Politik

Griechenland droht Flüchtlingen mit Räumung von Piräus

Lesezeit: 2 min
08.04.2016 17:30
Die griechischen Behörden wollen in wenigen Tagen den Hafen von Piräus räumen. Die dort festsitzenden Flüchtlinge wurden per Flugblatt aufgefordert, freiwillig in andere Aufnahmezentren zu gehen. Gleichzeitig schiebt das Land am Freitag weitere Flüchtlinge in die Türkei ab.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die griechischen Behörden wollen die im Hafen von Piräus gestrandeten Flüchtlinge zum Verlassen ihrer Lager bewegen. „Verzweifelt nicht, wir unterstützen euch, wir lieben euch“, steht in vier verschiedenen Sprachen auf einem Flugblatt geschrieben, das ab Montag unter den tausenden Schutzsuchenden in Piräus verteilt werden soll. Das dafür zuständige Handelsmarineministerium und die Hafenpolizei präsentierten den Text am Freitag der Presse. Gleichzeitig gab es am Freitag auch Proteste der Hafen-Arbeiter, weil Chinesen den Hafen von Piräus gekauft haben.

In einigen Tagen werde der Hafen geräumt, kündigen die Behörden auf dem Zettel mit Blick auf die anstehenden Ferien zum orthodoxen Osterfest an, wenn in Piräus zahlreiche Touristen erwartet werden. „Der Hafen kann euch nicht mehr beherbergen und es ist nichts gewonnen, wenn Ihr hierbleibt.“ Die rund 5000 in Piräus festsitzenden Flüchtlinge werden auf dem Flugblatt dazu ermutigt, in andere Aufnahmezentren zu gehen.

Dort könnten sie Asyl beantragen oder von dem Verteilungsprogramm in der EU profitieren, hieß es. Es handelt sich bei den Schutzsuchenden nicht um solche Flüchtlinge, die unter das mit der Türkei ausgehandelte EU-Abkommen zur Rückführung fallen. „Hört nicht auf Schlepper, die euch versprechen, euch in andere europäische Länder zu bringen“, heißt es auf dem Blatt weiter. „Sie lügen.“

Verteilt werden soll das Flugblatt in den Sprachen Arabisch, Farsi, Englisch und Griechisch. In ganz Griechenland sitzen wegen der geschlossenen Balkanroute derzeit rund 50.000 Flüchtlinge fest, davon 5.000 in Piräus und etwa 11.000 in Idomeni an der geschlossenen Grenze zu Mazedonien.

Nach mehreren Tagen Unterbrechung hat Griechenland am Freitag die Abschiebung von Flüchtlingen in die Türkei fortgesetzt. Die meisten der rund 200 Abgeschobenen stammen nach griechischen Regierungsangaben aus Pakistan. Es wird damit gerechnet, dass die Türkei sie in ihre Heimat zurückbringen wird.

Zwei Schiffe mit insgesamt 124 Migranten wurden nach Angaben griechischer Behördenvertreter über die Ägäis, weitere 97 Menschen wurden auf dem Landweg in die Türkei zurückgeschickt. Drei Aktivisten wurden festgenommen, nachdem sie sich auf der Insel Lesbos an den Anker einer türkischen Fähre gehängt hatten, mit der die ersten 45 Migranten in den türkischen Hafen Dikili gebracht werden sollten.

Stunden später erreichten die beiden Schiffe Dikili, wo türkische Sicherheitsbeamte die Flüchtlinge von Bord begleiteten. Einer der Pakistaner wurde von den türkischen Behörden ohne Angabe von Gründen wieder nach Lesbos zurückgeschickt. Die Migranten wurden ärztlich untersucht und registriert und sollten anschließend mit einem Bus an die bulgarische Grenze gebracht werden.

Es wird damit gerechnet, dass die Türkei die meisten von ihnen schon bald in ihre Heimat abschiebt: Wie türkische Medien berichten, billigte das Parlament in Ankara am Donnerstagabend ein Repatriierungsabkommen mit Pakistan.

Die griechischen Behörden hatten am Montag mit der Umsetzung des umstrittenen Paktes zwischen der EU und Ankara begonnen und die ersten 202 Flüchtlinge von den Ägäis-Inseln in die Türkei zurückgeschickt. Im Gegenzug waren die ersten Syrer aus türkischen Flüchtlingslagern von Deutschland und einigen anderen EU-Ländern aufgenommen worden, wie es der Pakt vorsieht.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die EU, weil sie alle Neuankömmlinge in die Türkei abschieben will und bis dahin in Lagern auf den Inseln einsperrt. Laut Amnesty International führt dieser Automatismus zu einem Versagen bei der Beurteilung individueller Umstände und Bedürfnisse: Folteropfer, Familien mit sehr kleinen Kindern, alleinreisende Frauen mit Kindern, Behinderte, Kranke - alle würden in einen Topf geworfen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière wies dagegen die Kritik an dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei erneut zurück. „Auch wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist richtig“, sagte de Maizière den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Der Minister rechnet mit einem großen Andrang von Flüchtlingen aus Afrika. Angaben von Entwicklungsminister Gerd Müller, wonach bis zu 200.000 Afrikaner aus Staaten südlich der Sahara in Libyen auf ihre Überfahrt nach Europa warten, halte er noch „eher für zu niedrig begriffen“, sagte de Maizière am Freitag in Berlin.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Trumps illustres Kabinett: Ein Tech-Milliardär, ein TV-Moderator und eine Ex-Demokratin
14.11.2024

Es geht Schlag auf Schlag: Donald Trump als designierter US-Präsident verkündet seine Kandidaten für die Regierung. Mit dabei: ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratie in Deutschland kostet jährlich 146 Milliarden Euro
14.11.2024

Bürokratie-Abbau soll Kosten sparen. Durch die überbordende Bürokratie entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an...

DWN
Politik
Politik BSW: Regierungsbeteiligung nicht ausgeschlossen
14.11.2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht begrüßt die vorgezogene Neuwahl des Bundestages. Logistisch ist das für die junge Partei aber eine...

DWN
Panorama
Panorama Zufriedenheit mit der Demokratie nimmt stark ab, Ausländerfeindlichkeit steigt
14.11.2024

Eine Studienreihe der Universität Leipzig untersucht seit 2002, wie verbreitet rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft sind. Vor...

DWN
Politik
Politik Nato-Raketenabwehrschirm: Polen verstärkt seine Sicherheitsmaßnahmen - und Russland droht
14.11.2024

In einer klaren Reaktion auf die anhaltende Bedrohung aus Russland wurde in Polen kürzlich ein Stützpunkt für den...

DWN
Politik
Politik Ukraine unter Druck, Nato-Chef Rutte fordert mehr Hilfe
13.11.2024

Nato-Generalsekretär Mark Rutte zufolge müssen die westlichen Partner jetzt fest „zusammenstehen.“ Er fordert mehr Unterstützung...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konjunktur-Jahresbericht: Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose - und warnen vor Trump-Politik
13.11.2024

Angesichts der politischen Unsicherheiten und der anhaltenden Konjunkturflaute haben die Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vorgestellt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ford: Stellenabbau droht - Kurzarbeit für 2.000 Beschäftigte in Köln
13.11.2024

Über Jahrzehnte hinweg konnte Ford auf dem europäischen Automarkt punkten, etwa mit dem beliebten Kleinwagen Fiesta. Inzwischen setzt das...