Politik

Heckler will keine Waffen mehr an die Türkei liefern

Lesezeit: 3 min
28.11.2016 22:53
Der deutsche Waffenhersteller Heckler & Koch will die Türkei künftig nicht mehr mit Waffen beliefern - obwohl die Türkei ein Nato-Mitglied ist.
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Wolf von Dewitz von der dpa analysiert die Strategie von Heckler & Koch:

Auf der Weltkarte ist es ein Rückzug. Der Waffenhersteller Heckler & Koch will künftig kein Neugeschäft mehr mit Staaten außerhalb der Nato-Einflussphäre machen, wie aus Firmenkreisen verlautete. Soll heißen: Saudi-Arabien, Mexiko, Brasilien oder auch Indien fallen weg.

«Wir wollen nur noch solide Länder beliefern, also zweifelsfrei demokratisch, eindeutig nicht korrupt und in der Nato oder Nato-nah», sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will. Die Firma spricht hier von «grünen» Ländern. Die Türkei - ein «gelbes» Land - wird ebenfalls von der Kundenliste gestrichen.

Begründet wird der Strategiewechsel damit, dass Exportgenehmigungen in solche Staaten nur schwierig oder gar nicht mehr zu bekommen seien. Zudem wolle man raus aus den negativen Schlagzeilen. «Auch moralische Kritik an solchen Exporten können wir durchaus nachvollziehen», erklärt der Manager. Der Kurswechsel wurde intern hitzig debattiert, denn das Exportpotenzial wird so eingeschränkt.

Bei Branchenfachleuten findet das Zustimmung. «Prinzipiell ist es genau das, was wir fordern», sagt etwa Wolf-Christian Paes vom Internationalen Konversionszentrum Bonn. Allerdings folge die Firma damit der politischen Realität. Die Ausfuhrrestriktionen seien unter der Bundesregierung verschärft worden. «Heckler & Koch springt auf einen fahrenden Zug auf - das ist legitim, aber kein Gutmenschentum.»

Die schwäbische Waffenschmiede mit ihren 850 Mitarbeitern und rund 200 Millionen Euro Jahresumsatz hat stürmische Zeiten hinter sich. Waffenlieferungen nach Mexiko riefen die Staatsanwaltschaft auf den Plan, sie wirft der Firma Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz vor. Im kommenden Jahr werden Ex-Manager sowie die Firma selbst als Mitbeschuldigte vor Gericht stehen.

«Heckler & Koch ist nicht der einzige Kleinwaffen-Hersteller, der zwielichtige Geschäfte gemacht hat - aber er ist der einzige, der deswegen vor Gericht steht», sagt Pieter Wezeman vom Stockholmer Friedenforschungsinstitut Sipri.

Sein Bonner Kollege Paes ergänzt, die Verkaufspraktiken von Heckler & Koch seien in der Vergangenheit zwar durchaus aggressiv gewesen. Da habe man anderen Waffenherstellern aus anderen Staaten aber nicht nachgestanden. «Man ging bisher branchenüblich vor - da der Standard der Branche aber sehr niedrig ist, ist das nicht unbedingt positiv.»

Betriebswirtschaftlich sah es für die Firma lange schlecht aus, das Unternehmen stand kurz vor der Pleite. Eine Anleihe über 295 Millionen Euro konnte 2011 nur mit einem Zinssatz von sage und schreibe 9,5 Prozent platziert werden. Um den Druck des Kapitalmarkts etwas zu senken, stellte Mehrheitseigner Andreas Heeschen 2015 eine Finanzspritze von 60 Millionen Euro zur Verfügung. Anfang 2016 übernahm dann der Ex-Chef des Pumpenherstellers Putzmeister, Norbert Scheuch, den Chefsessel. Der setzte die Grüne-Länder-Strategie durch.

Die Geschäfte liefen zuletzt besser, Frankreichs Armee bestellte gut 100 000 Sturmgewehre. Letztlich wirkt sich auch die erhöhte Terrorgefahr positiv auf die Auftragsbücher aus. Nach dem Anschlag von Nizza bestellten Frankreichs Ordnungshüter 2000 Sturmgewehre, 3000 Maschinenpistolen gehen an Baden-Württembergs Polizei.

Die Verschuldung sank zuletzt deutlich auf rund 230 Millionen Euro. Die Firma kehrte in die Gewinnzone zurück - in den ersten drei Quartalen 2016 wurde ein Ertrag von 3,8 Millionen Euro erzielt, nach einem Verlust von 10,3 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

Positiv bemerkbar macht sich auch ein höherer Kassenbestand. Waren es vor einem Jahr nur 13 Millionen Euro, sind es inzwischen 30 Millionen Euro. Das beruhigt Anleger. Die H&K-Anleihe - Anfang des Jahres an der Börse noch mit 20 Prozent im Minus - ist nun wieder auf etwa 100 Prozent, also dem gleichen Wert wie zur Ausgabe.

«In diesem Jahr hat sich operativ einiges getan und positiv entwickelt - aber die Verschuldung ist noch immer zu hoch», sagt Moody's-Analyst Moritz Melsbach. Kollegin Anke Rindermann sieht die Grüne-Länder-Strategie positiv. «Dadurch verbessert sich die Qualität des Orderbuchs. Es sind also weniger Risiken und weniger Verzögerungen bei Exporten - das macht das Geschäft kalkulierbarer.» Aber die Firma bleibe auf «"non-investment grade", also spekulativ».

Ein Bremsklotz für gute Geschäfte sind die restriktiven deutschen Gesetze zur Waffenausfuhr. «Da agieren sie deutlich eingeschränkter als Wettbewerber aus Israel, Tschechien, Italien oder Belgien», erklärt Sipri-Experte Wezeman. Das habe in Deutschland politische und letztlich auch historische Gründe. «Heckler & Koch verkauft ein Produkt, mit dem getötet werden soll - dieses Stigma wird in Deutschland viel stärker wahrgenommen als in anderen Staaten.»

Wie aus Unternehmenskreisen verlautete, wartet man in mehr als einem Dutzend Fällen auf grünes Licht der Behörden für Exporte - etwa in den Oman und nach Singapur. Für eine Waffenfabrik in Saudi-Arabien fehlen Bauteile für Gewehre - «golden parts», also Verschlussteile, die nur in Deutschland hergestellt werden dürfen.

Fast schon absurd: Von 100 Bauteilen für das Gewehr können 94 vor Ort in Saudi-Arabien fabriziert werden, nur sechs fehlen. Weil genau die aber nicht kommen, ist die ganze Fabrik nutzlos. Die Saudis grollen, die Bundesregierung gibt dennoch kein grünes Licht. Vor einigen Monaten erzwang H&K vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht, dass die Regierung entscheiden muss - egal wie.

Dass H&K auf der Saudi-Arabien-Ausfuhr beharrt und noch auf die Genehmigung für den Oman und Singapur wartet, ist übrigens kein Widerspruch zur Grüne-Länder-Strategie - denn die gilt nur fürs Neugeschäft. Alten Verpflichtungen wolle man nachkommen, heißt es aus der Firma. Rein betriebswirtschaftlich ist das verständlich - in Saudi-Arabien hat H&K millionenschwere Sicherheiten hinterlegt.


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