In einer Nacht- und Nebelaktion haben Islamisten in Libyen versucht, wieder an die Macht zu gelangen. Nach Berichten vom Samstag drangen Milizen des früheren Ministerpräsidenten Chalifa al-Ghweil in den alten Sitz des Parlaments in der Hauptstadt Tripolis vor. Al-Ghweil rief die von den Vereinten Nationen (UN) unterstützte Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch auf, die Arbeit einzustellen. Seine Regierung sei zurück, verkündete Al-Ghweil in dem Parlamentsgebäude.
Befürchtete Zusammenstöße blieben nach Angaben von Augenzeugen weitgehend aus. Vereinzelte Gewalt gab es in der Nacht zum Sonntag Anwohnern zufolge in verschiedenen Teilen der Hauptstadt. Die Zusammenstöße seien jedoch offensichtlich nicht politsch motiviert gewesen.
Al-Sarradsch verurteilte den Putschversuch und ordnete die Festnahme der Politiker an, die Parallelstrukturen schaffen wollten. Beobachter sprachen von einem neuerlichen Rückschlag für die internationalen Bemühungen, Libyen nach fünf Jahren Chaos und Bürgerkrieg zu einen.
Die Europäische Union und der UN-Libyen-Gesandte Martin Kobler warnten vor einer neuen Spirale der Gewalt in Libyen. Bis März herrschte Al-Ghweil in Tripolis. Die EU wirft ihm vor, den Friedensprozess zu blockieren.
In dem nordafrikanischen Land amtiert seit März eine international unterstützte Einheitsregierung. Sie hat aber nur einen Teil des Landes unter Kontrolle. Neben den Islamisten und der Einheitsregierung beansprucht auch eine Führung im ostlibyschen Tobruk die Macht im Land für sich.
Darüber hinaus ist auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen aktiv. In ihrer Hochburg Sirte stehen die Dschihadisten, die noch vor einigen Monaten einen Küstenstreifen von etwa 300 Kilometer Länge kontrollierten, aber kurz vor einer Niederlage (Video am Anfang des Artikels). Nach Angaben der Führung der Militäroperation eroberten Kämpfer von Anti-IS-Milizen am Sonntag das Viertel Al-Manar im letzten Stadtteil, den die Terrormiliz noch hält.
Währenddessen hat General Khalifa Hifter alle wichtigen Öl-Häfen des Landes unter seine Kontrolle gebracht. Er will zum aktuellen Zeitpunkt mit der von der UN gestützten Regierung in Tripolis zusammenarbeiten, um die Öl-Exporte aus dem Land aufrecht zu erhalten. Die Europäische Union und der UN-Libyen-Gesandte Martin Kobler warnten vor einer neuen Spirale der Gewalt in Libyen. Bis März war al-Ghweil der offizielle Premierminister des Landes. Fayez al-Sarraj kam erst mit Unterstützung des Westens am 30. März 2016 nach Libyen, um al-Ghweil zu stürzen und die Regierung zu übernehmen.
Seitdem hat sich die Lage in Libyen verschlechtert, da die Regierung unter al-Sarraj, die im Westen auch Einheitsregierung genannt wird, nur einen kleinen Teil des Landes unter Kontrolle hat und vom Volk nicht unterstützt wird. Doch auch beim Großteil des libyschen Parlaments findet der „pro-westliche“ al-Sarraj keine Unterstützung, berichtet Reuters in seinem englischsprachigen Dienst. Am 22. August hat das libysche Parlament ein Misstrauensvotum gegen die Einheitsregierung durchgeführt. Von den 101 anwesenden Abgeordneten, stimmten 61 gegen die Regierung, 39 enthielten sich, und nur ein Abgeordneter stimmte zugunsten der Regierung, berichtet die Washington Post.
Trotzdem halten die USA an Regierungschef Fayez al-Sarraj unter dem Vorwand, dass er der beste Partner beim Kampf gegen die Terror-Miliz ISIS und Menschenschmuggler sei, fest. Der Konflikt in Libyen ist faktisch ein Stellvertreterkrieg wie in Syrien. Es geht um den Kampf der Anteile von internationalen Energiekonzernen an den Energievorkommen des Landes, was vor allem weitere Förderrechte und Konzessionen umfasst, berichtet das Foreign Policy Journal.
Aktuell rivalisieren folgende Energiekonzerne in Libyen: ENI (Italien), Total SA (Frankreich), Repsol YPF (Spanien), Waha Oil Co. (Ein US-Joint Venture), BP (Großbritannien), ExxonMobil (USA), Statoil (Norwegen), Royal Dutch/Shell (Niederlande(Großbritannien), Gazprom (Russland), RWE (Deutschland).