Finanzen

„Auge der Pyramide“: Hacker von Mario Draghi war hochrangiger Freimaurer

Die italienischen Behörden sind möglicherweise einem Kriminalfall von ungeahnter Dimension auf der Spur. Ein hochrangiger Freimaurer soll 18.000 E-Mail-Konten von Bankern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Unternehmern und Kardinälen aus dem Vatikan gehackt und Dossiers angelegt haben. Unter anderem betroffen: EZB-Chef Mario Draghi.
11.01.2017 01:14
Lesezeit: 3 min

Wegen des Verdachts der Internetspionage gegen Politiker und Unternehmen hat die italienische Polizei in Rom ein Geschwisterpaar festgenommen. Der in London gemeldete Atomingenieur, der für die Investmentfirma Westland Securities gearbeitet hat, und seine Schwester würden verdächtigt, Politiker, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen ausgespäht zu haben, teilte die Polizei am Dienstag mit. AFP, Reuters und Bloomberg zufolge sind der zwar in London gemeldete, aber in Rom lebende Giulio Occhionero und seine Schwester Francesca in Roms Finanzkreisen gut bekannt.

Insgesamt sollen die beiden über einen Zeitraum von mehreren Jahren 18.000 E-Mail-Konten von „Bankern, Geschäftsleuten und sogar mehreren Kardinälen im Vatikan“ gehackt haben, zitiert Reuters den Chef der italienischen Cyberpolizei, Roberto Di Legami, in seinem englischsprachigen Dienst unter Berufung auf die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Über 2.000 Passwörter sollen geknackt worden sein. Der Vatikan-Kardinal soll nach Informationen des Corriere della Sera Gianfranco Ravasi sein. Der Corriere berichtet, dass die Geschwister Zugang zu allen vertraulichen Informationen aus dem italienischen Staats- und Finanzwesen hatten. Die Zeitung berichtet, dass es auch Zusammenhänge zur Skandalloge P4 gegeben haben soll, die in Italien im Jahr 2011 in  einen Abhör- und Korruptionsskandal verwickelt war.

Reuters berichtet über den Freimaurer-Hintergrund der Verhafteten, welches sich im Haftbefehl findet: „Occhionero war ein hochrangiges Mitglied einer Freimaurer-Loge, welche in Italien im Verborgenen wirkt. Unter jenen, die gehackt wurden, befand sich auch der Großmeister der größten Loge Italiens.“ Laut Corriere sollen sich 338 Namen in den gehackten Dateien befinden, die zu Freimaurern gehören. Die Zeitung schreibt, Occhionero sei Mitglied der Loge "Grande Oriente" gewesen.

Die Geschwister sollen den privaten Apple-Computer, das Handy und den Dienst-Computer des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und den Computer des Goldman-Bankers und zwischenzeitlichen Ministerpräsidenten Mario Monti ausgespäht haben. Außerdem verschafften sie sich Zugang zu den Emails des damaligen Chefs der italienischen Zentralbank und heutigen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi. Die EZB scheint allerdings laut Reuters nicht ausgespäht worden zu sein. Laut Haftbefehl wurden außerdem die Email-Adressen von bedeutenden Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfern, Finanzpolizisten, Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums, des Vatikan, von Gewerkschaften und sogar Kreditagenturen ausgespäht.

Gegen das Paar wird laut AFP seit dem vergangenen Jahr ermittelt, als ein ranghoher Regierungsvertreter eine infizierte E-Mail erhalten hatte. Den Festgenommenen droht eine Klage wegen illegaler Beschaffung von Informationen über die staatliche Sicherheit, illegalen Zugangs zu Computersystemen und unerlaubten Abfangens von E-Mails.

Nach Angaben der Polizei wurden die Informationen mit Hilfe eines komplexen Netzwerks von Überseefirmen abgefangen. Passend zum Freimaurer-Hintergrund verwendete das Geschwisterpaar eine Malware mit dem Namen „EyePyramid“ (Auge der Pyramide). Reuters: „Occhionero, was im Italienischen ,Schwarzauge‘ bedeutet, verwendete eine spezialisierte Malware mit dem Namen ,EyePyramid‘, eine Referenz zu dem alles sehenden Auge Gottes wie jenem, dass auf der Rückseite der Dollar-Noten abgebildet ist. Die gestohlenen Daten wurden auf Servern in Prior Lake, Minnesota, und Salt Lake City, Utah, gespeichert.“ Die Server waren laut Corriere verschlüsselt, das FBI bemühe sich aktuell um die Entschlüsselung.

Es gäbe keine Hinweise, dass die Hacker im Auftrag von ausländischen Staaten agiert hätten, sagte Di Legami laut Reuters. Damit dürfte zumindest in diesem Fall Russlands Präsident Wladimir Putin als verdächtiger Drahtzieher ausscheiden. Das FBI hat die Server beschlagnahmt und wird sie nach Italien verschiffen. Interessant: Der Corriere schreibt, dass die Firma Westland Securities "die US-Regierung beraten" haben soll, und zwar im Zusammenhang mit dem Bau der Infrastruktur des Hafens von Taranto.

Die Software soll so raffiniert angelegt gewesen sein, dass die Hacker nicht bloß die Emails lesen konnten, sondern sogar überwachen konnten, was die Ausgespähten in ihre Tastatur eintippten.

Was die Geschwister genau mit den Daten gemacht haben, ist unklar. Der Corriere spricht allerdings von "Dossiers", die angelegt wurden, möglicherweise, um die Ausgespähten zu "erpressen". Die Dossiers sollen demnach so angelegt worden sein wie jene bei den Logen P3 und P4 - also mit privaten Informationen, die "eine tödliche Waffe" gegen die Ausgespähten darstellen.

Über mögliche Hintermänner ist nichts bekannt. Es ist nicht bekannt, ob Daten an Dritte geleakt wurden. Ebenfalls unklar ist, ob in den E-Mails neue Erkenntnisse zum Skandal um die Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) enthalten sind. Die italienischen Finanzbehörden ermitteln wegen der überteuerten Übernahme der Antonveneta, welche die aktuelle Krise bei der MPS ausgelöst hatte. Die MPS hatte auch enge Beziehungen zur Vatikan-Bank IOR. Das IOR war vor einigen Jahren wegen des Verdachts der Geldwäsche in die Schlagzeilen geraten. Die Freimaurer hatten den Vatikan damals ungewöhnlich scharf attackiert. Ein Bischof wurde wegen Korruptionsverdachts verhaftet.

Nach dem Rücktritt des deutschen Papstes Joseph Ratzinger war es still um das IOR geworden, weil auch der umstrittene Finanzminister des Vatikan, Kardinal Tarcisio Bertone, sang- und klaglos von der Bühne verschwand. Der Kommunikationschef der MPS stürzte sich aus einem Fenster. Die offizielle Todesversion von einem Selbstmord wird von seinen Angehörigen bezweifelt. Er soll unter anderem knapp vor seinem Tod in telefonischem Kontakt mit dem Vatikan gestanden haben.

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