Die Schweizer haben schärfere Bestimmungen zur Ausweisung von straffälligen Ausländern abgelehnt. Einer Hochrechnung des Fernsehens zufolge lehnten am Sonntag gut 56 Prozent der Wähler die sogenannte "Durchsetzungsinitiative" der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) ab.
Entscheidend zum "Nein" beigetragen hat laut dem Politologen Claude Longchamp, dass die Gegner der SVP-Initiative die Wähler im großen Stil an die Urne bringen konnten. "Man hat gesehen, dass die Mobilisierung insbesondere in den großen Städten exemplarisch hoch ist", erklärte der Chef des Forschungsinstituts "gfs.bern". Die Wahlbeteiligung erreichte mit 62 Prozent den vierthöchsten Wert bei in der Schweiz häufigen Volksbefragungen.
Mit ihrem Vorschlag wollte die SVP die Ausweisung von Ausländern erzwingen, die gegen Gesetze verstoßen haben. Weil die Partei mit der Umsetzung ihrer 2010 von der Bevölkerung angenommenen "Ausschaffungsinitiative" unzufrieden war, wollte sie einen mehr als 50 Delikte umfassenden Katalog in der Verfassung verankern lassen, um einen absoluten Ausweisungs-Mechanismus zu schaffen. Nicht nur eine Verurteilung wegen Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Einbruch sondern auch leichtere Delikte wie wiederholte Geschwindigkeits-Übertretungen sollten automatisch zu einem Landesverweis führen - ohne Einspruchsmöglichkeit.
Gegen die Pläne der mit 29,4 Prozent Wähleranteil stärksten Partei formierte sich breiter Widerstand. Die wirtschaftsfreundliche FDP und die Sozialdemokraten stellten sich ebenso dagegen wie Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Befürchtet wurde, dass bei einem "Ja" der Ruf der Schweiz als Wirtschaftsstandort wie schon nach dem Einwanderungsvotum schweren Schaden nimmt. "Die Zivilgesellschaft ist erwacht und hat klar gemacht, dass sie Rechtsstaat, Minderheitenschutz und Menschlichkeit über Fremdenfeindlichkeit und den totalitären Machtanspruch einer einzelnen Partei stellt", erklärte Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokraten.