Politik

Pleite-Gefahr: Das neue Griechenland liegt in Österreich

Die österreichischen Politiker pokern hoch: Sie wollen ihre Schulden nicht bezahlen, für die das Land Kärnten Haftungen übernommen hatte. Dem Bundesland droht der jahrelange Pfändungsvorbehalt. Auch deutsche Kommunen blicken mit Sorge auf die Entwicklung: In Österreich könnte ein Exempel für zahlungsunfähige Staaten und Körperschaften statuiert werden.
14.03.2016 23:40
Lesezeit: 2 min

Das österreichische Bundesland Kärnten muss sich wegen des Desasters um die Krisenbank Heta auf harte Zeiten einstellen. Weil ein Vergleich zwischen dem österreichischen Bundesland und Heta-Gläubigern gescheitert ist, droht Kärnten als erstes europäisches Bundesland, in die Pleite zu rutschen. Juristen prophezeien der Region, die für ihre Seen und Berge bekannt ist, bereits das gleiche Schicksal wie Argentinien: Das südamerikanischen Land streitet seit seiner Pleite 2002 mit seinen Gläubigern. Auch deutsche Banken und Versicherungen, die auf der vollständigen Rückzahlung ihrer Heta-Anleihen beharren, müssen sich nun auf eine jahrelange, juristische Auseinandersetzungen einstellen.

Ob Österreich Kärnten tatsächlich fallen lässt, ist unklar. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling will von einer Insolvenz des südlichsten Bundeslands zwar nichts wissen. Ein Rettungsprogramm für Kärnten auf Kosten anderer Bundesländer oder des Bundes komme aber nicht in Frage, betonte er in Wien. Auch ein neues Gesetz zur Rettung der Heta sei nicht geplant. „Anlassgesetzgebung ist nicht mein Ding.“

Kärnten hat Garantien für Heta-Anleihen in Höhe von rund elf Milliarden Euro übernommen, ist nach eigenen Angaben aber nicht in der Lage, die Schulden zu begleichen. Die Haftung wurden vom damaligen FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider übernommen, allerdings mit einem Regierungsbeschluss, an dem auch die anderen Parteien mitwirkten. Wenn die Gläubiger ihre Forderungen vor Gericht durchsetzen, könnten sie Rechtstitel erwerben und damit auf „Assets aus Kärnten zugreifen“, erklärte Schelling. Damit wäre wie bei jedem anderen zahlungsunfähigen Schuldner ein Verpfändung von Vermögenswerten möglich.

Die Gläubiger könnten bis zu einer Verjährungsgrenze von 30 Jahren alles pfänden, was sich zu Geld machen lasse, sagte Kapitalmarktexperte Hendrik Haag von der Kanzlei Hengeler Mueller der Nachrichtenagentur Reuters. „Argentinien ist dafür ein Beispiel.“ Umstritten sei unter Gutachtern allerdings, was genau verwertet werden könne. „Muss Kärnten beispielsweise das Landhaus, den Sitz des Landtags, herausgeben und die Parlamentarier zum Umzug in gemietete Räume zwingen? Oder ist die öffentliche Verwaltung tabu?“

Bei der Heta handelt es sich um eine der größten Banken-Abwicklungen in Europa. Kärnten hatte den Gläubigern angeboten, Papiere der ehemaligen Bank Hypo Alpe Adria für 7,8 Milliarden Euro zurückzukaufen. Die Investoren hätten damit auf über drei Milliarden Euro verzichten sollen. Die Geldgeber haben das Angebot jedoch ausgeschlagen. Einige Gläubiger wollen nun vor einem Zivilgericht in Klagenfurt ein Urteil erstreiten und so die garantierten Gelder eintreiben. Die Investoren begründen den Schritt damit, dass sich Kärnten weigere, ernsthafte Verhandlungen zum Erreichen einer Lösung zu führen.

Finanzminister Schelling sieht sich nun aus dem Spiel. Ein neues Angebot schließt er aus. Dass der Deal mit den Heta-Gläubigern gescheitert ist, bedauert der Minister. „Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten das Thema Heta beseitigen können. Ich habe alles unternommen, um das Thema vom Tisch zu bekommen und das Kapitel Heta ein für alle mal zu beenden.“ Nun seien die Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Gerichte am Zug. Die FMA plant in den nächsten Wochen einen Schuldenschnitt bei der Heta, der laut Schelling „dramatisch niedriger“ sein wird als das nun ausgeschlagene Angebot. Die Gläubiger müssen dann ihre Forderungen gegenüber Kärnten vor Gericht einfordern. Laut Schelling ist mit jahrelangen Prozessen zu rechnen.

Kapitalmarktexperte Haag und viele Banker und Investoren glauben allerdings, dass es am Ende doch noch zu einer Einigung zwischen Kärnten, Österreich und den Gläubigern kommen wird. Er habe Zweifel, ob Österreich es politisch vertreten könne, Kärnten in einer solchen Situation nicht zu helfen, sagte der Partner von Hengeler Mueller. „Kärnten wäre auf unbegrenzte Zeit im Ausnahmezustand. Alles stünde unter Pfändungsvorbehalt.“ Es sei deshalb zu erwarten, dass es am Ende eine „bessere politische Lösung für das Problem“ geben werde. „Österreich kann den Gläubigern ihre Schuldtitel jederzeit abkaufen, wenn es sich mit ihnen auf Konditionen verständigt.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...

DWN
Politik
Politik SPD-Spitze im Umbruch: Bas spricht von historischer Verantwortung
12.05.2025

Die SPD steht nach dem desaströsen Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl vor einem umfassenden Neuanfang. In Berlin haben...

DWN
Politik
Politik Beamte in die Rente? SPD und Experten unterstützen Reformidee
12.05.2025

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas erhält Unterstützung aus der SPD für ihren Vorschlag, künftig auch Beamte, Selbstständige und...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Deutlicher Kursrutsch nach Zoll-Einigung zwischen USA und China – jetzt Gold kaufen?
12.05.2025

Der Goldpreis ist am Montagmorgen unter Druck geraten. Der Grund: Im Zollkonflikt zwischen den USA und China stehen die Zeichen auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie bricht ein: Strategischer Umbau und politische Entwicklungen belasten – Chance zum Einstieg?
12.05.2025

Die Rheinmetall-Aktie ist am Montag eingebrochen. Nach dem Rheinmetall-Allzeithoch am vergangenen Freitag nehmen die Anleger zum Start in...

DWN
Politik
Politik Friedensoffensive: Selenskyj lädt Putin zu persönlichem Treffen in die Türkei ein
12.05.2025

Selenskyjs persönliches Gesprächsangebot an Putin in der Türkei und sein Drängen auf eine sofortige, 30-tägige Feuerpause setzen ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Entspannung im Handelskrieg? China und USA nach Genf optimistisch
12.05.2025

Bei ihren Zollgesprächen haben China und die USA nach Angaben der chinesischen Delegation eine „Reihe wichtiger Übereinstimmungen“...

DWN
Politik
Politik Hoffnung auf neue Gespräche: Putin bietet Verhandlungen mit Ukraine an
12.05.2025

Wladimir Putin schlägt überraschend neue Verhandlungen mit der Ukraine vor – doch Kiew und der Westen setzen ihn mit einem Ultimatum...