Deutschland

Die Export-Falle: Deutschland muss nach Chinas Regeln spielen

Deutschland gerät in die Export-Falle in Richtung China: Westliche Unternehmen werden von den Behörden schikaniert. Chinesischen Investoren kaufen eifrig Betriebe im Westen, umgekehrt ist der Zugang zur Börse kaum möglich. Die westlichen Politiker glauben, dass China in Verhandlungen dazu gebracht werden könne, nach den Regeln der Marktwirtschaft zu spielen. Das ist ein fataler Irrtum.
20.06.2016 01:08
Lesezeit: 4 min

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Das Parteiprogramm lehnt die Menschenrechte und die Marktwirtschaft ab

Die Missachtung der Marktwirtschaft, der Menschenrechte, kurzum, des liberalen Verfassungsstaats, sind im Parteiprogramm der regierenden Kommunistischen Partei Chinas als Grundsätze festgeschrieben. Allerdings wird in China auch von „Marktwirtschaft“ gesprochen, doch ist von der „sozialistischen Marktwirtschaft“ die Rede. Meinungsfreiheit besteht ebenfalls, nur gemeint ist die „Freiheit“, ausschließlich die Vorgaben der Partei zu vertreten. In der Auseinandersetzung mit den Kritikern von außen wird die eigene Sichtweise vertreten und bestritten, dass die westliche Auffassung von Demokratie und Marktwirtschaft richtig sei.

Naturgemäß regt sich auch in China die Opposition gegen die Diktatur der KP. Bislang gelingt es der Partei aber Kritiker rasch mundtot zu machen, die Pressefreiheit zu unterbinden und auch die Kommunikation über das Internet zu kontrollieren. Derzeit sind keine Anzeichen einer Revolution erkennbar, die für Meinungsfreiheit, Demokratie und eine Marktwirtschaft im westlichen Sinn kämpfen würde.

Derzeit werden die kommunistischen Grundsätze besonders stark in den Vordergrund gerückt, mit großer Intensität durch den dominierenden Staatspräsidenten, Xi Jinping. Das Regime setzt sogar eine Band namens „Parfum“ ein, die mit einem Lied „Marx, Du bist ein Mitzwanziger. Kommunismus ist süß wie Honig“ für die Ideologie wirbt (Video am Anfang des Artikels).

China will Technologie-Führer werden und die eigenen Firmen stärken

Die westlichen Unternehmer beklagen, dass sie nicht mehr so willkommen sind wie in den vergangenen Jahren. Die grundsätzliche Erklärung steht im Parteiprogramm: „Die Kommunistische Partei Chinas führt das Volk bei der Entwicklung der sozialistischen Marktwirtschaft (…). Sie entfaltet die fundamentale Funktion des Marktes bei der Allokation von Ressourcen und etabliert ein vollständiges System der makroökonomischen Steuerung.“

Die aktuelle Umsetzung liefert der im März 2016 beschlossene, neue Fünf-Jahresplan. China ist nicht mehr an Firmen interessiert, die in China die niedrigen Löhne und geringeren Umweltstandards nützen, um günstig zu produzieren. China soll in den nächsten Jahren zum Technologie-Führer aufrücken. Forschung und Entwicklung werden großzügig dotiert. Chinesische Unternehmen, die eigenständig auf dem Weltmarkt bestehen können, werden gefördert. Nur mehr westliche Partner, die Innovation ins Land bringen und notwendige Technologien anbieten, sind willkommen. Im Ausland bemüht man sich, hochspezialisierte Betriebe zu erwerben, die diese Entwicklung begünstigen. In dieses Konzept fügt sich das viel diskutierte Bemühen um den Roboterhersteller Kuka ein. Im Jahr 2015 haben chinesische Unternehmen weltweit für etwa 100 Milliarden US-Dollar Firmen erworben.

Damit nicht genug. Die neue Politik besagt, dass nicht nur Unternehmen mit Problemen zu kämpfen haben, die China als kostengünstige, verlängerte Werkbank benutzen. Auch der Zugang zu den verschiedenen Bereichen des chinesischen Markts wird erschwert. Man will erreichen, dass chinesische Firmen den wachsenden Konsum im Land bedienen und den expandieren Dienstleistungsmarkt nutzen, man setzt also auf den Schutz des heimischen Marktes. Der Erwerb chinesischer Unternehmen wird erschwert und nicht, wie der Westen fordert, erleichtert. Der Finanzbereich bleibt in dem Maße abgeschirmt, in dem man nicht auf die Zusammenarbeit mit westlichen Banken, Versicherungen und Börsen angewiesen ist.

Für die KP-Führung sind die Probleme, die aus westlicher Sicht als Krisensignale gedeutet werden, nebensächlich. Die Überschuldung der Unternehmen und vieler Privathaushalte, die Kurssprünge des Renminbi und die Volatilität der Börse werden als kapitalistische Erscheinungen betrachtet, die durch staatliche Interventionen bei Bedarf zu korrigieren sind.

Der Westen als nützlicher Helfer beim Aufbau der Sozialismus

Die Entwicklung der Wirtschaft und somit auch die Öffnung für westliche Unternehmen werden als Instrumente gesehen, die dem Kommunismus dienen. Erneut werden die Unternehmer als „nützliche Idioten“ gesehen. Getreu dem Lenin-Satz, „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufhängen!“ Auch dieser Grundsatz ist im Programm der KP Chinas nachzulesen: „China befindet sich jetzt – das wurde 2012 beschlossen – im Anfangsstadium des Sozialismus und wird sich über eine längere Zeit in diesem Stadium befinden. Das ist ein unüberschreitbares historisches Stadium bei der sozialistischen Modernisierung im wirtschaftlich und kulturell rückständigen China, das mehr als einhundert Jahre in Anspruch nehmen wird.“ Die westlichen Unternehmer müssen zur Kenntnis nehmen, dass ihr Einsatz in China als Beitrag zum Aufbau des Sozialismus verstanden wird.

Und, um jedes Missverständnis zu beseitigen, weiter im Text: „Für uns sind die vier Grundprinzipien – das Festhalten am sozialistischen Weg, der volksdemokratischen Diktatur, der Führung durch die Kommunistische Partei Chinas sowie dem Marxismus-Leninismus und den Mao-Zedong-Ideen – die Grundlage für den Aufbau des Staates. Während des ganzen Prozesses der sozialistischen Modernisierung müssen wir an den vier Grundprinzipien festhalten und die bürgerliche Liberalisierung bekämpfen.“

China soll als Marktwirtschaft anerkannt werden

Vor diesem Hintergrund soll China nun als Marktwirtschaft anerkannt werden. Das wurde beim 2001 erfolgten Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO vereinbart. Man ging davon aus, dass in den fünfzehn Jahren bis jetzt China die erforderlichen Bedingungen für einen freien Handel zu fairen Wettbewerbsbedingungen gegeben sein werden. China hat die Übergangsperiode für die Schaffung liberaler Verhältnisse nicht genutzt, sondern lehnt diese sogar ausdrücklich ab. Unter Marktwirtschaft wird die „sozialistische Marktwirtschaft“ im Dienste des Kommunismus verstanden, die „bürgerliche Liberalisierung muss bekämpft werden.“ Nach den Vorstellungen des Regimes soll China ungehindert im Land einen staatlichen Interventionismus betreiben und den Zugang zu seinem Markt nach Belieben steuern können, aber freien Zugang zu den westlichen Märkten erhalten. Das EU-Parlament wehrt sich bislang zu Recht gegen die Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft, China droht mit einem Verfahren im Rahmen der WTO wegen „Verletzung“ der beim Beitritt 2001 geschlossenen Vereinbarung.

Der Hintergrund der Niederschlagung der Studentenrevolution 1989

Zur Illustration eine Rückblende: 1989 erschütterte die brutale Unterdrückung der Studenten-Revolution die Weltöffentlichkeit. Die Öffnung Chinas hatte in den vorangegangenen Jahren weltweit und bei der chinesischen Jugend den Eindruck entstehen lassen, dass das Land auf dem Weg zu einer Demokratie westlicher Prägung sei. Das war auch damals ein Missverständnis. In einem Interview mit Mitgliedern des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas bekam man in den achtziger Jahren folgende Erklärung zu hören: Solange die Öffnung China nützt und die Macht der KP nicht in Frage stellt, lassen wir die Entwicklung zu. Kommt es zu einer Bedrohung der politischen Ordnung, dann greifen wir ein. Das Interview fand nur wenige Monate vor den Ereignissen auf dem Tian’anmen-Platz in Beijing statt: Tausende Studenten versammelten sich ab dem 17. April 1989 auf dem Platz, um gegen die Politik der Regierung zu protestieren. In der Bevölkerung kam es zu einer Welle der Sympathie. In der ganzen Stadt bildeten sich spontan Demonstrationen. Am 3. und 4. Juni 1989 wurde der Aufstand vom Militär brutal niedergeschlagen. Bis heute erwähnt die KP-Führung dieses Ereignis nicht, Gedenkfeiern werden unterbunden.

Der spektakuläre Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht, die positive Aufnahme der Investitionen westlicher Unternehmen, die Entwicklung Shanghais zur einer modernen Weltstadt, das Entstehen einer Reihe von Wirtschaftszentren ließen die Erinnerung an Tian’anmen verblassen. Allerdings hat sich bis heute an den Grundsätzen nichts geändert. Das im Jahr 2012 beschlossene, korrigierte Parteiprogramm enthält sogar eine Formulierung, die der Aussage im Interview aus den achtziger Jahren entspricht: „Die Entwicklung ist die allerwichtigste Aufgabe der Partei für die Machtausübung und die Stärkung des Landes. Bei aller Arbeit soll man es als den Hauptausgangspunkt und das Kriterium für ihre Beurteilung betrachten, ob sie der Entwicklung der Produktivkräfte in unserer sozialistischen Gesellschaft, der Erhöhung der umfassenden Landesstärke unseres sozialistischen Staates und der Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung dienlich ist.“

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

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