Finanzen

Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist, entscheidet gerade das Bundesverfassungsgericht. Kippt Karlsruhe den Soli, bedeutet das für den Bund Rückzahlungen und ein zusätzliches Loch von 65 Milliarden Euro. Welche Auswirkungen das Urteil auf die Staatsausgaben und die Wirtschaft hat.
25.03.2025 09:58
Lesezeit: 4 min
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35 Jahre nach der Wiedervereinigung zahlen einige Menschen weiter den Solidaritätszuschlag („Soli“). Ob das noch rechtens ist, entscheidet nun das Bundesverfassungsgericht: In Karlsruhe wird heute (26.03.2025) der Solidaritätszuschlag auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft. Grundlage ist eine Verfassungsbeschwerde, die FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr bereits 2020 gemeinsam mit anderen FDP-Politikern eingereicht hatte.

Karlsruhe prüft erhobenen Solidaritätszuschlag

Die Wiedervereinigung liegt mehr als eine Generation zurück: „Der Soli ist mittlerweile eine reine Wirtschaftssteuer geworden. Er belastet viele Personengesellschaften, die Arbeitsplätze geschaffen haben, sowie Kapitalgesellschaften“, erklärte Dürr diesen Schritt auf Instagram.

Auch die AfD-Fraktion forderte im Mai im Bundestag die Abschaffung des Solidaritätszuschlags – mit der Begründung: Der Solidaritätszuschlag ist 1995 eingeführt worden, um den Bund bei der Finanzierung des „Aufbaus Ost“ zu entlasten, nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II zum 31.12.2019 fehle es dem Zuschlag allerdings an verfassungsrechtlicher Legitimation. Den entsprechenden Antrag „Abschaffung des Solidaritätszuschlags – Erster Schritt einer umfänglichen Steuerreform zur Entlastung des Mittelstands, von Unternehmen sowie Arbeitnehmern“ (20/11149) lehnte der Finanzausschuss ab.

Aufbau Ost „Soli“ als Steuer für den Bundeshaushalt

Ursprünglich war der Solidaritätszuschlag vor über 30 Jahren zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt worden – 1991 zunächst befristet für ein Jahr. Aus der Befristung wurde seit 1995 eine unbefristete Ergänzungsabgabe des Fiskus – eine Art „Reichensteuer“ für manche bis heute! Wer mehr als 18.000 Euro Einkommenssteuer zahlt, muss den Solidaritätszuschlag noch zahlen. Heute nimmt der Bund durch den Solidaritätszuschlag jährlich zusätzlich rund zwölf Milliarden Euro ein. Doch hinter dieser Ergänzungsabgabe steht ein dickes Fragezeichen.

Soli wird zur Reichensteuer für Spitzenverdiener

Die FDP-Politiker kritisieren zum einen, dass der Soli immer noch erhoben wird, obwohl es dafür keinen Bedarf mehr gebe. Außerdem müssten nur noch Reiche den Solidaritätszuschlag zahlen, was faktisch eine zusätzliche „Reichensteuer“ bedeute. Florian Toncar, einer der Kläger, sagte vor Gericht angesichts der Möglichkeit, dass der Bund Milliarden zurückerstatten muss: „Die Haushaltsfolgen sind nicht die Schuld der Kläger, sondern des Gesetzgebers.“

2021 hatte die damalige Bundesregierung den Solidaritätszuschlag für rund 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft. Seitdem müssen ihn aber noch die Spitzenverdiener sowie Unternehmen ganz oder teilweise zahlen. Dem IW zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen den Soli sowie etwa 600.000 Kapitalgesellschaften.

Für private Steuerzahler beträgt er 5,5 Prozent der Einkommensteuer. Bei Unternehmen (KMU und GmbH) kassiert der Fiskus zusätzlich 5,5 Prozent der Körperschaftsteuer. Damit werden mittelständische und kleine Unternehmen zusätzlich steuerlich hochbelastet, neben den ohnehin hohen Energie- und Personalkosten, erst recht im internationalen Vergleich.

Verstößt der Solidaritätszuschlag gegen das Grundgesetz?

Zwar hatte der Bundesfinanzhof (BFH) Anfang 2023 entschieden, dass der Solidaritätszuschlag für die Jahre 2020 und 2021 rechtmäßig sei. Allerdings kam der BFH auch zu dem Schluss, dass die Ergänzungsabgabe nicht dauerhaft erhoben werden dürfe, da der Bund sich dauerhaft über Steuern finanzieren muss und nicht über eine Ergänzungsabgabe.

Eine Ergänzungsabgabe stellt eine zusätzliche und grundsätzlich temporäre Besteuerungsoption des Bundes dar, um finanzielle Engpässe zu überwinden – unabhängig vom üblichen Steueraufkommen und ohne Zustimmung des Bundesrats. Deshalb ist es strittig, ob der Solidaritätszuschlag, der für einen bestimmten Zweck eingeführt wurde, unbefristet sein und für andere Bedarfe verwendet werden kann. Darüber und ob die Abgabe gegen das Grundgesetz verstößt, entscheiden die obersten Richter seit letzten Dienstag.

Ohne Soli fehlen dem Bund Milliarden

Wenn das Bundesverfassungsgericht in Folge der Verhandlungen feststellt, dass der Soli seit 2020 verfassungswidrig ist, wäre das für den Bund eine mittlere Katastrophe. Denn die Einnahmen aus dem Soli belaufen sich von 2020 bis 2024 auf 65 bis 70 Milliarden Euro. Geld, dass dann an die Steuerzahler zurückzahlen werden müsste.

Zusätzlich würden auch die für das kommende Jahr im Haushalt eingeplanten Soli-Einnahmen in Höhe von 12,75 Milliarden Euro wegfallen – ebenso die vom Bund bis 2028 erwarteten Einnahmen. Diese milliardenschwere Haushaltslücke dürfte auch für eine zukünftige Regierung zum Problem werden – zumal auch die Haushalte für 2024 und 2025 noch ausstehen. Und das Ampel-Aus für zusätzlichen Stillstand bis zu den Neuwahlen führt.

Grüne wollen weiter den Soli

Der Vertreter der Regierung, der Fraktions-Vize der Grünen, Andreas Audretsch, und der juristische Sachverständige Rechtsprofessor Henning Tappe argumentieren vor dem Gericht, dass die Aufhebung des Solidaritätszuschlags nicht nötig sei, da es viele neue finanzielle Sonderbedarfe des Bundes gebe.

Tappe argumentierte, dass ein Solidaritätszuschlag nicht zweckgebunden sein müsse. Bei einem Solidaritätszuschlag handelt es sich um eine Ergänzungsabgabe gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG. Dass der Solidarpakt für den Aufbau Ost 2019 ausgelaufen ist, spiele laut Tappe keine Rolle.

Der Grünen-Politiker Audretsch sagte, dass es für den Klimaschutz, die Unterstützung der Ukraine und die Sanierung der Infrastruktur den Soli benötige. Weiter sagte er, dass es vom Sozialstaatsgebot gedeckt sei, dass nur noch „Gutverdienende“ den Soli zahlen.

Ohne Soli könnten Betriebe Milliarden sparen

In Unternehmen könnte eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags endlich für Entlastung sorgen. Die Betriebe würden laut Experten knapp 65 Milliarden Euro einsparen. Das geht aus einer Berechnung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Wirtschaftsverbände plädieren seit Jahren für die Abschaffung der Abgabe.

Gut zu wissen: Da die Steuerbescheide der betreffenden Jahre einen Vorläufigkeitsvermerk bezüglich des Solis haben, würde die gezahlte Summe automatisch zurückkommen – vorausgesetzt, das Bundesverfassungsgericht entscheidet endgültig, dass der Soli seit 2020 nicht verfassungskonform ist.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird erst in den nächsten Monaten erwartet. Die Hälfte der Verfassungsrichter zeigt sich bereits skeptisch, was die Argumente für eine Fortführung des Solis angeht.

Fazit: Falls der Solidaritätszuschlag endgültig als verfassungswidrig eingestuft und rückabgewickelt wird, muss der zusätzliche Finanzbedarf in Milliardenhöhe auf andere Weise gedeckt werden. Je länger man mit einer Entscheidung wartet, desto größer werden die Folgen im Falle einer Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags sein. In der aktuellen Lage wäre die endgültige Abschaffung der „Mogelpackung“ ein wichtiges Entlastungsinstrument für neue Wachstumsimpulse der deutschen Wirtschaft.

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Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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