Politik

EuGH: Speicherung von IP-Adressen könnte rechtmäßig sein

Die Speicherung dynamischer IP-Adressen könnte rechtmäßig sein, sagt der EuGH - wenn der Schutz der Individualrechte hinter Gemeinwohl-Interessen zurücktritt. Dem Datenschutz droht in der EU eine weitere Niederlage.
19.10.2016 13:18
Lesezeit: 1 min

Die Speicherung von Nutzerdaten auf Internetportalen kann nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs rechtens sein. Das EU-Recht erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten wie der IP-Adresse, etwa wenn dies im «berechtigten Interesse» jener liegt, die die Daten verarbeiten, erklärten die Luxemburger Richter am Mittwoch (Rechtssache C-582/14). Das sei aber abzuwägen gegen das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Internetnutzer.

Der schleswig-holsteinische Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer ist damit vorerst mit seinem Versuch gescheitert, die Speicherung so genannter Surfprotokolle zu kippen. Der Datenschutz-Aktivist wehrt sich gegen die Speicherung von dynamischen IP-Adressen beim Besuch von Bundes-Websites, etwa der Homepage des Bundesjustizministeriums.

Dynamische IP-Adressen werden anders als eine feste IP-Adresse eines Rechners bei jeder Internetnutzung neu zugeteilt. Der Bund könnte aber bei einem Verdacht auf Straftaten ermitteln lassen, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die dynamisch vergebene IP-Adresse genutzt hat.

Die Speicherung soll helfen, Cyber-Attacken abzuwehren und strafrechtlich zu verfolgen. Der zuständige Bundesgerichtshof (BGH) bat die Luxemburger Kollegen um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht. Ob die deutsche Regelung wirklich rechtmäßig ist, muss der BGH entscheiden.

Der EuGH machte aber bereits deutlich, dass das Interesse der Website-Betreiber in der Abwägung mit Datenschutzinteressen stärker zu berücksichtigen sei. Denn auch der Versuch, die «Funktionsfähigkeit des Online-Mediums» zu gewährleisten, müsse in diese Abwägung einfließen - was in Deutschland derzeit nicht der Fall sei.

Aktivist Breyer zeigte sich nach dem Urteil ernüchtert. «Damit werden Internetanbieter uns im Netz weiterhin auf Schritt und Tritt verfolgen und Informationen über unsere privaten Interessen und Vorlieben sammeln sowie weitergeben können.»

Als Erfolg werteten Breyer und der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht hingegen, dass auch dynamische IP-Adressen europäischen Datenschutzregeln unterliegen. Denn auch diese wechselnden Adressen ließen sich im Verdachtsfall einer Person zuordnen, betonte der EuGH.

Christoph Zieger, IT- und Datenschutzrechtler bei der Kanzlei Dentons in München, erklärte, der EuGH stelle in seinem Urteil die eingeschränkte Verwendungsmöglichkeit von personenbezogenen Nutzungsdaten nach dem deutschen Telemediengesetz in Frage. Das Telemediengesetz erlaube einem Anbieter von Online-Mediendiensten die Verwendung solcher Daten grundsätzlich nur, soweit dies für die Bereitstellung und Abrechnung des Dienstes erforderlich sei. Diese Einschränkung halte der EuGH für unvereinbar mit der europäische Datenschutzrichtlinie, die eine Datenverwendung auch bei anderen berechtigten Interessen zulassen kann. «Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass Webseitenbetreiber Nutzungsdaten in Zukunft völlig frei verwenden dürfen. Ein berechtigtes Interesse für Speicherung der Daten, zum Beispiel im Kampf gegen Cyberattacken und zur Einleitung einer Strafverfolgung, bleibt erforderlich», betonte Zieger.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...