Angesichts neuer Flüchtlingswege von Libyen über das Mittelmeer hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor neuen Abschottungstendenzen gewarnt und mehr Solidarität in Europa gefordert. Noch vor kurzem seien in kurzer Zeit 50 000 Menschen an der mazedonisch-griechischen Grenze angelangt. «Wenn das ganze jetzt über Libyen und Italien kommt, zu sagen, wir schließen einfach den Brenner, so einfach geht das nicht. Dann ist Europa zerstört», mahnte Merkel am Freitag auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Güstrow laut dpa.
Diese Aussage ist interessant, weil aus ihr zu erkennen ist, dass Merkel mit einem Anstieg der Flüchtlingszahlen rechnet. Österreich hatte in Ungarn bereits wieder ähnliche Phänomene wie 2015 beobachtet und vor einem Anstieg gewarnt. Österreich hat seine Asylgesetze dahingehend geändert, dass die Regierung den Notstand ausrufen kann, wenn eine Obergrenze von 37.500 Asylbewerbern erreicht ist. Ein Sprecher der österreichischen Flüchtlingsbehörde sagte am Donnerstag im ORF, dass man nicht warten werde, bis diese Zahl erreicht ist, sondern bereits zuvor Vorkehrungen treffen werde. Aktuell hat Österreich im Jahr 2016 etwa 22.000 Flüchtlinge aufgenommen.
Merkel will die Zusammenarbeit mit Ländern am Rande der Krisenregionen verbessern. Mit einer intensiveren Entwicklungshilfe und der Übernahme humanitärer Aufgaben solle erreicht werden, dass Menschen «nicht mehr den Anreiz haben zu kommen», sie in der Nähe ihrer Heimat bleiben können und sich nicht mehr in die Hände von Schleppern begeben. Viele hundert Menschen seien seit Jahresbeginn auf der Flucht über das Meer ertrunken. «Da können wir nicht einfach zugucken und sagen, die Schlepper haben die Möglichkeit, alles zu tun, und wir schotten uns dann einfach ab», appellierte Merkel.
Eine wichtige Aufgabe bleibe der Schutz der Außengrenzen. «Schaffen wir es, unsere Außengrenze zu schützen, dann können wir auch unsere Reisefreiheit erhalten und uns weiter frei bewegen innerhalb des Schengenraums», sagte Merkel. Gelinge dies nicht, dann werde wieder jedes Land auf seinen nationalen Grenzschutz zurückfallen, mit Folgen für Währung, Wirtschaft und Binnenmarkt in der EU.