Politik

Untersuchung: Blair hat sich von den USA in den Irak-Krieg ziehen lassen

Der Bericht einer Untersuchungskommission geht mit dem früheren Premier Tony Blair hart ins Gericht: Grundlage für den Irak-Krieg war offenbar nicht eine nüchterne Analyse, sondern ein irrationaler „Treue-Schwur“, den Blair vor George W. Bush ablegte. Mit dem Krieg begann die systematische Zerstörung der bestehenden Ordnung im Nahen Osten. Zugleich kann der Brexit als direkte Folge der Kriegspolitik gesehen werden.
06.07.2016 13:07
Lesezeit: 2 min

Die britische Untersuchungskommission zum Irak-Krieg hat die Entscheidung der damaligen Regierung unter Premierminister Tony Blair zur Beteiligung an der US-geführten Invasion 2003 als voreilig bewertet. Die politische Entscheidung sei gefallen, bevor alle "friedlichen Optionen für eine Entwaffnung" des Irak unter Machthaber Saddam Hussein ausgeschöpft worden seien, sagte der Kommissionsvorsitzende John Chilcot bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in London. Der Bericht ist ein bemerkenswertes Dokument der Zeitgeschichte, der die britische Regierung als willfähriges Instrument einer vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush ausweist.

Zudem seien die Pläne für die Nachkriegszeit "völlig unzureichend" gewesen, kritisierte der ehemalige Diplomat. "Ein Militäreinsatz war damals nicht das letztmögliche Mittel", sagte Chilcot, nach dem auch die Kommission benannt ist. Dennoch habe Blair dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush Gefolgschaft versprochen, "was auch geschehen möge". Für die Nachkriegsphase gelte: "Trotz ausdrücklicher Warnungen wurden die Folgen der Invasion unterschätzt. Die Planungen und Vorbereitungen für einen Irak nach Saddam waren völlig unzureichend."

Die Invasion in den Irak 2003 war heftig umstritten, weil sie nicht durch ein klares UN-Sicherheitsratsmandat gedeckt war. Angebliche Massenvernichtungswaffen des damaligen irakischen Machthabers Saddam Hussein wurden nie gefunden. Bereits 2004 kam ein britischer Bericht zu dem Schluss, dass Blair die "Beweise" der Geheimdienste für angebliche Massenvernichtungswaffen im Parlament aufbauschte.

Bis zu 46.000 britische Soldaten waren in Spitzenzeiten während des jahrelangen Konflikts und danach im Irak im Einsatz. Während des Krieges und der anschließenden konfessionell motivierten Gewalt wurden hunderttausende Iraker getötet; auch 179 britische Soldaten starben im Einsatz.

Bis heute wird der Irak von Gewalt erschüttert. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) konnte seit dem Sommer 2014 weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle bringen. Zwar wurde sie zuletzt militärisch stark zurückgedrängt - doch erst mit dem Eingreifen Russlands sind die zahlreichen als IS deklarierten Söldner ind ei Defensive geraten. Erst in der Nacht zum Sonntag waren bei einem Selbstmordanschlag in der irakischen Hauptstadt mehr als 200 Menschen getötet und mindestens ebenso viele Menschen verletzt worden.

US-Präsident Obama kooperiert in Syrien mit Russland, ebenso wie der Irak, China, Israel und der Iran.

Blair zeigte sich trotz der klaren Botschaft der Kommission uneinsichtig: Die Entscheidung zu dem Militäreinsatz gegen den damaligen irakischen Machthaber Saddam Hussein habe er "in gutem Glauben" und mit der Überzeugung getroffen, im "besten Interesse des Landes" zu handeln, erklärte Blair in einer von seinem Büro am Mittwoch veröffentlichten Reaktion auf den Bericht der britischen Untersuchungskommission zum Irak-Krieg.

Eine der Spätfolgen des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen den Irak ist die komplette Destabilisierung des Nahen Ostens. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Der von Briten und Amerikaner ausgelöste Zerstörungsprozess im Nahen Osten hat bei den Briten eine diffuse Angst vor "Flüchtlingsströmen" aus der Region geweckt. Die Unwilligkeit der europäischen Politiker, den Krieg zu stoppen, hat zum Referendum des britischen Austritts aus der EU geführt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...