Politik

Fusion unter Gleichen: Praxair will neuen Anlauf mit Linde

Der Industriegasekonzern Linde brütet über einem neuen Fusionsangebot des US-Rivalen Praxair. Der Kurs der Linde-Aktien stieg deutlich.
30.11.2016 15:45
Lesezeit: 2 min
Fusion unter Gleichen: Praxair will neuen Anlauf mit Linde
Linde steckt mitten im Umbau. (Foto: Linde)

Der Aufsichtsrat von Linde kommt laut Reuters am 7. Dezember zusammen. Ganz oben auf der Agenda dürfte dann der modifizierte Vorschlag der Amerikaner stehen, wie ein Konzerninsider am Mittwoch sagte. Offiziell heißt es von Linde, der Vorstand prüfe derzeit den neuen Anlauf. Darüber hinaus will sich das Unternehmen nicht äußern. An der Börse sorgte die Fusionsfantasie für einen Kurssprung: Die Linde-Aktien legten in der Spitze mehr als acht Prozent zu und waren damit der größte Dax-Gewinner.

Die Gespräche über den Zusammenschluss zum größten Industriegasekonzern der Welt waren vor zwei Monaten überraschend geplatzt, weil sich beide Seiten nicht über zentrale Fragen wie den Firmensitz, Entwicklungsstandorte und Führungspersonalien einigen konnten. Linde-Chef Wolfgang Büchele hatte nach dem Scheitern seinen Rückzug für das Frühjahr angekündigt, weil es ihm nicht gelungen war, einen Weltmarktführer zu schmieden. Finanzchef Georg Denoke musste seinen Hut nehmen.

Was Praxair an dem Fusionsplan geändert hat, blieb vorerst vage. Aus dem Linde-Umfeld hieß es, die Amerikaner hätten einige Zugeständnisse bei den Hauptknackpunkten gemacht. Dass das Linde-Management im Umbruch sei, störe die Praxair-Spitze nicht weiter. Ein dem US-Konzern nahestehender Insider sagte, Praxair sei Linde bei "sozialen Themen", etwa der Besetzung von Spitzenpositionen, entgegen gekommen. Es gebe verschiedene Vorschläge für die Ansiedlung eines neuen gemeinsamen Hauptsitzes. "Die Dinge geraten in Bewegung."

Das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Connecticut bestätigte zwar den erneuten Vorstoß, wollte sich aber nicht zu Einzelheiten äußern. Laut Linde geht es aber weiterhin um eine Fusion unter Gleichen. Das bedeutet, dass keiner der beiden Partner einen größeren Aufschlag auf den Aktienkurs des anderen zahlt. Die Analysten der UBS plädierten für einen Zusammenschluss. "Unserer Meinung nach würde eine Fusion dem Management mehr Chancen bieten, Wert zu schaffen", erklärten sie.

Auch Investoren begrüßen den neuerlichen Vorstoß. Für Praxair erschlössen sich neue Wachstumschancen, für Linde Synergien und bessere Renditechancen, sagte eine Vertreter eines Aktionärs, der zu den 20 größten Linde-Anteilseignern gehört. Zudem konsolidiere sich so die Branche weiter. "Ob es nun drei oder vier große Anbieter gibt, macht schon noch einen Unterschied." Zudem spiele der gegenwärtige Bewertungsvorteil von Praxair gegenüber dem Traditionskonzern den Amerikanern in die Hände, was auch für die rasche Wiederkehr des Planes spreche. "Die deutsche Belegschaft ist einer der wenigen Verlierer." Die Gewerkschaften IG Metall und IG BCE äußerten sich nicht.

Praxair und Linde waren an der Börse fast gleich viel wert, als die Fusionspläne im Sommer bekannt geworden waren. Seither hat sich die Praxair-Aktie besser entwickelt als das Linde-Papier. Praxair kommt auf einen Marktwert von fast 34 Milliarden Dollar (31,8 Milliarden Euro), Linde zum Schlusskurs vom Dienstag auf rund 28 Milliarden Euro. Dabei sind die Amerikaner mit knapp zehn Milliarden Euro Umsatz nur halb so groß sind wie Linde, Praxair ist allerdings deutlich profitabler.

Linde wollte durch den Zusammenschluss wieder zurück an die Weltspitze im Markt für Industriegase. Die Münchener waren durch die Übernahme von Airgas durch die französische Air Liquide auf Platz zwei abgerutscht. Die Gasebranche ist weltweit stark konsolidiert. Nach einer Fusion von Praxair und Linde wären nur noch drei große Anbieter übrig. Ein Knackpunkt wäre bei einem solchen Schritt deshalb die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden.

Der Vorstoß der Amerikaner kommt für Linde zur Unzeit. Büchele hat vor seinem Abgang Linde noch einen rigiden Sparkurs mit dem einhergehenden Abbau tausender Stellen verordnet. Der Konzern soll die jährlichen Kosten bis 2019 um 550 Millionen Euro senken. Experten zufolge könnte das bis zu 4000 Stellen kosten. Eine erneute Kehrtwende könnte die laufenden Gespräche mit den Arbeitnehmern erschweren, auch die Zustimmung des Aufsichtsrats wäre dann fraglich. Ein weiterer Insider sagte, eine Wiederaufnahme der Gespräche sei nur denkbar, wenn Praxair seine harte Haltung zu den strittigen Punkten aufgäbe.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Die Revolution frisst das Geldsystem: Bitcoin auf dem Vormarsch
17.07.2025

Bitcoin schlägt Gold, überholt Tech-Aktien und weckt das Interesse von Zentralbanken – während Regierungen zwischen Kontrolle und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warum gute Führungskräfte ein seltenes Kapital sind – und was Sie ändern können!
17.07.2025

Gute Führung zahlt sich aus – messbar. Doch viele Unternehmen setzen ungeeignete Mitarbeiter in Leitungspositionen. Der Preis:...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vom Pandemie-Hype zum Kursabsturz: Nur Netflix überlebt
17.07.2025

Zoom, Peloton und Co. stürzten nach dem Lockdown brutal ab – doch ein Streaming-Riese trotzt dem Trend, kassiert Milliarden und lässt...

DWN
Politik
Politik Kanzler Merz: Ernüchternde Bilanz
17.07.2025

Seit zweieinhalb Monaten ist Friedrich Merz Kanzler, doch seine Bilanz fällt schwach aus. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Viele Deutsche...

DWN
Politik
Politik EU-Haushalt: Bauern und Berlin stellen sich gegen Brüssels 2-Billionen-Euro-Entwurf
17.07.2025

Die EU-Kommission will den neuen EU-Haushalt massiv aufstocken und Milliarden in Sicherheit, Verteidigung und die Ukraine stecken. Doch...

DWN
Technologie
Technologie TSMC Gewinnsprung: KI-Boom sorgt für Rekordzahlen
17.07.2025

Kaum ein Unternehmen profitiert so stark vom weltweiten KI-Hype wie TSMC. Der taiwanesische Chipfertiger liefert die nötige Hardware für...

DWN
Politik
Politik Reiche zur Energiewende: "Kosten müssen runter"
17.07.2025

Die Energiewende ist teuer, der Stromnetzausbau stockt – und die Verbraucher zahlen die Zeche. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wachsende US-Schulden machen globale Finanzbranche nervös
17.07.2025

Die USA häufen Schulden in Rekordhöhe an – und das unter den skeptischen Blicken der Finanzwelt. Während die Zinslast steigt, geraten...