Politik

Deals statt Kriege: Trump will USA wieder zur Industrie-Nation machen

Lesezeit: 9 min
09.01.2017 00:25
Donald Trump wird immer noch von vielen seiner Kritiker unterschätzt. Doch der designierte Präsident will die USA wieder zu einer führenden Industrie-Nation machen. Europa droht ein signifikanter Bedeutungsverlust.
Deals statt Kriege: Trump will USA wieder zur Industrie-Nation machen

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Die US-Wahlen haben mit einer ganzen Reihe von Überraschungen geendet. Eine ist die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten, eines Außenseiters des Politbetriebs. Eine andere ist die solide republikanische Mehrheit in beiden Häusern sowie die große Zahl republikanischer Gouverneure – und das, obwohl noch 2015 und bis zum Nominations-Parteitag 2016 die Partei in einer Zerreißprobe und der größten Krise seit Jahrzehnten zu stecken schien. Alle Ebenen der Regierung sind somit fest in republikanischer Hand – zumindest für die nächsten zwei, wahrscheinlich aber vier Jahre.

Der Ausgang der Präsidentschaftswahl war knapp. Bei einem nur leicht anderen Wahlausgang, einer Verschiebung um wenige 10.000 Stimmen in jeweils drei Bundesstaaten, wäre Hillary Clinton Präsidentin geworden. Doch die knappe, um nicht zu sagen hauchdünne Mehrheit erlaubt einen politischen Gezeitenwechsel auch auf globaler Ebene, wie man ihn sich fundamentaler kaum vorstellen kann. Zum einen steht das Programm auf der Agenda, welches der neue Präsident implementieren will. Es ist zwar betitelt mit ‚Make America great again’, aber keineswegs gesegnet mit Kernpunkten, die in der Vergangenheit die Stärke der USA ausmachten. Dann gibt es die solide republikanische Mehrheit im Kongress und in den Bundesstaaten, die mindestens in mittlerer Frist die für die Vereinigten Staaten üblichen ‚checks and balances’ teilweise außer Kraft setzt. Schließlich betrifft es die Tatsache, dass die republikanische Partei von heute nicht mehr viel mit den Republikanern von früher zu tun hat. Die Partei und die Parteiführung sind heute durchsetzt von Tea-Party Anhängern, religiösen und anderen Fundamentalisten wie ideologischen Staatsgegnern, Waffennarren und ‚weißen Nationalisten’.

Oberflächlich betrachtet war der Ausgang bei den Wahlen im Jahr 2000 ähnlich knapp, als statt des damaligen Vizepräsidenten Al Gore, eines Kandidaten mit der Aura eines Umweltschützers, George W. Bush zum Präsidenten gewählt wurde. Doch damals konnte sich Präsident Bush keineswegs auf solide Mehrheiten im Kongress verlassen. Es brauchte ein Ereignis wie den 11. September 2001, um sowohl seine innen- als auch außenpolitische Agenda durchsetzen zu können.

Die neue Regierungsmannschaft ist, was die oberste Ebene betrifft, fast zusammengestellt. Aus Biographien, Statements und Handlungen lassen sich einige Schlüsse ziehen, wie die Politik unter einem Präsidenten Trump sein könnte. Das Ergebnis ist keineswegs ein Zurück zur guten alten Zeit, sondern teilweise eher eine Irrfahrt in eine ungewisse Zukunft. Pragmatisches verbindet sich mit abenteuerlichen Elementen in der Außen- wie in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.

Zwei Beobachtungen drängen sich zunächst seit der Wahl vom 9. November auf:

Erstens führte Donald Trump einen Wahlkampf mit einer Rhetorik gegen die Wallstreet, die Großkonzerne und gegen den ‚Washington Sumpf’. Diesen wollte er trockenlegen. Hillary Clinton stellte er als die leibhaftige Inkarnation dieser Gruppen dar. Damit gewann er vor allem in den ländlichen Gegenden und in den ehemaligen Industriegebieten. Dieser Punkt ist erledigt: In seinem Kabinett sind die Wallstreet, die Großkonzerne und der ‚Washington Sumpf’ prominent vertreten – neben ein paar selbständigen Milliardären und wichtigen Donatoren und Wahlhelfern. Trump ist ein Frontmann, der extrem gut mit seinem Publikum kommuniziert. Was nachfolgend angerichtet wird, repräsentiert jedoch etwas ganz anderes. Es ist kein Anti-Establishment-Kabinett, sondern ein Establishment-Kabinett mit neuer Zusammensetzung, welches eine umfassende und radikale Wende vollziehen will.

Zweitens hat Trump nach seinem Anti-Establishment-Wahlkampf möglichst rasch die Übereinstimmung mit dem republikanischen Polit- und mit dem Business-Establishment gesucht und eine anscheinend praktikable und zielorientierte Anfangsformation für seine Regierung gefunden. Man sollte ihn nicht unterschätzen. Viele derjenigen, die sich über ihn lächerlich machen, tun dies vermutlich unbewusst. Für eine Koordination mit dem republikanischen Kongress ist der bisherige Vorsitzende des Republikanischen National Komitees Priebus als designierter Stabschef zentral. Dennoch gibt es gravierende Differenzen von Trumps Wahlkampf-Programm gegenüber den festen Überzeugungen und dem Kernprogramm der Republikaner. Dabei sind Konflikte vorprogrammiert.

Die Republikaner im Kongress hatten nach der Wahl Obamas zum Präsidenten 2008 rasch auf eine Obstruktionspolitik umgeschaltet. Der Strippenzieher dahinter war Mitch McConell – ein unscheinbarer, wenig telegener Berufspolitiker, der seit Jahrzehnten für die Republikaner im Senat sitzt und hinter den Kulissen sehr effektiv die Fäden zieht. Er war damals Minderheitsführer, ist seit 2014 Sprecher des Senats und verkörpert auf republikanischer Seite ungefähr das, was man despektierlich als „Washington Sumpf“ bezeichnet. Die Republikaner haben praktisch alles blockiert oder zu blockieren versucht, was der damals neu gewählte Präsident an Initiativen vorbrachte. Gleichzeitig haben sie über die Jahre eine relativ kohärente und detaillierte eigene Agenda entwickelt, welche ein umfassendes Programm zur Neugestaltung des Staates enthält. Diese Agenda erhielt zusätzlich konkrete Gestalt, seit Paul Ryan 2015 Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus wurde. Paul Ryan ist ein relativ junger, eher ideologischer Politiker. Von ihm wird behauptet, dass er den libertären, anti-etatistischen Vorstellungen von Ayn Rand nachhänge. Er hat vor allem das Steuer-Programm der Republikaner im Repräsentantenhaus mit ausgearbeitet und geprägt. Die beiden wichtigsten Personen im neu zusammentretenden Kongress haben ein sehr unterschiedliches Verhältnis zu Donald Trump. McConell hat Trump im Wahlkampf gegen Clinton unterstützt, während Paul Ryan sich bei jeder bietenden Gelegenheit von Trump öffentlichkeitswirksam distanzierte. McConell steht Trump auch näher, denn seine Frau Elaine Chao wird im neuen Kabinett das Ministerium für Transport leiten. Sie war bereits unter George W. Bush Arbeitsministerin gewesen.

Die wichtigsten Punkte dieser Agenda der Republikaner im Kongress betreffen einerseits die drastische Kürzung von Steuern für Unternehmen und für Private. Mit einem sozialpolitischen Kahlschlag auf der Aufgabenseite soll andererseits der demografisch bedingten Verschlechterung der Budget- und Verschuldungssituation des Bundes vorgesorgt werden. Auch sollen damit die geplanten Steuersenkungen finanziert werden. Auf regulatorischer Ebene steht die Abschaffung bzw. Annulation aller Kernpunkte von Obamas Präsidentschaft im Vordergrund: des ‚Affordable Care Act‘ (‚Obamacare‘), der Klima- und Umweltschutzvorschriften sowie der Dodd-Frank Gesetzgebung für die Banken. Des Weiteren ist eine umfassende Deregulierung auf vielen einzelnen Gebieten geplant – was immer das heißen mag. Diese Agenda der Republikaner im Kongress ist praktisch und organisatorisch vorbereitet. Die Republikaner hätten nur noch einen Präsidenten gebraucht, der die Gesetzesvorlagen unterschreibt. Mehr oder weniger alle republikanischen Kandidaten außer Trump wären dafür geeignet gewesen. Zu den Grundsätzen der Kongress-Republikaner gehören auch der Freihandel sowie die außenpolitische Agenda, welche sich gegen Putins Russland richtet sowie Regimewechsel in unliebsamen Ländern einschließt.

Nun hat sich aber Donald Trump bei den Vorwahlen der Republikaner durchgesetzt und ist Präsident geworden. In vielen Punkten hat er eine Agenda im Wahlkampf angeführt, die mit derjenigen der Republikaner im Kongress übereinstimmt – etwa bezüglich Steuersenkungen. Doch in zentralen Punkten gibt es auch Widersprüche und entgegengesetzte Vorstellungen. Der wichtigste Punkt betrifft die Sozialwerke, also die Altersvorsorge (‚Social security‘) und die Gesundheitsausgaben des Bundes. Diese umfassen ‚Medicare‘, die Krankenversicherung für ältere und behinderte Bürger, und ‚Medicaid’, ein steuerfinanziertes Fürsorgeprogramm, welches Gesundheitsausgaben von Geringverdienenden bezahlt. Auch die Ausgaben für Arbeitslose und Nahrungsmittelmarken gehören hierzu. Trump hat als einziger Bewerber bei den Vorwahlen der Republikaner explizit ausgeschlossen, diese Sozialprogramme anzutasten. Unter anderem deshalb ist er von der republikanischen Basis gewählt worden, während alle anderen hochkant durchgefallen sind. Diese Festlegung ist wichtig: Die Sozialprogramme machen ungefähr 70 Prozent der Bundesausgaben aus. Von ihnen geht auch die wesentliche Aufgabendynamik aus. Sie sind vor allem deshalb wichtig, weil die amerikanische Gesellschaft rapide altert. Die Generation der Baby-Boomer zieht sich in den nächsten Jahren zunehmend vom Arbeitsmarkt zurück. Das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und -empfängern wird sich drastisch verschieben. Zudem fallen wie in allen OECD-Ländern der überwiegende Teil der Gesundheitskosten in den allerletzten Lebensjahren an. Durch die Alterung ist somit ein starker Anstieg der Gesundheitskosten vorprogrammiert. Die amerikanische Bevölkerung hat außerdem eine wesentlich tiefere durchschnittliche Lebenserwartung als etwa diejenige in Japan oder in Europa. Sie liegt bei knapp 79 Jahren. Diese erhöhten Gesundheitskosten werden also verhältnismäßig rasch anfallen.

Trump ist dieser Problematik im Wahlkampf entkommen, indem er der inhaltlichen Auseinandersetzung ausgewichen und praktisch nur auf einer persönlichen Ebene mit Hillary Clinton zusammengestoßen ist. Die Wahlkampf-Strategie von Clinton hat ihm dabei sehr geholfen. Seine Berater haben ein Papier veröffentlicht, in dem auf wundersame Weise die reduzierten Steuersätze die Steuererträge sprudeln ließen. Inhaltlich ermöglicht wurde dies durch die Annahme eines Wirtschaftswachstums von durchschnittlich 4 Prozent für die nächsten Jahre. Das Argument basierte auf der Annahme von Beschäftigungs- und Produktivitätseffekten der Steuersenkungen. Werden solche Wunschträume als Basis-Annahmen fallengelassen, so reduziert sich die ganze Budget-Arithmetik auf knallharte Alternativen zwischen Steuersenkungen, einem sehr substantiellen Sozialabbau oder dramatisch erhöhten Budgetdefiziten und einer rasch ansteigenden Staatsverschuldung. Trump hat sich bei den Sozialausgaben im Wahlkampf festgelegt, er kann nicht ohne Weiteres das Gegenteil von dem starten, was er in Aussicht gestellt hat. Seine Mentalität ist es außerdem, mit etwas Risiko zu beginnen, und die Dinge zu korrigieren, wenn etwas schief läuft.

Weitere Konfliktpunkte mit den Republikanern im Kongress beziehen sich auf die Handelspolitik. Trump ist mit einer protektionistischen Agenda im Wahlkampf aufgetreten und hat erst recht eine Regierungsmannschaft entsprechend aufgestellt. Die Republikaner im Kongress haben genau wie die Demokraten die Freihandelsabkommen wie TPP oder TTIP unterstützt. Für sie ist die protektionistische Agenda von Trump ein Schock. Es widerspricht allem, was Republikaner und Demokraten im Kongress in den letzten 25 Jahren vertreten haben. Das Problem für die Republikaner ist, dass Trump unter anderem deswegen die Wahlen gewonnen hat. Es reflektiert nicht nur eine politische Präferenz der Administration, sondern eine Grundwelle in politisch entscheidenden Teilen des Landes und der Bevölkerung.

Schließlich gibt es auch in der Außenpolitik gravierende Differenzen. Trump hat im Wahlkampf eine gewisse Affinität zu Putin erkennen lassen. Russland ist für das republikanische wie für das demokratische Establishment der Hauptgegner – als habe es nie ein Ende des Kalten Krieges gegeben. Wichtige Exponenten wie John McCain oder Lindsey Graham sind regelrechte Kalte Krieger, die alles unternehmen und unterstützen, was auf eine Konfrontation mit Russland hinausläuft. Eine weitere Differenzierung betrifft die Einmischung in Konflikte und die Position zu multilateralen Institutionen wie der NATO. Trump hat angedeutet, dass er sich von der neokonservativen Agenda der ‚Regimewechsel‘ im Rest der Welt verabschieden und außerdem andere westliche Staaten für die Militäraufwendungen der USA zahlen lassen will.

Angesichts dieser drei möglichen Konfliktlinien ist wichtig zu verstehen, wo der Präsident Handlungsspielräume hat und wo er auf Gedeih und Verderb einen Konsens mit den republikanischen Meinungs- und Entscheidungsmachern im Kongress suchen muss.

Vielleicht ist verfrüht, eine Bilanz zu ziehen. Vielleicht sind Tendenzen, die sich abzuzeichnen scheinen, nur Versuchsballone, die effektiv nie umgesetzt werden. Die folgende Darstellung ist deshalb mit einer gehörigen Portion Vorsicht zu genießen. Sie versucht, eine Logik hineinzubringen, basiert aber auf noch sehr dünner Evidenz. Die Tendenzen beziehen sich auf die Gebiete Außenpolitik, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. In diesem ersten Artikel soll nur die Außenpolitik sehr summarisch behandelt werden. Die Wirtschafts- und die Gesellschaftspolitik sind gesonderten Artikeln vorbehalten.

Außenpolitik

Zentral scheint einmal die Kehrtwende in der Handelspolitik gegenüber den letzten 20 Jahren. Sie ist Antwort auf eine gescheiterte Globalisierung – zumindest aus politischer Sicht der neu gewählten Regierung. Wichtigste Neuerung ist die Identifikation Chinas als unfairem Handelspartner, der zudem eine Herausforderung in militärisch-politischer Hinsicht darstellt. China wird als destruktive Kraft angesehen, die langfristig für die USA gefährlich ist. Die Abwendung von einem China-Schmusekurs ist die erste Innovation der neuen Regierung. Sie will auf allen Ebenen Chinas unfairen Handelspraktiken begegnen, wahrscheinlich einen Handelskrieg beginnend – und wenn möglich Chinas Aufstieg zur Hegemonialmacht verhindern. Damit zusammenhängend werden auch eigene Versäumnisse, vor allem in der Handels- und Steuerpolitik, Priorität angegangen.

Die zweite große Innovation in der Außenpolitik, mit der ersten verknüpft, dürfte der Versuch sein, einen Ausgleich mit dem Russland Putins hinzubringen. Auch das ist ein Bruch mit der Politik der letzten Jahrzehnte. Die USA haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Russland immer möglichst eng eingekreist. Sie haben Militärbasen möglichst nahe bei Russland errichtet. Russland ist ökonomisch kein ernsthafter Konkurrent der Vereinigten Staaten, anders als China. Das Riesenreich hat auch auf lange Sicht kein Potential dazu und hat in Bezug auf unfaire Handelspraktiken keine negative Bilanz wie China. Für die Trump-Administration dürfte es darum gehen, eine Allianz Russlands mit China zu unterbinden.

Unter anderem deshalb wurde der Chef des Erdölmultis Exxon Rex Tillerson zum Außenminister und einige Generäle mit einer gewissen Russland-Affinität ausgewählt. Putin hat in den letzten Jahren militärisch-politische Ambitionen erkennen lassen, die unter dem Titel ‚Eurasien’ auf eine Restauration des Sowjetreiches gedeutet werden könnten. In der Wahrnehmung einiger Spitzenmanager und Generäle lassen sich diese Konfliktherde aber mit Putin durchaus lösen. Ob dem effektiv so ist und ob das für die betreffenden Länder (Ukraine, Georgien, Moldawien, baltische Länder und andere) dann einfach sein wird, ist eine andere Frage: Sie dürften für Trump Verhandlungs-Chips am Pokertisch darstellen. Schon hier dürfte es harte Differenzen mit traditionellen Meinungsmachern der Republikaner geben. Doch Außenpolitik ist die Domäne des Präsidenten. Außerdem ist seine Festlegung nur taktisch und nicht irreversibel. Falls diese Karte nicht sticht, kann sie auch fallengelassen werden.

Die dritte Innovation in der Außenpolitik ist eine präzedenzlose Israel-’freundliche’ Orientierung: keine zwei-Staaten Lösung, Recht Israels auf unbegrenzte Siedlungstätigkeit, Jerusalem als Hauptstadt – umgekehrt schroffe Härte gegen den Iran, die einzige Macht, welche eine Gefahr für Israel darstellt. Diese Politik, welche die religiösen Hardliner im israelischen Kabinett entzückt, ist mit der Ernennung des neuen Israel-Botschafters David Friedman signalisiert.

Noch keine klare Linie ist gegenüber den Sunni-Regimes wie gegenüber Saudi-Arabien erkennbar. Doch die Ernennung des Exxon-Chefs zum Außenminister deutet darauf hin, dass der Mittlere Osten und die Erdöl-Interessen ein vierter Schwerpunkt für die neue Administration darstellen werden. Dabei dürfte es nicht nur um die Interessen der amerikanischen Erdölindustrie in den betreffenden Staaten gehen. Trump hat in seinem Wahlkampf die Wiederbelebung der Energieindustrie in den USA zu einem wichtigen Schwerpunkt der industriellen Erneuerung erklärt. Er hat sich dazu verstiegen, dass dies viele Millionen Jobs schaffen könnte. So hoch werden die Beschäftigungsgewinne kaum ausfallen, aber sie können substantiell sein.

Damit das geschehen kann, muss eine Rationalität in die Preissetzung hineinkommen. Die Erdölindustrie ist eine kapitalintensive Industrie. Sie braucht Planbarkeit der Preise und der Mengen. Ohne eine Veränderung im Angebotsverhalten kann dies nicht erreicht werden. Der neue Außenminister dürfte offen oder hinter den Kulissen darauf hinwirken, dass die wichtigen Produzentenländer inklusive der USA ruinöse Preiskämpfe wie in den vergangenen zweieinhalb Jahren vermeiden und stattdessen ein über die OPEC hinaus koordiniertes Vorgehen wie Ende November 2016 anstreben. Nur dann können riskante und sehr teure Projekte wie Tiefsee-Bohrungen, Exploration in der Arktis oder Schiefersand-Abbau in Angriff genommen werden.

Es ist auch daran zu erinnern, dass fast die ganze Erdöl-Ausrüstungsindustrie amerikanisch ist und dass vor allem sie von solchen Projekten profitieren wird. Schließlich sind die Erdölstaaten des Mittleren Ostens wichtige Kunden der amerikanischen Rüstungs- und Infrastruktur-Industrie. Die USA haben kein Interesse, dass sie finanziell in die Bredouille geraten und laufende Projekte aus Cash-Mangel fallen lassen müssen. Tillerson hat von seinen beruflichen Kontakten das ideale Netzwerk, um hier als Broker verschiedener Interessen auftreten zu können.

Die fünfte Innovation könnte ein Bedeutungsverlust Europas sein. Europa dürfte für Trump zunächst nicht zuvorderst auf der Agenda stehen. Seine Berater sehen die EU als Mehrwertsteuer-Betrüger gegen amerikanische Interessen. Ferner als Profiteur, der für den Schutz durch die USA bisher nicht oder zu wenig zahlt, aber in Zukunft diese Lasten übernehmen soll. Außerdem sehen sie die Immigrations- und Wirtschaftspolitik der Eurozone als zum Scheitern verurteilt an. Europa ist kein Feind, aber auch aus politischen Gründen nicht so zentral für eine Trump-Regierung wie bisher. Deutschland und Europa sind für Präsident Obama vor allem im Hinblick auf eine Allianz gegen Russland und für seine globale Freihandels-Strategie sehr wichtig gewesen.

Die Besetzung der Spitzenpositionen unter Präsident Trump zeigt sehr deutlich die Agenda. Sehr vieles ist der geplanten industriellen Renaissance untergeordnet. Dies nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in der Wirtschafts- und in der Gesellschaftspolitik, den Themen der nächsten Artikel. In der Außenpolitik erscheint die Berufung von Tillerson pragmatisch und folgerichtig – diejenige von Friedman eher als durchaus mit Risiken verbunden.


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