Politik

Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich ab zwischen der Ampel und der Union, die Verhandlungen werden positiv beurteilt. Noch gibt es zwar keine Einigung - aber womöglich schon sehr bald.
28.03.2024 17:00
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Kanzler zaudert und hat noch vergangene Woche erklärt, er begegne Überlegungen, die derzeitige Struktur des Bundesverfassungsgerichtes zu verändern, mit Skepsis. Es scheint so, als würde Olaf Scholz (SPD) mal wieder die eigene Koalition links wie rechts überholen wollen.

Denn sowohl Vertreter der Ampel-Regierung als auch der Union sind scheinbar auf bestem Wege, sich auf eine institutionelle Stärkung der Richter in Karlsruhe als Hüter der Verfassung im Lande zu verständigen. Die Parteien wollen das Schiff der Demokratie wetterfest gegen etwaige Angriffe extremistischer Parteien machen.

Justizminister begrüßt Haltung der Union

Die Gespräche sind ganz offenkundig in vollem Schwung - vertraulich zwar, aber vernehmlich. Marco Buschmann, der Bundesjustizminister von der FDP, dessen Ministerium federführend dabei ist, Vorschläge auszuarbeiten, wie das hohe Gericht in Zukunft besser geschützt werden kann, begrüßte jetzt ausdrücklich die konstruktive Haltung der Union. „Ich freue mich sehr darüber, dass die Union an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist", sagte Buschmann am Donnerstag in einem Interview. Es gehe darum, „die notwendigen Mehrheiten zu organisieren, um die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz stärker zu verankern."

Buschmann hat bereits einen ersten zwölfseitigen Gesetzentwurf vorgelegt. Dem Minister zufolge ist es „ein Arbeitsdokument", auf dessen Grundlage diskutiert und beraten werde derzeit. Demnach sollen die beiden Senate als einzige Kammern des Gerichts festgeschrieben werden, die Wahl der jeweils acht Richter durch Bundestag und Bundesrat gesichert sowie deren Amtszeit von zwölf Jahren und die Altersgrenze von 68 Jahren verbindlich geregelt bleiben. Laut Gesetzesentwurf hinzugefügt wird außerdem der Satz: „Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie die Gerichte und Behörden." Einem Coup d'État durch die kalte Küche soll so gewissermaßen vorgebeugt werden.

Der FDP-Politiker betonte, dass es in der Sache um „unsere gemeinsame gesamtpolitische Verantwortung als seriöse Demokaten" gehe. Dies wiege deutlich schwerer als „parteipolitische Auseinandersetzungen". Ohne dies extra zu sagen, wendet sich dies natürlich vor allem gegen die AfD, deren Vertreter bereits in aller Öffentlichkeit angekündigt haben, dass sie sich einen Umbau unseres Staates und Gemeinwesens vorgenommen haben.

Wie schnell nämlich knappe politische Mehrheiten ein Parlament und ein Staatswesen gefährden können, hat man zuletzt am Beispiel Polens sehen können, wo die regierende Pis-Partei von Jaroslaw Kaczynski konsequent Schlüsselbereiche einer funktionierenden Demokratie wie Medien und Gerichte mit Gefolgsleuten in Stellung und auf Kurs gebracht hatte. Dass dies extremistische Politiker wie der AfD-Politiker Björn Hocke als Blaupause auffassen können, wollen die bürgerlichen Parteien möglichst verhindern.

Sich damit angreifbar zu machen für Kritik, wollen sie gleichwohl in Kauf nehmen, so scheint es. Besser den Staat schützen und seine Institutionen absichern, als der drohenden Debatte aus dem Weg gehen, heißt wohl die neue Devise in Berlin. Buschmann sagt dazu: „Die traurige Erfahrung in Polen, in Ungarn und teilweise auch in Israel ist, dass Verfassungsgerichte schnell politische Angriffsziele sein können."

Für Richterbund ist Justiz Bollwerk der Demokratie

Inzwischen hat auch der Deutsche Richterbund die Pläne zum besseren Schutz des Verfassungsgerichts begrüßt. Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, gab zu Protokoll: „Eine bessere Absicherung kann aber nur ein erster Schritt sein, um den Rechtsstaat insgesamt wehrhafter gegen Extremisten aufzustellen. Es braucht jetzt auch in den Ländern politische Institutionen, um die Justiz besser vor parteipolitischen Durchgriffen zu schützen und sie als Bollwerk der Demokratie zu stärken."

Darauf zu hoffen, dass das schon irgendwie wird, sei „kein Ersatz für vorausschauende Politik", sagte Rebehn. Er ließ aber offen, wer in der Bundesregierung sein Adressat ist. Olaf Scholz gab sich zuletzt ja so zurückhaltend, weil er „fest davon überzeugt" sei, besser nicht „das Narrativ der Rechten und Rechtsextremen zu bedienen, dass sie schon auf der Siegerstraße gehen". Die Debatte über das Bundesverfassungsgericht, für dessen Stärkung eine breite Zweidrittel-Mehrheit im Parlament erforderlich wäre, tat der Kanzler sogar als „Nebenkriegsschauplatz" ab - in seiner Koalition scheinen dies viele mal wieder völlig anders einzuschätzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
avtor1
Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

DWN
Politik
Politik Haushaltsdebatte im Bundestag: Erst Schlagabtausch, dann Bratwürste für den Koalitionsfrieden
17.09.2025

Merz gegen Weidel: Zum zweiten Mal treten die beiden in einer Generaldebatte gegeneinander an. Weidel wirft Merz „Symbolpolitik“ und...

DWN
Finanzen
Finanzen Berliner Testament: Ungünstige Nebenwirkungen bei größeren Vermögen – und was sonst zu beachten ist
17.09.2025

Das Berliner Testament ist in Deutschland sehr beliebt, denn es sichert den überlebenden Ehepartner ab. Allerdings hat es auch eine Reihe...

DWN
Politik
Politik Wohnungsnot in Deutschland: Linke fordert Grundrecht auf Wohnen
17.09.2025

Im Jahr 2020 hatten die Linken im Bundestag einen Entwurf für ein Gesetz vorgelegt, das bezahlbaren Wohnraum einklagbar machen sollte. Nun...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Wirtschaft gerät ins Straucheln
17.09.2025

Chinas Wirtschaft verliert an Schwung: Exporte brechen ein, Investitionen sinken, die Immobilienkrise spitzt sich zu. Droht der...

DWN
Politik
Politik Sprung auf Rekordwert – AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Erbschaften oft steuerfrei - Ausnahmen sollen abgeschafft werden
17.09.2025

Jedes Jahr werden Milliarden oft steuerfrei vererbt oder verschenkt. Manche halten die Steuereinnahmen dadurch für zu gering. Die Debatte...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie gilt als „sinnlos überbewertet“ und erzielt dennoch gigantische Renditen
17.09.2025

Investoren, die die hohe Bewertung ignorierten und die Tesla-Aktie in Erwartung großer Gewinne und künftiger Marktmacht kauften, wurden...

DWN
Politik
Politik IW-Analyse deckt auf: Regierung stopft Haushaltslöcher mit Sondervermögen
17.09.2025

Mit dem Sondervermögen Infrastruktur wollte die schwarz-rote Koalition eigentlich den Investitionsstau im Land auflösen. Doch eine...