auch in Deutschland wird die Diskussion um die Bedeutung von Goldreserven intensiver. Die Bundesbank hält traditionell einen der größten Goldbestände der Welt – über 3.350 Tonnen –, hat aber seit Jahren keine nennenswerten Käufe mehr getätigt. Beobachter sehen die jüngste „Goldoffensive“ anderer Länder als Warnsignal: Das Vertrauen in den Dollar und in internationale Finanzinstitutionen schwindet. Deutschland dürfte vor diesem Hintergrund zunehmend prüfen, ob eine strategische Aufstockung seiner Goldreserven zur Absicherung wirtschaftlicher Risiken sinnvoll wäre.

