Finanzen

Nobelpreisträger Robert Shiller: Misstrauen gegen die Eliten ist berechtigt

Der Nobelpreisträger Robert Shiller beobachtet weltweit eine Rückkehr zu Nationalismus und Protektionismus. Die Ursache sei die wachsende Ungleichheit.
30.11.2016 00:58
Lesezeit: 3 min

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Der Ökonom Robert Shiller beobachtet in zahlreichen Ländern eine Rückbesinnung zum Nationalismus und Protektionismus. Der Hauptgrund liege in der wachsenden ökonomischen Ungleichheit in zahlreichen Staaten der westlichen Welt, sagte Shiller im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Shiller ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University. Er wurde 2013 gemeinsam mit Lars Peter Hansen und Eugene Fama für die empirische Analyse von Kapitalmarktpreisen mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. In den 80er Jahren entwickelte Robert J. Shiller zusammen mit Karl E. Case und Allan Weiss den Case-Shiller-Index, der die Entwicklung des US-amerikanischen Börsenmarktes widerspiegelt. Der von Standard & Poor’s vertriebene Case Shiller Home Price Index ist der führende Immobilienindex in den USA.

Ein aktueller Ausdruck dieser Entwicklung sei der Sieg Donald Trumps bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Trump werde möglicherweise viele wichtige Regulierungsvorschriften abschaffen, von denen breite Bevölkerungsschichten profitiert hätten. Damit könnten sich neue Freiräume für Unternehmen und Banken eröffnen. Damit allerdings könnte allerdings auch die Versuchung stiegen, die Kunden über den Tisch zu ziehen. Dieses Phänomen hat Shiller zusammen mit seinem Kollegen George Akerlof in seinem aktuellen Buch „Phishing for Fools - Manipulation und Täuschung in der freien Marktwirtschaft“ (Econ-Verlag) analysiert.

Die Autoren behandeln in diesem Buch die zentrale Rolle von Manipulation und Täuschung in der Wirtschaft. Demnach handeln nicht nur die Verbraucher immer wieder irrational. Der Markt selbst erzeuge ein wirtschaftliches Gleichgewicht, das manipulatives Verhalten hervorbringt, und die Wirtschaftstheorie muss diesen Realitäten angepasst werden.

Shiller beschreibt in dem Buch die freie Marktwirtschaft in den Vereinigten Staaten als den Nährboden, welcher Unternehmen geradezu antreibe, ihren Kunden Produkte zu verkaufen, die sie eigentlich gar nicht brauchen und für die sie eigentlich auch gar nicht das Geld haben. Dies geschehe über eine geschickte Manipulation jener persönlichen Geschichten oder „Narrative“, welchen die Kunden folgen.

In den vergangenen Jahren seien neue Narrative aufgetaucht. Und die Konsumenten sind für neue Geschichten offen, weil ihnen in der Vergangenheit viele Geschichten nur erzählt wurden, um sie zu betrügen. Das grundsätzliche Misstrauen gegen die Eliten sei durchaus berechtigt, sagt Shiller. „Die Menschen fühlen sich vernachlässigt, weil ihre Arbeitsplätze ins Ausland ausgelagert wurden und ihre Gehälter in den vergangenen Jahren stagnierten.“ „Der Grund, warum die neuen Narrative so viele Unterstützer mobilisieren konnten, liegt in der wachsenden ökonomischen Ungleichheit. Diese führt dazu, dass sich immer mehr Menschen in den USA von den Eliten abgehängt und vernachlässigt fühlten. Als Folge wächst das Misstrauen breiter Bevölkerungsschichten gegenüber Wissenschaftlern, Journalisten, Managern oder Politikern.“

Die Verunsicherung ist jedoch so groß, dass selbst Daher die abwegigsten Theorien Anhänger finden: „Trump propagierte unter anderem, dass der Klimawandel ein Scherz sei, welcher von den Chinesen erdacht worden ist“, sagt Shiller.

Trotz der aktuellen Krisen sei die freie Marktwirtschaft in den USA prinzipiell besser als jedes andere Wirtschaftsmodell. Shiller plädiert für wirtschaftliche Freiheit. Allerdings müssten wichtigen Bereiche vom Staat reguliert werden. „Selbstverständlich gibt es Beweise dafür, dass die Bilanzen einiger Unternehmen manipuliert sind. Auch Insiderhandel findet öfters statt. Trotzdem stellt unser Buch keinen großangelegten Angriff auf die Wirtschaft dar, sondern möchte zeigen, wie es abseits der Theorien in den Lehrbüchern wirklich ist. Die Zustände wären allerdings weitaus schlimmer, wenn die Zivilgesellschaften nicht so stark wären, das stimmt. Die meisten Manager in den USA und Europa sind grundsätzlich ehrlich.“

Gefragt, welche Narrative die Zukunft dominieren werden, sagt Shiller: „Die Menschen werden nach mehr persönlicher Dienstleistung fragen – etwa eine intensivere Betreuung in Schulen und Universitäten durch sehr kleine Klassen. Auch eine auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmte Pflege im Alter wird mehr nachgefragt werden. „Dazu kommt die Automation vieler Tätigkeiten. Ich habe mich mit meinem Online-Wirtschaftskurs im Grund genommen selbst obsolet gemacht“, sagt Shiller.

***

George A. Akerlof und Robert J. Shiller: "Phishing for Fools: Manipulation und Täuschung in der freien Marktwirtschaft", Econ-Verlag, 416 Seiten, 24€.

 

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