Politik

Verfassungsrichterwahl: Bundestag besetzt drei Posten

Nach monatelangem Streit hat der Bundestag drei neue Verfassungsrichter gewählt. Die Koalition kann endlich aufatmen, doch bleiben offene Fragen zu AfD, Grünen und den Hintergründen des geplatzten ersten Anlaufs. Wer Einfluss nahm, welche Spannungen bestehen und wie heikel die Personalpolitik in Karlsruhe wirklich ist.
25.09.2025 19:25
Lesezeit: 3 min
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Verfassungsrichterwahl: Bundestag besetzt drei Posten
Bundesverfassungsgericht: Streit beendet, neue Richter gewählt. (Foto: dpa) Foto: Uli Deck

Drei neue Verfassungsrichter im zweiten Anlauf gewählt

Nach der gescheiterten Wahl im Juli ist es dem Bundestag nun gelungen, drei vakante Richterposten in Karlsruhe zu besetzen. Die Koalition kann aufatmen, es bleiben jedoch unangenehme Fragen.

Der Bundestag hat im zweiten Anlauf drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt. Wie Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz bekanntgab, erhielten die von der SPD nominierten Kandidatinnen Sigrid Emmenegger und Ann-Katrin Kaufhold sowie der Unions-Kandidat Günter Spinner in geheimer Wahl jeweils die notwendige Zweidrittelmehrheit der 613 abgegebenen Stimmen.

Auf Emmenegger entfielen 446 Ja-Stimmen, 161 Abgeordnete stimmten gegen die Juristin, die vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stammt. Es gab 6 Enthaltungen. Für die Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold votierten 440 Abgeordnete. Der Verwaltungsrichter Spinner erhielt den Angaben zufolge 424 Ja-Stimmen. Die Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen lag bei 409 Stimmen.

Richterstreit belastete die Koalition elf Wochen lang

Damit haben Union und SPD einen Konflikt hinter sich gebracht, der die Koalition elf Wochen lang – fast den ganzen Sommer über – stark belastet hat. Im ersten Versuch war die Wahl im Juli gescheitert, weil in der Union der Widerstand gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf unter anderem wegen ihrer Haltung zu Abtreibungen so groß geworden war, dass Fraktionschef Jens Spahn (CDU) die Reißleine zog. Die Wahl wurde kurzfristig abgesetzt, die SPD sah das Vertrauen in die Koalition stark erschüttert.

Die Potsdamer Staatsrechtlerin verzichtete später nach einigem Zögern auf ihre Kandidatur. An ihrer Stelle wurde nun Emmenegger gewählt, gegen die es in der Union keine Einwände gab.

Vor allem Unions-Fraktionschef Spahn dürfte bei der Verkündung des Wahlergebnisses ein Stein vom Herzen gefallen sein. Ihm war das Wahldesaster vom Juli angelastet worden, weil er die Stimmung in der Fraktion nicht rechtzeitig erkannt hatte. Er geht deswegen angeschlagen aus dem Konflikt hervor.

Kabinettsklausur soll Aufbruchssignal setzen

Die Koalition kann nun nach vorn blicken. In den Wochen nach der Sommerpause hat sie nach ihrem holprigen Start eine Reihe vertrauensbildender Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehörten eine Klausurtagung beider Koalitionsfraktionen in Würzburg, ein Grillfest der Abgeordneten von Union und SPD in Berlin, eine gemeinsame Kiew-Reise der Fraktionschefs und ein gemeinsamer Oktoberfest-Besuch der Parteichefs.

Jetzt ist das lästigste Thema der ersten Koalitionsmonate aus dem Weg geräumt, und man kann sich den angekündigten Reformprojekten im Sozial-, Gesundheits- und Wirtschaftsbereich widmen. Ein Aufbruchssignal soll nach den Vorstellungen der Regierungsparteien von der Kabinettsklausur in der kommenden Woche in der Villa Borsig am Tegeler See im Nordwesten Berlins ausgehen. Dort sollen vor allem konkrete Maßnahmen zur Staatsmodernisierung beschlossen werden.

Welche Rolle spielte die AfD?

Da die Wahl geheim war, bleiben auch danach unangenehme Fragen offen. Vor allem eine: Welche Rolle hat die AfD gespielt? Es lässt sich nicht feststellen, ob eine der Zweidrittelmehrheiten nur mit Stimmen der AfD zustande kam.

Das hängt unter anderem davon ab, wie geschlossen die Koalition für ihre Kandidaten votierte. Gegen Kaufhold gab es zum Beispiel in der Union vereinzelt Bedenken wegen ihrer Haltung zum Klimaschutz und zu Vergesellschaftungen.

Was bewirkte Merz-Attacke bei den Grünen?

Auch das Abstimmungsverhalten der Grünen lässt sich nur schwer einschätzen – vor allem, nachdem Kanzler Friedrich Merz (CDU) die zweitgrößte Oppositionsfraktion in der Generaldebatte am Mittwoch noch scharf attackiert hatte.

Die Linke war ihrerseits verärgert, weil die Union mit ihr nicht über den Kandidaten Spinner reden wollte. Schließlich entschied sich die Fraktion, ihren Abgeordneten das Abstimmungsverhalten freizustellen.

Die AfD hatte vor der Wahl eine Ablehnung Kaufholds angekündigt, gegen die anderen beiden jedoch keine Einwände geltend gemacht.

Union, SPD und Grünen stellen zusammen 413 Abgeordnete und damit sieben weniger als zwei Drittel aller Parlamentarier. Aus fast allen Fraktionen fehlten jedoch einzelne Parlamentarier bei der Abstimmung. Nur die SPD meldete Vollzähligkeit.

Ernennung der Richter für Anfang Oktober geplant

Die drei neuen Verfassungsrichter müssen nach ihrer Wahl noch einige Tage warten, bis sie ihre Büros in Karlsruhe beziehen können. Die Ernennung durch den Bundespräsidenten ist für Anfang Oktober geplant. Bereits an diesem Freitag steht jedoch im Bundesrat die Wahl der neuen Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts an. Für diesen Posten ist Kaufhold vorgeschlagen.

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