Finanzen

Solidaritätszuschlag auf dem Prüfstand: Was bedeutet das für Steuerzahler?

Das Bundesverfassungsgericht prüft den #Solidaritätszuschlag! Wird die Ergänzungsabgabe für Gutverdiener und Unternehmen abgeschafft? Lesen Sie, was die Verfassungsbeschwerde der FDP-Politiker fordert und welche Folgen eine mögliche Rückzahlung hätte.
13.11.2024 07:19
Aktualisiert: 13.11.2024 07:55
Lesezeit: 3 min

Am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird derzeit der Solidaritätszuschlag auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft. Der Zweite Senat befasst sich mit verschiedenen verfassungsrechtlichen Fragen zu dieser Ergänzungsabgabe, sagte die Vorsitzende Richterin, Doris König, zu Beginn der mündlichen Verhandlung. Dabei geht es auch darum, ob die Deutsche Einheit nach wie vor zusätzliche Finanzierung erfordert. Seit 2021 müssen 90 Prozent der Steuerzahler keinen Solidaritätszuschlag mehr zahlen, derzeit betrifft die Diskussion jedoch noch die verbliebenen Zahler wie Gutverdiener und Unternehmen.

Das höchste deutsche Gericht verhandelt konkret über eine Verfassungsbeschwerde von sechs FDP-Politikerinnen und -Politikern. Sie argumentieren, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags, der ursprünglich zur Finanzierung der Wiedervereinigung eingeführt wurde, nach dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 verfassungswidrig sei. "Eine stillschweigende Umwidmung der Ergänzungsabgabe ist unzulässig", erklärte ihr Bevollmächtigter Henning Berger. Es sei eine "Normallage" eingetreten, die einer Fortführung des Solis entgegenstehe. Darüber hinaus kritisieren die Kläger, dass Bezieher unterschiedlicher Einkommen ungleich behandelt würden.

Richterin Rhona Fetzer, die als Berichterstatterin für den Fall zuständig ist, meinte, die Beschwerdeführer setzten ihr politisch gescheitertes Ziel nun juristisch fort. Die Verfassungsbeschwerde wurde als Pilotverfahren aus fünf anhängigen Verfahren ausgewählt. Ein Urteil wird in der Regel erst in einigen Monaten erwartet (Az. 2 BvR 1505/20).

Regierung verteidigt den Solidaritätszuschlag

Die Bundesregierung verteidigt den Solidaritätszuschlag und führt an, dass durch die Folgen der Wiedervereinigung weiterhin ein erhöhter Finanzbedarf bestehe. Kyrill-Alexander Schwarz, der Bevollmächtigte der Bundesregierung, sagte: "Politische Prozesse sind nicht zwingend vorhersehbar." Das Gericht habe stets die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Finanzierungsfragen betont. Zudem verwies Schwarz darauf, dass der Bundesfinanzhof in einem Urteil von 2023 keine Verfassungswidrigkeit des zugrundeliegenden Gesetzes gesehen habe.

Darüber hinaus stellten die Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi (SPD) und Andreas Audretsch (Grüne) infrage, ob der Solidaritätszuschlag ausschließlich zur Deckung einer bestimmten, ursprünglich definierten Finanzlast dienen dürfe. Audretsch betonte, dass die Aufgaben des Staates in den letzten Jahren nicht weniger geworden seien – und nannte Beispiele wie den Infrastruktur-Ausbau, den russischen Angriffskrieg und die Bewältigung der Klimakrise. Es gebe keinen Normalzustand.

Aus seiner Sicht sei es auch mit dem Sozialstaatsgebot vereinbar, dass nur Gutverdiener den Solidaritätszuschlag zahlen. Zumal die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werde.

Historische Perspektive auf den Solidaritätszuschlag

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich bereits 1972 mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ergänzungsabgabe befasst. Damals entschied der Senat, dass eine Ergänzungsabgabe nicht zwingend befristet sein müsse, erklärte König. Der Gesetzgeber dürfe dabei auch soziale Erwägungen berücksichtigen. Ob eine Ergänzungsabgabe abgeschafft werden müsse, wenn die Voraussetzungen für ihre Erhebung entfielen, ließ das Gericht damals jedoch offen.

Der Solidaritätszuschlag für die Spitzenverdiener bleibt

Der Solidaritätszuschlag wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Seit 2021 müssen nur noch Gutverdiener, Unternehmen und Kapitalanleger den Soli zahlen. Für 90 Prozent der Steuerzahler wurde der Solidaritätszuschlag im Rahmen des "Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995" abgeschafft, für weitere 6,5 Prozent zumindest teilweise. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft zahlen derzeit noch rund sechs Millionen Menschen den Soli sowie etwa 600.000 Kapitalgesellschaften.

Sollte der Karlsruher Senat der Ansicht der FDP-Beschwerdeführer folgen und den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig erklären, könnte dies für die kommende Bundesregierung zu einer großen Herausforderung werden. Denn für das kommende Jahr sind Soli-Einnahmen in Höhe von 12,75 Milliarden Euro im Haushalt verplant, die dann wahrscheinlich wegfallen würden. Es könnte jedoch noch problematischer werden: Der Senat könnte auch entscheiden, dass der Staat die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der letzten Jahre zurückzahlen muss. Dies würde etwa 65 Milliarden Euro seit 2020 umfassen.

Mögliche Folgen einer Rückabwicklung des Solidaritätszuschlags

Falls der Solidaritätszuschlag als verfassungswidrig eingestuft und rückabgewickelt werden müsste, erklärte der FDP-Bevollmächtigte Berger, müsse der zusätzliche Finanzbedarf auf andere Weise gedeckt werden. Dies liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers. Je länger man mit einer Entscheidung warte, desto größer könnten die Folgen im Falle einer Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags werden, betonte Berger.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...