Der Chef der Londoner Börse, Xavier Rolet, geht rechnet damit, dass die EU Zahlungsabwicklungen in Euro unbedingt auf den Kontinent zurückholen will, berichtet The Independent. Das Vorhaben könnte dem Finanzplatz London massiv schaden, weil ein beträchtlicher Teil der weltweiten Euro-Transaktionen über London abgewickelt wird – tausende Arbeitsplätze würden dadurch bedroht, sagte Rolet gegenüber einem Gremium des britischen Oberhauses.
Täglich werden Transaktionen im Gesamtumfang von etwa 490 Milliarden Euro über London abgewickelt, rund 100.000 Arbeitsplätze sollen direkt oder indirekt von dem Devisengeschäft abhängen, schreibt The Independent.
Die EU prüft offenbar, den Handel mit Euro außerhalb der EU in Zukunft zu beschränken. „Millionen von Euro-denominierten Transaktionen werden derzeit in New York abgewickelt, aber eine Obergrenze für den US-Handel wird nun erwogen, welche auch für London gelten dürften, sobald Großbritannien die EU verlassen hat – ein Schritt, welcher die Industrie fatal untergraben könnte“, schreibt der Independent. „Ich verstehe, dass in der EU darüber diskutiert wird, die Fähigkeit amerikanischer Clearinghäuser zu begrenzen, auf Euro lautende Sicherheiten zu tauschen, oder ihr Geschäft irgendwie zu behindern“, wird Rolet zitiert.
Eine weitere Gefahr bestehe darin, dass sich die Verhandlungen mit der EU lange hinziehen oder sogar eskalieren. In diesem Fall, so Rolet, würde die „gesamte Maschine“ der Währungsgeschäfte in London in Gefahr sein.
Auf eine mögliche Eskalation der Verhandlungen wies der Chef der französischen Zentralbank, Francois Villeroy de Galhau, am Donnerstag hin. Geldinstitute und Versicherer sollen sich laut de Galhau auf die Möglichkeit eines „harten Brexit“ vorbereiten. Dieser Fall würde eintreten, wenn es zu einem EU-Austritt des Landes ohne freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt kommt. „Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass Banken und Versicherer alternative Strategien entwerfen für den Fall eines harten Brexit“, sagte das EZB-Ratsmitglied am Donnerstag in einer Diskussionsrunde im französischen Parlament. Sollte Großbritannien den Zugang zu den Finanzmärkten in der EU behalten wollen, müsse das Land auch nach dem Austritt die Regeln der Gemeinschaft akzeptieren.
Die Briten hatten sich im Juni in einem Referendum mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass das Land der EU den Rücken kehrt. Dies hat bereits zu starker Verunsicherung in der Wirtschaft geführt. Laut Premierministerin Theresa May soll der Brexit-Antrag spätestens Ende März 2017 gestellt werden. Ein Entscheid des Londoner High Court vom Donnerstag könnte den Zeitplan jedoch durcheinander bringen.