Richterstreit: Kommt Karlsruhe der Politik zu Hilfe?
Schon einmal hat das Bundesverfassungsgericht der Politik bei der Richterbesetzung den Weg gewiesen. Könnte Karlsruhe im aktuellen Richterstreit wieder eine richtungsweisende Rolle spielen?
Drei Wochen nach dem Scheitern der Richterwahl im Bundestag ist der politische Richterstreit um drei Positionen am Bundesverfassungsgericht festgefahren. Ein Ausweg zwischen Union und SPD ist nicht erkennbar. Sollte sich daran auch zum Ende der Sommerpause nichts ändern, wird das Bundesverfassungsgericht möglicherweise selbst aktiv. Ende August soll der Wahlausschuss des Bundestags das Gericht auffordern, einen Vorschlag für die Stelle einzureichen, für die die in der Union umstrittene Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf nominiert ist.
Das ergibt sich aus Paragraf 7a des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Brosius-Gersdorf wurde von der SPD als Nachfolgerin von Verfassungsrichterin Doris König vorgeschlagen, deren Amtszeit Ende Juni endete. Falls der Bundestag zwei Monate später noch keine Entscheidung getroffen hat, ist das älteste Mitglied des Wahlausschusses gesetzlich verpflichtet, das Verfassungsgericht "unverzüglich" um einen Vorschlag zu bitten.
Korbach kündigt fristgerechtes Handeln an
In dem zwölfköpfigen Ausschuss fällt diese Aufgabe dem 67-jährigen CDU-Abgeordneten Stefan Korbach zu, der sich darauf bereits vorbereitet hat. "Dieser Verpflichtung werde ich fristgerecht nachkommen", erklärte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Dass der Bundestag noch vorab zu einer Lösung kommt, gilt als unwahrscheinlich. Die nächste reguläre Sitzung ist erst für den 10. September anberaumt. Eine außerplanmäßige Sitzung zur Richterwahl wurde von den Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Richterstreit: Karlsruhe bot im Mai schon eine Lösung
Bereits im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht der Politik bei einem anderen Richterstreit geholfen. Für die Nachfolge von Verfassungsrichter Josef Christ wollte die Union eigentlich Robert Seegmüller, den Vizepräsidenten des Berliner Verfassungsgerichts, vorschlagen. Doch die Grünen verweigerten ihre Zustimmung – für die notwendige Zweidrittelmehrheit waren sie jedoch erforderlich.
Es folgte eine Hängepartie. Nach Ablauf der zweimonatigen Frist bat der Wahlausschuss kurz vor der Bundestagswahl das Bundesverfassungsgericht um eigene Vorschläge zur Nachfolge von Christ. Drei Monate später, nach Konstituierung des neuen Bundestags und Bildung der Regierung, legten die Richter drei Namen vor. Einstimmig setzte sich Günter Spinner, Bundesarbeitsrichter, an die Spitze der Liste. Die Union übernahm den Vorschlag und nominierte Spinner offiziell im Wahlausschuss. Er gehört gemeinsam mit den SPD-Kandidatinnen Brosius-Gersdorf und der Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold zu den drei Personen, die ursprünglich am 11. Juli im Bundestag gewählt werden sollten.
Bundesverfassungsgericht macht unverbindliche Vorschläge
Die Vorschläge des Bundesverfassungsgerichts sind jedoch rechtlich nicht bindend. Sie dienen lediglich als Ideensammlung. Die Entscheidung verbleibt beim Bundestag. "Das Recht des Wahlorgans, einen nicht vom Bundesverfassungsgericht Vorgeschlagenen zu wählen, bleibt unberührt", heißt es im Gesetz. Beide Seiten wollen bislang ohne Unterstützung von außen eine Einigung finden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann erklärte in einem Interview mit der dpa auf die Frage, ob Karlsruhe im Richterstreit eine Rolle spielen könne: "Von der Priorität her muss man sagen, Ziel sollte es sein, dass wir das zunächst einmal im Bundestag bewerkstelligen können."
Im gleichen Atemzug schlug Hoffmann ein völlig neues Richterpaket vor. Dieser Vorstoß wurde jedoch sowohl von der SPD als auch von den Grünen umgehend zurückgewiesen. Seitdem gibt es keinen neuen Lösungsansatz mehr. Die SPD hält an Brosius-Gersdorf fest, während die Unionsführung angesichts des Widerstands vieler Abgeordneter ihre Wahl nicht zusichern kann.
Nächste Eskalationsstufe: Der Bundesrat könnte entscheiden
Wie lange das Bundesverfassungsgericht für die Erstellung möglicher Vorschläge brauchen würde, ist unklar. Ein Sprecher des Gerichts wollte sich nicht äußern: "Von Ausführungen zu hypothetischen Vorgängen wird abgesehen", hieß es auf Anfrage.
Ein Vorschlag aus Karlsruhe löst jedoch eine weitere Frist aus: Verstreicht auch dann erneut eine dreimonatige Frist ohne Entscheidung des Bundestags, kann der Bundesrat in das Verfahren eingreifen. Die Koalitionspartner versuchen bislang, dieses Szenario zu vermeiden. Doch auch in der Länderkammer ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich – eine einfache Lösung ist auch dort nicht garantiert.