Politik

Ende der Neutralität: Nato zieht Schweden in den Kalten Krieg gegen Russland

Lesezeit: 2 min
28.05.2016 01:10
Schweden hat ein Abkommen mit der Nato geschlossen, mit dem sich das Land erstmals zur Unterstützung fremder Streitkräfte verpflichtet. Der Vertrag umfasst auch die Stationierung von Truppen und die Durchführung von Militär-Übungen auf schwedischem Gebiet. Die Regierung richtet den Beschluss als Signal gegen Russland – und läutet das Ende einer langen Tradition politischer Neutralität in Schweden ein.
Ende der Neutralität: Nato zieht Schweden in den Kalten Krieg gegen Russland

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das Schwedische Parlament hat am Mittwoch ein Abkommen mit der Nato abgeschlossen. Mit dem sogenannten Host Nation Support Agreement (HNSA) verpflichtet sich Schweden zur Unterstützung der Nato-Streitkräfte im eigenen Land. Ein solcher Vertrag umfasst die zivile und militärische Unterstützung von Gaststreitkräften und erlaubt dem Militärbündnis, künftig leichter Truppen in Schweden zu stationieren sowie Militär-Übungen durchzuführen. Schweden rückt damit auch ohne Nato-Mitgliedschaft näher an das Militärbündnis, was laut Regierung vor allem ein Signal an Russland senden soll.

Mit dem Nato-Abkommen läutet Schweden das Ende einer langen Tradition der politischen Neutralität ein. Bisher hat sich das skandinavische Land sowohl aus militärischen Auseinandersetzungen als auch Bündnissen herausgehalten, wahrte etwa während des zweiten Weltkriegs seine Neutralität und erwarb sich so einen Ruf als sicheres Asyl für politisch Verfolgte.

Zum Bruch mit dieser historischen Position Schwedens sagte Verteidigungsminister Hultqvist nach einem Bericht des EU-Observer, die Sicherheitspolitik müsse sich „den Zeiten anpassen“. Grund für den Sinneswandel sei demnach die „russische Aggression gegen die Ukraine“, die Europas Sicherheitsordnung herausfordere, sowie die zunehmende Spionage, nukleare Rhetorik sowie Verletzungen schwedischen Luftraums durch Russland.

Zwar betonte die Regierung, dass dieses Abkommen längst keine Nato-Mitgliedschaft oder Aufgabe der Neutralität bedeute, gleichzeitig sprach der Verteidigungsminister jedoch davon, Schwedens „militärischen Kapazitäten“ wiederaufzubauen. Dabei sei das HNSA-Abkommen nur ein Element einer breiteren Strategie, zusammen mit der entsprechender Außen- und Handelspolitik sowie zivilgesellschaftlicher Kontakte. Hultqvist sagte, er halte einen russischen Angriff zwar für unwahrscheinlich, wolle aber durch die Mitgliedschaft in einem „Netzwerk“ dennoch Signale der Abschreckung an Russland senden. Bereits im April hatte Schweden sich schriftlich mit der Bitte um Aufnahme an das neue strategische Kommunikationszentrum der Nato namens Stratcom gewandt mit der Begründung, sich als Stratcom-Mitglied besser gegen die Propaganda aus Russland wehren zu können.

Das Abkommen ist in der Bevölkerung und auch innerhalb der politischen Parteien umstritten: Die schwedische Linkspartei Vänsterpartiet (V) hatte noch am Dienstag einen Antrag auf Verschiebung eingebracht, sie warnt vor einer durch das Abkommen möglichen Stationierung von Atomwaffen in Schweden. Diese seien laut vorgebrachter Nato-Dokumente der „Kern der Verteidigungspolitik“ des Bündnisses. In dem Abkommen würden Atomwaffen und die schwedische Position dazu nicht erwähnt und mit keinem Wort ausgeschlossen, daher müsse man davon ausgehen, dass mit dem Abkommen solche Waffen „auf schwedischem Boden stationiert, durch schwedische Gewässer transportiert, in schwedischen Häfen einlaufen und über schwedischen Luftraum fliegen dürfen“, so Helmersson.

Auch die Schwedendemokraten wollten die Linkspartei zunächst gegen das Abkommen unterstützen und äußerten Sorge um Schwedens Glaubwürdigkeit als außenpolitisch neutrales Land. Die Auffassung innerhalb der rechten Partei war jedoch gespalten, sodass der Parteichef Akesson sich letztlich dagegen aussprach, das Abkommen aktiv im Parlament zu verhindern.

Innerhalb der regierenden Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen waren die Meinungen ebenfalls gespalten, am Ende einer heftigen fünfstündigen Debatte stimmte jedoch eine Mehrheit von 254 Abgeordneten für das Abkommen.

Die schwedische Zeitung Dagens Nyheter zitiert aus der Debatte den Abgeordneten Björn Söder von den Schwedendemokraten mit dem Vorwurf, die Mehrheit des Parlaments setze mit dem Heranrücken an die Nato „Schwedens Sicherheit aufs Spiel“. Stieg Hendriksson von der Linkspartei forderte die Regierung demnach auf, den „schleichenden Nato-Beitritt“ zu stoppen.

Auch die schwedische Bevölkerung ist in der Frage gespalten, allerdings habe sich auch die öffentliche Debatte über die Nato mit der politischen Landschaft in Schweden geändert, wie das schwedische Medium Nyheter24 schreibt. Das SOM-Institut der Uni Göteburg bestätige, dass die Nato-Befürworter in der Bevölkerung inzwischen überwiegen. Das Institut führt seit 1994 regelmäßig Befragungen zum Thema durch. Bis 2012 wollte die Mehrheit der Schweden demnach der Allianz fernbleiben, ab dann habe sich der Unterschied zwischen Gegnern und Befürwortern immer weiter verringert, bis es 2014 erstmals mehr Befürworter einer Nato-Mitgliedschaft als Gegner gab.

Der Trend setzt sich auf politischer Ebene fort: In den Parteien steige die Bereitschaft für einen Nato-Beitritt ebenfalls, sodass heute nicht mehr nur die Liberalen, sondern auch die Gemäßigten, die Zentrumspartei und die Christdemokraten der Nato beitreten wollen. Das Nato-Abkommen könnte daher nur der erste Schritt zu einem vollwertigen Beitritt Schwedens zum Militärbündnis und damit das Ende seiner langen Tradition als politisch neutrales Land sein.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Ukraines Präsident dankt Deutschland für die Unterstützung. Die Außenminister beider Länder Baerbock und Nauseda intensivieren...

DWN
Technologie
Technologie Turbulenzen bei Tesla: Stellenabbau und düstere Prognosen für 2024
19.04.2024

Nach einem Stellenabbau bei Tesla prognostizieren Experten ein „Durchhänger-Jahr“ für Elektromobilität 2024, während Tesla auf...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Exporte in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...