Die EU wusste offenbar schon lange vor Bekanntwerden des VW-Skandals, dass die von ihr geforderten Abgasnormen bei Dieselfahrzeugen von den Automobilherstellern nicht eingehalten werden. In einem internen Brief an das Büro der Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hatte ein Beamter die Abgasnormen der EU-Kommission für Dieselfahrzeuge als „fast komplettes Versagen“ bezeichnet. Der Brief wurde im Juni 2015 geschrieben – drei Monate, bevor die Manipulationen des Volkswagen-Konzerns bekannt wurden. Dies hat der EUObserver recherchiert.
Die EU war offenbar bereit, dem Druck der Hersteller nachzugeben. Denn in dem Schreiben drängt der Beamte die EU-Kommission, die Bedenken der Automobilindustrie bezüglich der geplanten neuen Abgastests auf der Straße unter echten Fahrbedingungen zu „lindern“, berichtet der EUobserver.
„Die absoluten Emissionen von Nitrogenoxiden von Dieselfahrzeugen unter echten Fahrbedingungen haben sich trotz verschiedener Maßnahmen kaum verändert“, schreibt der Beamte mit Blick auf die Bemühungen der Kommission, den Ausstoß dieses Schadstoffes einzudämmen. „Auf der Straße stößt ein Euro 5-Fahrzeug pro Kilometer noch immer fast so viel Nitrogenoxid aus, wie ein Fahrzeug mit der Abgasnorm Euro 3.“
Die Automobil-Lobbygruppe ACEA habe Bedenken hinsichtlich der geplanten Straßentests der Kommission geäußert, heißt es in dem Schreiben. Diese kämen zu früh. Die Autobauer würden sich sehr darauf konzentrieren, die Abgaswerte in den vorgeschriebenen Labortests zu erfüllen, anstatt Dieselfahrzeuge herzustellen, die im alltäglichen Betrieb weniger Schadstoffe emittieren würden, schreibt der Beamte.
Um die Bedenken der Automobilbauer zu berücksichtigen, wurde deshalb vorgeschlagen, die Straßentests erst ab dem Jahr 2020 verpflichtend einzuführen. Dies würde zu einer „Schwächung der ursprünglichen Absichten“ der EU-Politik zu Abgasnormen führen, räumte der Beamte in dem Schreiben ein.