Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW-Köln) plant der Bund, im Jahr 2024 rund 12 Milliarden Euro durch den Solidaritätszuschlag einzunehmen. Doch, was verbirgt sich genau hinter dieser Abgabe? Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer in Deutschland, die ursprünglich 1991 ins Leben gerufen wurde, um die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zu finanzieren und die wirtschaftliche Infrastruktur und Lebensverhältnisse in Ostdeutschland an das Niveau des Westens anzugleichen.
Die Ergänzungsabgabe von 5,5-Prozent wird auf die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer sowie die Kapitalertragsteuer aufgeschlagen. Zur Begründung führte die damalige Bundesregierung aus: „Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich (…).“
Solidarisch zur Förderung der Wiedervereinigung - darin bestanden lange Zeit keine Zweifel! Doch nun liegt die DDR-Ära schon lange zurück. Besteht daher noch eine rechtliche Grundlage für eine solche Steuer, oder ist es an der Zeit, den Solidaritätsbeitrag abzuschaffen? Und falls ja, welche Konsequenzen hätte das für die Menschen in Deutschland?
Solidarität auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichts: Das Erbe der Wiedervereinigung
Der Ruf nach Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist nicht neu. Bereits im Jahr 2020 reichten Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion, die auch der Bundesrechtsanwaltskammer angehören, eine Verfassungsbeschwerde (Aktenzeichen 2 BvR 1505/20) gegen die Abgabe ein.
Der Grund? Die Beschwerdeführer argumentieren, dass der Solidaritätszuschlag seit dem Auslaufen des Solidarpakts II am 31. Dezember 2019 nicht mehr gerechtfertigt sei. Angesichts fehlender spezifischer Ausgaben für die deutsche Einheit im aktuellen Bundeshaushalt sehen sie keine verfassungsrechtliche Basis für eine weitere Erhebung.
Seit 2021 greift der Solidaritätszuschlag außerdem nur noch bei Einkommen oberhalb von 73.874 Euro, bzw. 147.748 Euro bei gemeinsam Veranlagten. Niedrigere Einkommen zahlen keinen Solidaritätsbeitrag mehr. Das heißt, nur eine spezielle Gruppe von Steuerzahlern wird in Deutschland mit dem Solidaritätszuschlag belastet.
Eine ungerecht verteilte Last: Ist die Abgabe verfassungswidrig?
Eine rechtliche Untersuchung mit dem Titel „Der Solidaritätsbeitrag verletzt das Grundgesetz“, durchgeführt von der Universität Augsburg im Januar 2024 im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. und des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V., belegt dies mit konkreten Zahlen.
Wie Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL.M. (Notre Dame), der Autor der Studie, unterstreicht, fällt der Solidaritätszuschlag nur noch bei etwa zehn-Prozent der Steuerzahler an. Die anderen 90-Prozent der Steuerpflichtigen sind von der Zahlung befreit!
Und wer muss zahlen? Es sind vor allem die Besserverdiener und Unternehmen – beispielsweise etwa eine halbe Millionen Kapitalgesellschaften in Deutschland –, die den Löwenanteil des Solidaritätszuschlags schultern. Mit nahezu sieben Milliarden Euro leistet die Wirtschaft mehr als die Hälfte des gesamten Steueraufkommens. Damit hat sich der Solidaritätszuschlag in der Praxis zu einer Art versteckter Unternehmenssteuer entwickelt.
Exklusive Last: Der Solidaritätszuschlag für Unternehmer & Besserverdiener
„Der Soli belastet die kränkelnde deutsche Wirtschaft jährlich mit Milliardensummen“, so Dr. Tobias Henze vom IW-Köln. Falls das Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag als verfassungswidrig einstuft, wäre dies eine deutliche Entlastung. Doch eine voreilige Hoffnung auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre verfrüht. Warum? Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts entscheidet die Politik, wie mit der Besteuerung umgegangen wird.
Die Bundesregierung hat bisher keine konkreten Reformpläne, den Solidaritätszuschlag ändern zu wollen. Zwar hat sich Finanzminister Christian Lindner kürzlich für eine Abschaffung des Rest-Solidaritätszuschlags stark gemacht, aber das IW-Köln sieht dennoch kein baldiges Ende der Soli-Ära in Sicht. „Problemanalysen waren schon immer das kleinste Problem dieser Regierung, fraglich ist doch, ob sie noch die Kraft und Geschlossenheit hat, sich auf etwas zu einigen“, kommentiert Direktor Michael Hüther die Entwicklungen.
Solidaritätszuschlag: Eine finanzielle Säule in der Waagschale
Der Solidaritätszuschlag stellt eine wesentliche Säule des deutschen Staatshaushalts dar: Als zuverlässige Einnahmequelle ist er entscheidend für die Sicherung öffentlicher Ausgaben – ein Faktor, der in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit nicht zu unterschätzen ist. Angesichts des derzeit hohen Finanzierungsbedarfs der Bundesrepublik könnte ein Ausfall dieser Steuer ein gravierendes Defizit in der Staatskasse nach sich ziehen.
Darüber hinaus existieren Argumente, die im Solidaritätszuschlag ein unabdingbares Mittel zur Minderung regionaler Ungleichheiten sehen. Er dient nicht nur dem Ausgleich in finanzschwächeren Gebieten, sondern zielt auch darauf ab, Einkommensunterschiede zu reduzieren. Der Solidaritätszuschlag symbolisiert darüber hinaus die gemeinschaftliche Verantwortung, die auf den Schultern aller Bürger liegt, um ein einheitliches Deutschland zu gestalten. Somit lässt sich argumentieren, dass seine Erhebung – zumindest für jene, die seit 2021 nicht mehr zur Zahlung verpflichtet sind – als Beitrag der Wohlhabenderen zu einer gerechteren Gesellschaft gedeutet werden kann.
Dies illustriert die Komplexität des Themas: Auch wenn Rechtsexperten den Solidaritätszuschlag als verfassungswidrig erachten, existieren stichhaltige Argumente, die für seine Beibehaltung sprechen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts bleibt abzuwarten und wird offenlegen, ob der Solidaritätszuschlag weiterhin einen festen Bestandteil des deutschen Steuersystems bildet. Ein finales Urteil, das Klarheit über die Legitimität des Solidaritätszuschlags bringt, steht noch aus.