US-Präsident Barack Obama und seine engsten Berater werden nach Angaben aus Regierungskreisen wohl noch in dieser Woche weitere militärische Optionen in Syrien abwägen. Es sei ein Treffen für Freitag geplant, sagten Regierungsvertreter, die namentlich nicht genannt werden wollten, der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag.
Eine Option sieht demnach Luftangriffe auf syrische Militärstützpunkte, Luftabwehrstellungen und Munitionsdepots vor. Allerdings berge dies die Gefahr, dass auch Einheiten des syrischen Verbündeten Russland unter Beschuss kommen könnten. Obama wolle aber eine direkte Konfrontation mit den Russen vermeiden. Eine Alternative besteht Regierungsvertretern zufolge darin, von den USA unterstützte Söldner mit moderneren Waffen auszurüsten. Reuters berichtet in seinem englischsprachigen Dienst, dass Beamte der Regierung ein Dilemma sehen: Wenn die USA die Söldner mit Luftabwehrraketen (TOW) ausstatten, die von der Schulter aus abgefeuert werden, bestehe die Gefahr, dass die Söldner auch Flugzeuge der westlichen Allianz abschießen.
Laut Reuters hat die Regierung in Washington die Hoffnung aufgegeben, die Schlacht um Aleppo noch gewinnen zu können. Es gehe jetzt darum, die weniger radikalen Söldner von der al-Nusra fernzuhalten - ein Anliegen, das Russland seit Monaten fordert. Die al-Nusra gehört zu al-Kaida und wird vor allem von Saudi-Arabien finanziert und geführt. Es ist denkbar, dass der Militäreinsatz der US-Marine am Donnerstag gegen den Jemen eine Geste in Richtung der Saudis war. Im Jemen stehen die Chancen der Allianz zwischen den USA und Saudi-Arabien besser - nicht zuletzt, weil die Saudis in den vergangenen Jahren ohne Rücksichtnahme die Zivilbevölkerung unter Beschuss genommen hat.
Auch im Irak sieht sich die US-Regierung einem erheblichen Problem gegenüber: Die türkische Armee, neben der syrischen und der russischen die schlagkräftigste in der Region, lehnt einen Sturm auf Mossul ab, weil die Amerikaner auf einer Zusammenarbeit mit der kurdischen PYD bestehen.
So könnte am Freitag auch gar keine Entscheidung fallen. Obama hat immerhin noch die Option einer weiteren Verhandlungsrunde mit Russland.
Vor der Syrien-Konferenz in der Schweiz hat Moskau Hoffnungen auf eine neue Waffenruhe in dem Bürgerkriegsland geweckt. Bei dem Treffen solle es um Chancen für eine Feuerpause gehen, kündigte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Donnerstag in Moskau an.
Außenminister Sergej Lawrow sagte, Russland unterstütze einen UN-Vorschlag, Terroristen den Abzug aus der umkämpften Großstadt Aleppo zu ermöglichen. US-Außenminister John Kerry will über die Lage in Syrien auch mit seinen EU-Kollegen am Sonntag in London beraten, wie der britische Außenminister Boris Johnson mitteilte.
Bei den Gesprächen an diesem Samstag in Lausanne sei auch ein Zweiertreffen von Lawrow und Kerry nicht ausgeschlossen, sagte Sacharowa. Bilaterale Gespräche seien nicht nur möglich, sondern auch ein integraler Bestandteil solcher Verhandlungen. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, machte indes klar, dass keine direkten Gespräche geplant seien.
Auch die UN geben die Hoffnung auf eine Feuerpause in Aleppo nicht auf, um Verletzte in Sicherheit bringen zu können. «Wir arbeiten an einem entsprechenden Plan und wollen das in allernächster Zeit möglich machen», sagte der stellvertretende UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Ramzy Ezzeldin Ramzy. Nach Bombardements seien Krankenhäuser in der Stadt kaum mehr in der Lage, Notfälle zu behandeln.
Als mögliche Teilnehmer der geplanten Konferenz in der Schweiz sind neben den USA und Russland auch die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und der Iran im Gespräch. «Wir wollen ein Treffen mit Ländern, die direkten Einfluss haben auf das Geschehen - entweder, weil sie vor Ort sind, oder durch Finanzierung oder Waffenlieferungen», betonte Lawrow. Die Teilnehmerliste stand noch nicht abschließend fest.
Lawrow sagte in einem Interview des US-TV-Senders CNN, der Vorschlag des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura, Anhängern der radikalen Al-Nusra-Front den Abzug aus Aleppo zu ermöglichen, verdiene eine Chance. «Al-Nusra versucht, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu benutzen (...). Al-Nusra kann nicht toleriert werden», sagte er. Sollte die Gruppe abziehen, hofft die UN auf ein Nachlassen der Kämpfe und eine deutliche Verbesserung der humanitären Situation.