Politik

Türkei: Parlaments-Chef fordert Einführung der Scharia

Der türkische Parlamentspräsident kündigt an, dass die türkische Verfassung fortan islamisch sein soll. Die Trennung zwischen Staat und Religion müsse endgültig aufgehoben werden. Doch dieser Vorstoß würde die zwangsläufige Einführung der Scharia nach sich ziehen.
26.04.2016 16:02
Lesezeit: 1 min

Die Türkei braucht nach Einschätzung ihres Parlamentspräsidenten eine religiöse Verfassung, in der sich das Land nicht länger zum Säkularismus verpflichtet. „Die neue Verfassung sollte nicht länger den Säkularismus enthalten (...), sie sollte religiös sein“, sagte Parlamentspräsident Ismail Kahraman am Montagabend in einer Rede, von der türkische Medien am Dienstag Videoaufzeichnungen veröffentlichten. Sollte diese Forderung tatsächlich umgesetzt werden, würde dies zwangsläufig zur Einführung der Scharia führen.

Die Regierungspartei AKP bemüht sich bereits seit einiger Zeit, die Verfassung des Landes zu ersetzen. Kritiker befürchten, dass eine neue Verfassung dem zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weitere Befugnisse verleihen könnte. Erdogan will aus der Parlaments- eine Präsidialdemokratie machen.

Kritik erntete Kahraman von der größten Oppositionspartei, der weltlichen Republikanischen Volkspartei (CHP). Der von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk eingeführte „Säkularismus“ sei „das Grundprinzip des sozialen Friedens“, twitterte CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu. Säkularismus stelle sicher, dass jeder religiöse Freiheit genieße.

Parlamentspräsident Kahraman ist federführend bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, die nach Angaben der Regierung auf den europäischen Menschenrechtsstandards basieren soll. Die AKP verfügt im Parlament über 317 der 550 Sitze. Um ihren Verfassungsentwurf einem Referendum zu stellen, benötigt sie 330 Stimmen.

Die Türkei hatte ihre ursprüngliche Verfassung von 1924 vier Jahre später geändert und den Islam als Staatsreligion gestrichen. Historiker betrachten diesen Schritt als Grundstein für die moderne, demokratische und säkulare Türkei. Die derzeitige Verfassung enthält keine Staatsreligion. Die meisten Türken sind sunnitische Muslime, dazu kommen etwa 20 Prozent Aleviten. Außerdem leben in der Türkei etwa 100.000 Christen und 17.000 Juden.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Munich Re: Milliardenschaden durch Waldbrände in Kalifornien
13.05.2025

Flammen wüten immer wieder durch Kalifornien – und hinterlassen nicht nur verkohlte Wälder, sondern auch tiefe Spuren in den Bilanzen...

DWN
Politik
Politik Trump besucht erneut die Golfstaaten – Wirtschaftsinteressen stehen im Vordergrund
13.05.2025

Warum reist Donald Trump erneut als erstes nach Saudi-Arabien – und nicht etwa zu den engsten Nachbarn der USA? Hinter dem glanzvollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump: Die Arzneimittelpreise müssen um 59 Prozent sinken
13.05.2025

Die Pharmabranche gerät weltweit unter Druck: Mit einer neuen Ankündigung hat US-Präsident Donald Trump den globalen Arzneimittelmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Kommission kündigt Importverbot für russisches Gas an – doch wo bleibt das Gesetz?
13.05.2025

Die EU verkündet das Ende russischer Gasimporte – aber präsentiert (noch) keine juristische Grundlage. Experten warnen: Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovation Neuro-Webdesign: „Die meisten Firmenwebsites scheitern am Menschen“
13.05.2025

Viele mittelständische Websites wirken modern, funktionieren aber nicht. Warum? Sie ignorieren die Psychologie der Nutzer. Jonas Reggelin,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession 2025: Düstere Aussichten für Deutschland
13.05.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der neue Impulse dringend nötig wären. Der...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung: Warum Bärbel Bas' Beamten-Vorschlag 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde
13.05.2025

Geht es nach Arbeitsministerin Bärbel Bas, sollen künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Eine neue...

DWN
Panorama
Panorama Reichsbürger-Verbot: Dobrindt zerschlägt "Königreich Deutschland"
13.05.2025

Sie erkennen den Staat nicht an, verbreiten Verschwörungstheorien und zahlen häufig keine Steuern. Die Szene der Reichsbürger war...