Politik

Kurden-Angriff: Die Destabilisierung des Iran hat begonnen

Im Iran haben kurdische Kämpfer Militärstellungen angegriffen. Die Gruppe arbeitet mit den vom Westen unterstützten Peschmerga zusammen und wurde offenbar von US-Soldaten ausgebildet. Ob dabei aus Deutschland gelieferte Waffen zum Einsatz gekommen sind, ist schwer zu beurteilen. Bundestagsabgeordnete der Linkspartei halten dies für grundsätzlich möglich.
05.03.2016 02:37
Lesezeit: 3 min

Unbeachtet von der Weltöffentlichkeit hat die iranische Kurden-Partei PDKI militärische Aktionen im Iran begonnen. Sie führt seit mehreren Tagen Angriffe gegen iranische Militärstellungen durch. Sie hatte zuvor die Iran-Wahl boykottiert. PDKI-Chef Mustafa Hijri hatte angekündigt, den „bewaffneten Widerstand gegen die Islamische Republik Iran“ erneut aufzunehmen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Iran-Wahl boykottiert. Zuletzt führte die PDKI einen Angriff auf den iranischen Militärstützpunkt Majid Xan in der Stadt Bokan aus, berichtet Kurdistan 24. Den Angriff meldete sie auch per Twitter.

Die PDKI besteht aus Peschmerga-Kämpfern. Sie wird von von dem vom Westen unterstützten Kurdenführer Barzani aus dem Nordirak unterstützt. Sie ist ein Ableger der kurdisch-irakischen KDP, die wiederum aktiv von den USA und Deutschland unterstützt wird. Der Iran hingegen unterstützt im Irak die Kurdenpartei PUK und die kurdische Goranbewegung, um Barzani zu stürzen, berichtet nerinaazad.

Zusätzlich gibt es die militante iranische Kurden-Organisation PJAK, die ein Ableger der PKK ist. Die PJAK wird von den USA nicht als Terrororganisation eingestuft. Die Organisation wir nach Informationen von Asia Times seit Jahren von den US Special Forces (SF) im Irak in Guerilla-Techniken trainiert. Das ehemalige SF-Mitglied Mark Smith wollte dem Blatt nicht öffentlich bestätigen, dass die Amerikaner PJAK-Kämpfer ausbilden, doch er würde sich nicht wundern, wenn dem so wäre. Ein weiteres ehemaliges Mitglied der SF sagte den Asia Times, dass die USA iranische einheimische Antiregierungskräfte trainieren und aufbauen.

Im vergangenen August verübte PJAK einen Angriff auf eine iranische Militärstellung, bei dem 20 iranische Soldaten ums Leben gekommen sein sollen, berichtet die BBC.

Im vergangenen Sommer traf sich der iranische Kurdenführer Mustafa Hijri in Washington mit Mitgliedern des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses und des US-Senats, berichtet die PDKI. Er warb um US-Unterstützung für die Kurden im Iran. „Die kurdische Nation kämpft gegen die Islamische Republik Iran. Sie dürfen die kurdische Nation nicht im Stich lassen, wir brauchen Ihre [US-] Unterstützung“, so Hijri bei einer Rede im US-Repräsentantenhaus. Zuvor hatte er vom 18. bis 20. Mai 2015 Deutschland besucht. Dort traf er sich mit diversen Mitgliedern des Bundestags und Vertretern des Auswärtigen Amts, so die PDKI.

Nach Informationen des European Union Institute for Security Studies haben die Peschmerga aus Deutschland 16.000 Sturmgewehre der Typen G3 und G36, 8.000 P1-Pistolen, 40 MG3-Maschinengewehre, 10.000 Handgranaten, mindestens 30 Panzerabwehrsysteme der Klasse MILAN mit mindestens 500 Geschossen, 200 Panzerfäuste 3 mit mindestens 2.500 Geschossen und 40 reaktive Panzerbüchsen des Typs Carl-Gustaf Kaliber 84mm mit mindestens 1.000 Geschossen erhalten.

Das American Enterprise Institute hatte im Juli 2015 eine Waffenliste veröffentlicht, die die internationalen Waffenlieferungen an die Peschmerga aufzählt.

Allerdings ist mit diesen Lieferungen ein großes Risiko verbunden. „Diese Waffen können schnell in falsche Hände geraten. Beispiele hierfür gibt es bereits. Die Waffenlieferung in das Kriegsgebiet - ein gefährlicher Präzedenzfall“, analysiert der NDR.

Michael Rubin vom American Enterprise Institute hält eine direkte Bewaffnung der Peschmerga unter Barzani für falsch: „Eines der Hauptargumente gegen die direkte Bereitstellung von Waffen an die KRG ist, dass die Waffen nicht dort eingesetzt werde, wo sie gebraucht werden. Kirkuk zum Beispiel - die Stadt, die von einer Reihe von kurdischen Führern als das ,Jerusalem Kurdistans' umschrieben wird – befand sich im Fadenkreuz des IS. Barzani hat sich geweigert, der Stadt Waffen für die Verteidigung zu spenden, weil die städtische Bevölkerung nicht ihn, sondern andere Parteien und Kurdenführer unterstützt (…) Ob Waffen nun an die Türkei, die YPG, die irakische Armee oder an die Peschmerga geliefert werden – es sollte eine genauere Überprüfung über den Endverbleib der der Waffen geben.“

Zur Frage, ob die Kurden im Nordirak deutsche oder andere Waffen an die Kurden im Iran liefern, sagte der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu von der Linkspartei den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Eine abstrakte Gefahr gibt es immer, dass die von Deutschland oder anderen Staaten gelieferten Waffensysteme in andere Hände geraten. Konkret gibt es bereits Berichte genau darüber. Damit steigt auch die Gefahr, dass PDKI über die Barzani-Kurden gewollt oder ungewollt an diese Waffen gelangen. DIE LINKE hat von vornherein genau davor gewarnt und deutsche Waffenlieferungen konsequent abgelehnt.“

Auf die Frage, ob denn eine umfassende Waffenkontrolle über den Endverbleib von Waffen möglich sei, sagte Neu: „Ich denke, es wird immer schwieriger, generell die Kontrolle über den Endverbleib aufrechtzuerhalten. Mit der Übergabe der Waffen an die Peschmerga beispielsweise hat die Bundesregierung selbst eingeräumt, dass damit ihr Verantwortungsbereich endet. Kurzum, eine Endverbleibskontrolle seitens der Bundesrepublik Deutschland wird gar nicht erst in Erwägung gezogen. Viele Staaten lieferten und liefern Waffen nach Syrien, um die dortigen Terroristen gegen die Regierung Assad zu unterstützen. Ich glaube nicht, dass es überhaupt einen Überblick darüber gibt, wer, wohin wie viel geliefert hat. Diese vagabundierenden Waffen stellen für die Region über viele Jahrzehnte noch eine Gefahr, politische Konflikte mit den vorhandenen Waffen lösen zu wollen.“

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Uns liegen keine Informationen zu einer möglichen Waffenhilfe KDP an die PDKI vor. Eine grundsätzliche Proliferationsgefahr besteht aber selbstverständlich in der gesamten Region, da keine effektive Endverbleibskontrolle von gelieferten Rüstungsgütern besteht (und auch kaum zu bewerkstelligen wäre). Dies konnte man zuletzt beispielsweise daran sehen, dass schon die ersten deutschen Sturmgewehre für KDP/PUK auf den Waffenmärkten in der kurdischen Region des Irak (KRG) zu kaufen waren. Aus diesen Gründen tritt DIE LINKE für ein umfassendes Verbot von Rüstungsexporten ein.“

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