Politik

Türkei: Erdogan leitet fundamentalen Umbau der Republik ein

Die Türkei wird sich in den kommenden Monaten radikal verändern: Die AKP hat am Sonntag die Weichen gestellt, um die Republik zu einem Präsidialstaat umzubauen. Für die laizistischen Gruppen, die Kurden und die Kritiker Erdogans sind dies äußerst schlechte Nachrichten.
23.05.2016 00:03
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Vertrauten Binali Yildirim mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Zuvor war der bisherige Verkehrsminister von der Regierungspartei AKP erwartungsgemäß zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt worden, woraufhin Ministerpräsident Ahmet Davutoglu seinen Rücktritt einreichte. In einer Rede kündigte Yildirim an, den von Erdogan gewünschten Wechsel zum Präsidialsystem zur Priorität zu machen.

Bei einem Sonderparteitag in Ankara stimmten die Delegierten der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) mit großer Mehrheit für den 60-jährigen Yildirim. Der Erdogan-Vertraute erhielt 1405 von 1470 Stimmen. Der bisherige AKP-Vorsitzende Davutoglu trat daraufhin als Ministerpräsident zurück und machte den Weg für den Wechsel an der Regierungsspitze frei.

Vor der Abstimmung erklärte Yildirim die von Erdogan vorangetriebene Einführung eines Präsidialsystems zu einer „Priorität“. In der Türkei existiere bereits jetzt „de facto“ ein Präsidialsystem, dieses müsse nun rasch durch eine Verfassungsänderung legitimiert werden, sagte er. „Die Türkei braucht eine neue Verfassung. Seid ihr bereit, ein Präsidialsystem einzuführen?“, fragte Yildirim unter dem Applaus der Delegierten.

Davutoglu war wegen der Einführung des Präsidialsystems und des Flüchtlingspakts der Türkei mit der EU in Konflikt mit Erdogan geraten. Dennoch nahm Davutoglu am AKP-Parteitag teil. „Die Einheit der AKP ist mir wichtiger als irgendetwas anderes“, versicherte Davutoglu. Erdogan nahm dagegen nicht an dem Parteitag teil. Nach den geltenden Gesetzen darf der Staatschef keiner Partei angehören.

In einer Grußbotschaft an den Parteitag, die von Justizminister Bekir Bozdag vorgelesen wurde, erklärte Erdogan, die „Bande seines Herzens“ mit der vom ihm gegründeten und über Jahre geleiteten Partei würden „niemals zerschnitten“. Es wird erwartet, dass sich Yildirim anders als sein Vorgänger klar dem Präsidenten unterordnet und nicht versucht, einen eigenständigen Kurs zu verfolgen.

„Unser Weg ist der Weg von Recep Tayyip Erdogan“, sagte der designierte Ministerpräsident auch auf dem Parteitag. Er ist erst der dritte AKP-Vorsitzende nach Erdogan und Davutoglu. Erdogan hatte die Partei 2001 gegründet und bis zu seiner Wahl ins Präsidentenamt im Sommer 2014 selbst geleitet.

Yildirim sagte auf dem Parteitag, er erwarte von der Europäischen Union eine klare Linie in der Beitrittsfrage. Die EU müsse dafür sorgen, dass die „Verwirrung“ über die Vollmitgliedschaft seines Landes „und das Thema Migranten“ beseitigt werde, sagte Yildirim. Die Türkei hatte ihre Kandidatur für einen EU-Beitritt 1987 angemeldet, die Verhandlungen kommen aber nur sehr schleppend voran.

Zahlreiche Kritiker werfen Erdogan vor, die Türkei in einen autoritär regierten Staat zu verwandeln. Am Freitag erkannte das Parlament in einem hoch umstrittenen Schritt mit Zwei-Drittel-Mehrheit 138 Abgeordneten die parlamentarische Immunität ab. Darunter sind allein 50 der 59 Parlamentarier der Kurdenpartei HDP. Erdogan wirft der HDP vor, mit der verbotenen Guerillagruppe Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden zu sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Sonntagnachmittag zu einem Besuch in der Türkei aufbrach, äußerte „große Sorgen“ angesichts „einiger Entwicklungen“. So sei „der Prozess der Annäherung und Aussöhnung mit den Kurden im letzten Jahr abgebrochen“ worden, kritisiert sie.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Flugzeugabsturz in Indien: Was passierte bei Flug AI171?
13.06.2025

Mehr als 240 Menschen starben bei einem verheerenden Flugzeugabsturz in Indien. Premierminister Narendra Modi besuchte den einzigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Brüsseler Kompromiss: EU führt Handelsquoten für Ukraine wieder ein – Litauen hofft auf Preisstabilisierung
13.06.2025

Handelsstreit mit Folgen: Die EU führt wieder Quoten für ukrainische Agrarimporte ein. Litauen atmet auf, Kiew warnt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wenn der Chef den Hund mitbringt: Sind Haustiere im Büro eine Revolution im Büroalltag?
13.06.2025

Ein Hund im Büro bringt gute Laune, sorgt für Entspannung und fördert das Teamgefühl – doch nicht alle sind begeistert. Warum...

DWN
Politik
Politik EU-Sanktionen wegen Russland-Handel: Brüssel zielt nun auch auf Chinas Banken
13.06.2025

Die EU plant erstmals Sanktionen gegen chinesische Banken wegen Unterstützung Russlands durch Kryptowährungen. Peking reagiert empört...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Kurse unter Druck: Markt reagiert panisch auf Nahost-Eskalation
13.06.2025

Explodierende Spannungen im Nahen Osten bringen den Kryptomarkt ins Wanken. Bitcoin fällt, Ether bricht ein – Anleger flüchten panisch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland: Zahl neuer Insolvenzen rückläufig
13.06.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland zeigt erstmals seit langem eine leichte Entspannung. Wird dieser Trend anhalten oder drohen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie unter Strom: Chinas Tesla will Europas Ladeinfrastruktur überrollen
13.06.2025

BYD greift frontal an: Mit Megawatt-Ladern will Chinas Elektrogigant Europas Infrastruktur dominieren – Tesla bekommt ernsthafte...

DWN
Politik
Politik Neue Waffengattung: Russland baut eigene Drohnentruppen auf
13.06.2025

Russland stellt eigene Drohnentruppen auf und folgt damit einem entscheidenden Schritt der Ukraine. Unbemannte Systeme gewinnen im...