Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat zum Abschied noch einmal deutliche Kritik an Europas rigiden Sparmaßnahmen in der Schuldenkrise geübt. "Ich glaube, dass die Austeritätsmaßnahmen zu einer Verlangsamung des Wachstums in Europa beigetragen haben", sagte Obama in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Repubblica". Obama lobte hingegen Italiens schuldenfinanzierte Wachstumspolitik unter Regierungschef Matteo Renzi.
"Matteo verfolgt den richtigen Ansatz und dieser zeigt erste Ergebnisse", sagte Obama über den Mitte-links-Politiker Renzi, der am Dienstagabend an Obamas letztem Staatsdinner in der US-Hauptstadt Washington teilnehmen sollte. Der US-Präsident erinnerte an den zu Beginn seiner ersten Amtszeit verabschiedeten Recovery Act. Das Investitionsprogramm habe 15 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und die Armutsquoten gesenkt. "Manche Länder verfolgen einen anderen Ansatz."
"In einigen Ländern haben wir Jahre der Stagnation erlebt", sagte Obama. Dies habe in ganz Europa zu ökonomischer Frustration und Ängsten geführt. Die Kritik Obamas richtet sich indirekt vor allem an Deutschland: Die auf Deregulierung, Ausgabenkürzungen und Privatisierung von Staatseigentum fokussierte Krisenpolitik der EU zur Sanierung überschuldeter Staatshaushalte war maßgeblich von der Bundesregierung forciert worden. Renzi hat diese Austeritätspolitik wiederholt scharf kritisiert.
Obama lobte in dem Interview Renzis "Vision und ambitionierte Reformen". Italiens Regierungschef hat seine politische Zukunft mit einem landesweiten Referendum über eine von seiner Regierung vorangetriebene Verfassungsreform verknüpft. Diese soll Zuständigkeiten im italienischen Gesetzgebungsprozess entflechten und Reformen erleichtern. Die Abstimmung ist für den 4. Dezember geplant.
Die ostentative Stärkung Italiens hat auch eine geopolitische Bedeutung: Obama äußerste sich bei seinem Treffen zum Verhältnis zu Russland. Obama, der vergleichsweise moderat über Russland sprach, sagte, er habe während seiner Amtszeit versucht, mit Russland eine Partnerschaft zu etablieren. Diese sei allerdings durch die Handlungen Russlands torpediert worden. Tatsächlich hatte Obama zuletzt gemeinsam mit Russlands Präsident Wladimir Putin versucht, den Krieg gegen den IS zu beenden. Dieses Bestreben war jedoch nicht von Russland unterbunden worden. Vielmehr ist es Obama nicht gelungen, die islamistischen und internationalen Söldner, die teilweise von den USA selbst finanziert und ausgerüstet wurden, wieder in den Griff zu bekommen. Obama hatte vor einigen Monaten die Idee, US-Kriege durch Söldner ausführen zu lassen, als gescheitert bezeichnet.